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Roots'n'Blues mit BERND RINSER im Papermoon von Halberstadt
Roots'n'Blues mit BERND RINSER im Papermoon von Halberstadt
in Konzertberichte 2019 und älter 11.10.2015 19:07von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Mit Bernd Rinser auf den Landstraßen des Blues (10.10.2015)
Statt stets den gleichen Bands hinterher zu jagen, bin ich eher einer von denen, die sich gern immer wieder auf ein neues Abenteuer, auf einen (für mich) unbekannte Band oder Künstler einlassen. Das war bei Tiny Vipers so, auch bei Gretchen Peters und bei der Joris Hering Blues Band. Nun also auch BERND RINSER. Jemand, der sich gut auskennt, meinte, diesen Abend im Papermoon mit dem Blues-Barden aus dem Bayerischen solle ich mir nicht entgehen lassen. Also werfe ich all meine erworbenen Vorurteile gegenüber unbekannten „Westimporten“ über Bord und steuere wagemutig einer möglichen Überraschung entgegen. Skeptisch bin ich dennoch.
An der Stelle in der Kulturkneipe, wo meist ein Mikrofon- und ein Gitarrenständer stehen, entdecke ich eine ganze Batterie alter Gitarren vor einigen Boxen und einem steinalten Verstärker, dessen Inneres wahrscheinlich noch mit Röhren bestückt ist. Oha! Insgesamt acht Gitarren zähle ich sowie diverses Zubehör und eine Kollektion Blues-Harps. Mittendrin ein lang aufgeschossener Typ mit schulterlangem Haar: BERND RINSER. Am Tresen bekomme ich ein dunkles Bierchen spendiert – mir geht es gut. Als mein Glas leer ist, hat sich der Raum gefüllt.
Inzwischen hat der Musiker eines seiner alten Modelle in den Händen und ein „Flaschenhals“ entlockt den Saiten die ersten, langsam gespielten, gleitenden Tonfolgen, die in ein bluesgetränkte „Struck by Love“ münden. „Zwar bin ich grad nichtvon der Liebe getroffen“, überrascht aber allemal und beim folgenden „Got You“, dem Titelsong seiner aktuellen CD, hat er mich schon fast erwischt. Für seinen nächsten Song nimmt er eine der Gitarren, direkt vor mir, aus dem Ständer und offenbart sie uns als eine waschechte alte Herrnsdorf Schlaggitarre aus DDR-Produktion. Was für eine Überraschung! Auf so einem Teil, mit Mischpult und zwei Tonabnehmern, aus dem gleichen Hause, habe ich in meinen wilden Jahren auch die Saiten strapaziert. Was allerdings BERND RINSER mit „Backbone“ dann dem Instrument entlockt, wäre mir wohl niemals gelungen. In der Hütte groovt es zu einem erdigen Blues mit Footstamping auf der Trommel, mit dem einen, und einem Tambourine, mit dem anderen Fuß. Jetzt hat er mich ganz und gar erwischt, denn meine Füße wippen den Rhythmus von allein mit.
Von diesem Musiker geht so etwas wie Magie, ja eine eigenwillige Faszination aus. Wie er mit seinen Instrumenten hantiert, wie er sprachlich Brücken zwischen den Song entstehen lässt und dies, in einer ihm eigenen Mischung aus amerikanischem Slang und deutschen Wortfetzen tut, zwingt zum genauen Hinhören. Erst recht dann, wenn er eine seiner gefühlvollen Balladen „aus dem Staub von tausend Straßen“ und wie man aus den „Zitronen des Lebens köstliche Limonade machen könnte“, zu erzählen weiß. Dann klettert seine Stimme in traurige Abgründe hinab und eine seiner Gitarren weint den Blues schluchzend dazu. „Burning (On Both Sides)“ ist so ein Stück eingefangenes Leben, dessen Story mir, und sicher anderen auch, tief unter die Haut geht.
Manchmal leitet BERND RINSER die nächste Geschichte mit einem instrumentalen Zwischenspiel ein. Auf diesen Weise bringt er uns „in the mood“, um uns Momente später mit einem wild stampfenden urbanen Blues, wie der Bible Belt" (also Bibelgürtel), einem Limburger gewidmet, schier an die Wand spielen zu wollen. Da stampft der eitle Pope mit nur drei einfachen Akkorden trotzig über die Saiten, während in seinem Hinterkopf ein Palast entsteht. Das ist schon ziemlich bissig.
Emotional am nächsten kommt er mir, wenn er eine seiner „dusty road ballads“ mit geschlossenen Augen, wie den „Silver Spoon Song“, aus sich heraus holt. Geschichten von Typen, die eben nicht mit einem silbernen Löffel in der Hand auf diese Welt kamen, dafür aber den Staub von den Landstraßen an ihren Stiefeln kleben haben. Stories von der „Border Line“, irgendwo zwischen Texas und Mexiko, aber nah in Bayern oder Franken von ihm aufgeschnappt. Diese schönen Lieder von den „Beautiful Loosers“, wie sie Leonard Cohen beschreibt und das gefühlvolle „The Chapel“ eine ist, die gehen mir in diesem Minuten tief unter die Haut. Sie sind, so wie das deftig ruppige „Many Roads To Travel“, dem wahren Leben abgelauscht.
Mir scheint, dass BERND RINSER in seiner Art, den Blues zu spielen und musikalisch zu leben, ganz und gar bei sich selbst ist. Nicht nur, dass er die verschiedenen Gitarren, jeder, wie einer besonderen Geliebten, im Augenblick des Spiels einzigartiges zu entlocken versteht, er setzt sie geradezu liebevoll auf seinen Schoß. Die eine (schwarze) bekommt gar seine schlagende Hand zu spüren, um den richtig harten Rhythmus entstehen zu lassen, während er die sechs Saiten einer anderen geradezu liebevoll streichelt, um deren Charakter zu entfalten. Dazu passt seine Stimme, die mal rauchig zart und dann wieder hart und laut sein kann. Wenn er dann noch den alten Röhrenverstärker die Töne prasseln und stöhnen lässt, weiß ich wieder, warum ich diese digital unterkühlten Gitarrenläufe nicht hören mag. Denen fehlen einfach die Seele und der Blues des Lebens, der gern auch mal vom Folk inspiriert sein darf. Der Mann vor mir, im eng gemütlichen Papermoon, sprüht geradezu davon und lässt uns an seiner Begeisterung teilhaben. Das ist bei „Love Divine“ (Göttliche Liebe) ebenso deutlich zu fühlen, wie beim nachfolgenden „Day By Day“, das er förmlich zelebriert. BERND RINSER versteht es, mit Gitarre, Blues-Harp und Stimme, die Gedanken auf eine Reise zu fernen Orten und anderen Menschen zu schicken. Wer ihm zuhört, wird mitgenommen.
Dass inzwischen, inklusive einer Pause, beinahe drei Stunden vergangen sind, habe ich bei all diesen Liedern nicht mitbekommen. Immer wieder starre ich auf seine rechte Schlaghand, wie sie die Saiten peitscht oder streichelt, bewundere, was die Finger der linken zwischen die Bünde zaubern und staune nicht schlecht, was ein Daumen dort anstellen kann. Das hätte ich früher wissen sollen! Vielleicht könnte ich dann heute auch so eine knackige Nummer wie „Turn On The Tap“ oder so einen Gospel wie „Gonna Have A Hard Time“ auf meinem Holz zu Hause spielen. Wohl aber lange nicht so locker und flockig, wie das diesem Bayern aus Franken von der Hand geht, der eigenwillig, aber einfühlsam seine Songs zu gestalten und die Geschichten auszufüllen weiß. Da ist er den ganzen Abend über sich selbst treu. Zwar nennt er seine Wurzeln beim Namen, lässt sie aber bestenfalls als Inspiration in die von ihm gemachten Lieder einfließen. Das habe ich zur Mitternachtsstunde schätzen gelernt, meine anfängliche Skepsis ist einem achtungsvollen Staunen und einer stillen Begeisterung gewichen. Wie viele schöne und beeindruckende Facetten doch der Blues haben kann!
Der mitternächtliche Glockenschlag von Dom ist lange schon vorüber, als ich mich wieder auf den Heimweg mache. Da sitzt BERND RINSER noch immer inmitten einer Gruppe angereister Fans und spielt für sie den wärmenden Blues in die Kühle des Morgens. Wie lange noch, wissen nur, die auch im Papermoon blieben. Auch das habe ich schon Ewigkeiten nicht mehr erlebt!
Kleine redaktionelle Änderung auf Bitten des Beitragerstellers am 17.10.2015 gegen 12.50 Uhr durch Admin. Kundi
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