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THE ABERLOURS live in der Festscheune von Langenstein
THE ABERLOURS live in der Festscheune von Langenstein
in Konzertberichte 2019 und älter 18.10.2015 18:36von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Merinos, Aberlour’s & Kilkenny in Langenstein
(17.10.2015)
Im Hochmittelalter sollen die Merinos, eine Schafrasse, die wohl über Nordamerika und Spanien nach Europa gelangte, auch im Harz aufgetaucht sein – sagt man. Jedenfalls gibt es heute in dem kleinen Ort Langenstein, zwischen Blankenburg und Halberstadt gelegen und mit einem (Haupt)Bahnhof für die Hex(e) ausgestattet, einen Schäferhof. Hier wiederum existiert ein gemeinnütziger Verein, der sich der Zucht dieser ganz besonderen Wollspender widmet und sich darüber hinaus, der Pflege ländlicher Kultur und des Brauchtums verschrieben hat. In der großen Festscheune kann man es sich über das Jahr wahlweise beim Sommerklassik-Konzert, dem Erntedankfest oder bei Folk-Konzerten richtig gut gehen lassen. Das besondere Ambiente hier habe ich auch schon genießen dürfen und jedes Mal war ich begeistert. Heute ist es wieder soweit. In Langenstein haben sich die 1999 gegründeten ABERLOUR’s zu einem besonderen Konzert angesagt.
Die vom HORCH-Frontmann KLAUS ADOLPHI als „Neben“Projekt formierte Band hat sich inzwischen zu einer festen einheimischen Institution in Sachen Celtic- und Folk-Rock gemausert. Die Herren tummeln sich stilistisch irgendwo zwischen Jethro Tull und Fairport Convention und teilten mit ihnen die Bühne. Diese Band, und auch HORCH, einmal live zu erleben, hat bei mir stets irgendwie nicht geklappt. Elsterwerda liegt nicht nur am Brandenburger Waldrand, sondern in vielerlei Hinsicht auch weitab vom Schuss. Nun bin ich im Harz gelandet und einige neue Türen öffnen sich. Heute die zur Festscheune auf dem Schäferhof in Langenstein.
Drinnen werde ich freundlich empfangen. Die Hand, die mir ein wenig Kleingeld abnimmt, drückt mir im Gegenzug ein wunderschön gestaltetes Ticket in meine Hand. Dass es so etwas doch noch gibt! Der Raum ist bestuhlt, vor der Bühne genügend Platz und an der Rückseite bieten Tresen und Küche das nötige Beiwerk für ein Konzert dieser Couleur. Trotz der räumlichen Weite fühlt sich das alles noch kuschelig an. Man holt sich ein leckeres Kilkenny oder löffelt eine deftige Bauersuppe. Wir sind in einer ehemaligen Scheune und doch irgendwie auch in einer Art Kneipe zum Wohlfühlen, in der gegen Acht plötzlich Musikanten auf der Bühne stehen. Die Klänge von Gitarre, Fiddle und Akkordeon versprühen irischen Charme, der Rhythmus von Bass und Drums weckt die sitzenden Füße und mit geschlossenen Augen fühlt es sich für mich an, als wäre ich bei Fairport Convention in Cropredy, statt in Langenstein.
Mir geht’s gut, während Frontmann KLAUS ADOLPHI allen Blondinen ein musikalisches Kompliment ankündigt. „Fair Hair“ (Blondes Haar) verbindet einen alten Text aus dem 18. Jahrhundert mit der rockende Spielweise der ABERLOUR’s, die Fiddle und Laute über groovender Rhythmik tanzen lassen. Es macht Spaß, den Musikanten zuzuschauen und den Moderationen zwischendurch zu lauschen. Wir erfahren, warum es in Deutschland keinen St. Patricks Day gibt und auch, dass wir uns einen solchen Schutzheiligen gönnen sollten. Als Vorschlag präsentieren sie uns den „St. Bonifatius Jig“, einen wilden Tanz, bei dem Geiger VAL GREGOR zu Höchstform aufläuft, und hängen dann noch ihren „Bösenburg Reel“, von der aktuellen CD, hinten dran. Jeder in der Hütte tobt und die Band strahlt. Wieder einmal weiß ich, dass man noch immer neue Entdeckungen machen und nebenbei auch noch seinen eigenen Geschmack verwöhnen kann.
Selbst einen kernigen Protestsong kann die Band anbieten. Mit „Violent Show“ (etwa: Gewalt-Show) protestieren sie, nach eigener Aussage, „gegen Schokoladenweihnachtsmänner in den Supermärkten schon im September“ und ernten dafür tosenden Applaus. Die Nummer haben sie als „Caribian Celtic Reggae“ verkleidet. Wahrscheinlich, damit niemand merkt, dass dieser Protest ausgerechnet aus der Schokoladenstadt Halle kommt. Klasse gemacht und auch, wie sie der alten Volksweise „Dat du min Leevsten büst“ ein neues Gewand verpassen, überzeugt mich auf ganzer Linie. Aus dem beschwingten Walzer wird bei den ABERLOUR’s fast schon eine sch(m)erzhafte Ballade. Anschließend überraschen sie noch mit dem eigenen Song „Dönerstag“ (am Dönerstand), einem Jig mit wildem Fiddle-Solo von ihrer aktuellen CD. Auch deren Titelsong „Dayoodlo“ bekommen wir zu hören plus der dazu gehörigen Erklärung, was hinter „Dayoodlo“ eigentlich steckt – nämlich nichts anderes als eine andere Version von „Tralala“, aus der dann für Akademiker ein wichtiges „Simsalabim Saladu Salabim“ „entstunden sei“ (O-Ton Adolphi). Ich hab’ mich bald weggeschmissen vor lauter Lachen.
Wer sich einen Abend mit den ABERLOUR’s gönnt, bekommt deftigen Speed-Folk, grollende Grooves, eingängige Melodien sowie derbe Sprüche plus schlaue Erklärungen auf die Ohren. Wenn er Pech hat, darf sie auch tanzen. Dann drehen sich die Körper vor der Bühne im Kreise und eine wilde Fiddle singt ihr Lied dazu. Von den eigenen Liedern und den bearbeiteten Texten geht eine romantische Magie aus und man findet sich für Momente in einer anderen Zeit wieder, ohne die Welt da draußen vergessen zu müssen. Manchmal klingt es ein wenig nach Django Reinhard („Danville Girl“) und ein anderes Mal meint man in einem alten amerikanischen Kinderlied einen Hauch Bluesgrass zu hören. Manchmal wird es gar mysteriös, düster und sehr balladesk („White Maid“), dass es mir tief unter die Haut geht. Es ist diese Mischung und die Abwechslung, die mich faszinieren.
Inzwischen geht die Begeisterung durch alle Reihen bis hinter zum Tresen. Bei der Tanznummer „Girl I Left (Behind)“, bei der KLAUS ADOLPHI und VAL GREGOR sehr harmonisch zweistimmig intonieren, füllt sich die Fläche vor der Bühne und einige Damen versuchen gar, einen Line-Dance auf den Beton der ehemaligen Tenne zu zaubern. Auf dem Höhepunkt erleben wir mit „Nobody’s Reel“ ein scharfes Fiddle-Solo, bei der sogar „Lustig ist das Zigeunerleben“ kurz zitiert wird, ehe das Ganze eine wilde Rhythmuseinlage (Trommel, Pauke, Drums plus Overdrive Speed Fiddle) ausartetet, bei der letztlich der Schlagzeuger bei einem Solo allein zeigen darf, was in ihm steckt. Grandios und noch niemals sah ich einen Drummer während seines Solos, ohne es zu unterbrechen, aus einer Bierflasche trinken! Da hat die Männermeute am Tresen noch einmal richtig getobt, während die Damen vorn tanzend ihre Runden drehten.
The ABERLOUR’s live auf der Tenne, das ist, als wären die Merinos von den Leinen gelassen! Erst als sich die Band verbeugt und ein letztes Stück „Riverdance“ als Zugabe spielt, neigt sich dieser Abend dem Ende zu und der letzte verbliebene „Höhlenbewohner“ darf endlich auf eine ruhige Nacht hoffen. In mir klingen die Reels & Jigs & Grooves noch eine Weile nach. Ein einsichtiger Staatsbeamter hatte dafür gesorgt, dass die Brückendurchfahrt in Langenstein wieder möglich ist und so kann sich der Pulk ohne Umleitung durch den Ort schlängeln und auf der Wilhelmshöhe wieder in alle Winde zerstreuen. Die Herren ABERLOUR’s sollen in naher Zukunft wieder hier auftauchen. Dann wird man auch wieder mit mir rechnen müssen.
Nachtrag: Aberlour ist ein Ort in der schottischen Speyside, eine Region im hohen Norden, entlang des kleinen Flüßchens Spey. Der in dieser Region hergestellte Whiskey soll eine gemeinsame feine Charakteristik haben. Aberlour’s ist also die Bezeichnung für ein besonderes Destillat, das von dort kommt, und außerdem eine saugeile Kapelle. Gesprochen hört es sich „Eberlauer’s“ an. Wieder was gelernt!
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
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