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Dresden - offen und bunt - Ein Konzertbericht gegen meine Angst
Dresden - offen und bunt - Ein Konzertbericht gegen meine Angst
in Konzertberichte 2019 und älter 27.01.2015 10:01von PMausM • | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte
Das Wort „Gutmenschen“ ist inzwischen zu einem Schimpfwort geworden. Ich wurde bei FB auch damit belegt. Danke, war noch nie so stolz, zu der nun doch nicht aussterbenden Spezies zu gehören. Aber es geht nicht um mich.
Gestern Abend hatten sich in Dresden 25 000 Menschen versammelt, um zu zeigen: Dresden ist und bleibt bunt.
Was treibt Künstler, da Flagge zu zeigen. Diese Frage habe ich mir gestellt, als von dem Verein Dresden place to be hörte, dass ein großes Konzert in DD stattfinden wird. http://www.dresden-place-to-be.de/
Diese Leute sind nicht gerade eben auf den fahrenden Zug aufgesprungen, sie treten schon viele Jahre für ein weltoffenes Dresden ein.
Sie waren der Veranstalter dieses denkwürdigen Konzerts.
Wenn ich auf FB höre, und das mit „meinen“ Steuergeldern, dann sollte man sich schon mal informieren. Alle Künstler traten ohne Gage auf, der veranstaltende Verein bat um Spenden für die Logistik und viele private Leute machten es mit ihrem Geld möglich, diese tolle Sache in Dresden zu veranstalten. Von Staatsregierung weit und breit nichts zu sehen.
Die Gegenseite tönt: Alles bezahlte Konzertteilnehmer. Nee Leute, für so was würde ich mich nicht hergeben, wer mich wirklich kennt, der weiß das. Übrigens, laut Pegidaanhänger soll es da 25 Euro geben, bitte um Nachricht wo das abzuholen ist, ich möchte die 25 Euro gern für die Deutsche Krebshilfe spenden.
Auf den Punkt gebraucht hat es für mich Toni Krahl. Toni von City sagte unmittelbar vor dem Auftritt: "Wir haben uns hier mit vielen Musiker versammelt, weil wir der Meinung sind, dass Dresden eine tolerante Stimme benötig. Jetzt laufen mir zu viele Menschen mit gepanzerten Herzen rum." Zur Frage, wie er die Pegida-Demonstrationen empfindet, sagte Krahl: "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass diese bis zu 30.000 Menschen auf der Straße alles Rassisten sind. Ich glaube vielmehr, dass sie enttäuscht sind, weil sie so durchregiert werden und dass das Enttäuschung verursacht bei den Leuten." So sehe ich es auch.
Aber nun zu den Künstlern, wir sind schließlich ein Musikforum.
Entschuldigung, ich kriege es nicht hin, alle aufzuzählen. Es waren über dreieinhalb Stunden und so viele Künstler, von denen ich bisher noch nicht mal den Namen kannte, die aber Stars in diesem Lande sind. Hier benötige ich Nachhilfe und diese tat mir gut, zur Erweiterung meines bestimmt beschränkten Ostrockhorizonts. Nicht beschränkt ist mein Horizont in Bezug auf die Welt, es ist auch eines meiner Hobbys zu reisen und ich bin froh, in der Welt nicht wie ein Ausländer in Dresden behandelt zu werden. Wir in Mobendorf haben seit 22 Jahren ein Asylantenheim, wir sind 340 Einwohner und 240 Asylanten und wir leben friedlich zusammen. Ich gehe fast täglich joggen und muss durch das Heim, wir grüßen uns freundlich. Ich habe keine Angst.
Gestern in Dresden hatte ich Angst. Es wurde ganz offen in der Ostrockszene dazu aufgerufen, diese Veranstaltung zu stören. Meine Kinder standen hinter mir, aber nicht neben mir, weil sie es nicht durch die Massen geschafft haben. Danke.
Die Moderatorin des Abends verdient absoluten Respekt, weiß nicht, wie sie heißt, aber sie hat es souverän gemeistert.
Das Heinrich Schütz Konservatorium war mit bestimmt Hundert Studenten auf der Bühne. Keimzeit machte „Kling Klang“ und sorgte für gute Laune. Der Künstler, der das Lied für „Honig im Kopf“ sang, war dabei. Hier brauch ich Hilfe, habe ich nicht gerafft.
Viele Künstler kannte ich überhaupt noch nicht, wir sind hier unter uns. Da kann ich das zugeben. Möchte aber allen danken, ob hier genannt oder nicht.
Ganz großartig die Truppe, die den "Türkischen Marsch" auf international macht. War für mich mit das Highlight des Abends. Muss noch erklären, irgend was mitschreiben ging nicht, es hat ab Mitte der Veranstaltung geschüttet wie aus Eimern.
Haupttenor war: Wir sind nicht gegen was, sondern für was. Aber auch die, die Flagge in Reinkultur gezeigt haben, sollte man erwähnen, für mich war das Yellow Umbrella. Sie wollen eigentlich keine Protstband sein.
Hier Yellow Umbrella mit No Pegida - sehr witzig wie ich finde.
--- wird fortgesetzt -
RE: Dresden - offen und bunt - Ein Konzertbericht gegen meine Angst
in Konzertberichte 2019 und älter 27.01.2015 11:32von PMausM • | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte
Als eine alte Freundin in erster Reihe auftauchte, wurde meine Angst nicht weniger, aber ich sag mal: Sag mir , wo du stehst....
Und dann hatten mir auf einmal ganz viele Freunde von FB geschrieben, ich fass es nicht - war dort in erster Reihe so was von alleine, ich danke euch, klar hatte ich Angst .... die die da waren - die Fans von Wunderbundt - die zwei Rollifahrer. Hut ab!
RE: Dresden - offen und bunt - Ein Konzertbericht gegen meine Angst
in Konzertberichte 2019 und älter 27.01.2015 11:56von PMausM • | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte
Silly war auf einmal einen Tag von Beginn aus der Liste der Künstler verschwunden, ich dachte, sie sind der übelsten FB Hetze erlegen. Als ich um 15.30 Uhr auf dem Platz vor der Frauenkirche erschien, dachte ich... den Schlagzeuger kennste doch - war Ronny ... ich musste erst mal heulen. Danke Silly.
Und sie haben den Titel gespielt, den ich mir heimlich gewünscht habe: Vaterland.
Nur Silly hat einen entscheidenden Nachteil, wenn sie spielen, regnet es . Der letzte Clip, den ich von Silly gedreht habe, heißt : Alles rot, alles nass.
Diesmal war es noch extremer.
RE: Dresden - offen und bunt - Ein Konzertbericht gegen meine Angst
in Konzertberichte 2019 und älter 27.01.2015 12:51von Anke68 • | 302 Beiträge | 699 Punkte
Toll, du und alle die da waren haben meinen größten Respekt, ihr habt euch nicht einschüchtern lassen und habt Flagge gezeigt, auch wenn ich auf FB viele Kommentare lesen musste, von wegen, die waren ja alle nur wegen dem kostenlosen Konzert dort!
Schade, dass Dresden für mich soweit weg ist, aber ich habe mir die Veranstaltung im Livestream angeschaut, naja, die erste Stunde fehlte zwar, aber es waren dann sehr berührende Momente und Statements dabei.
RE: Dresden - offen und bunt - Ein Konzertbericht gegen meine Angst
in Konzertberichte 2019 und älter 27.01.2015 15:04von PMausM • | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte
Für mich auch ganz toll, Toni Krahl und Sebastian Krumbiegel. Gemeinsam spielten sie "Casablanca" und Toni alleine "In Zeiten wie diese".
Jupiter Jones hatte einen einzigen Titel und spielte ein Cover einer Punkband: "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland". Wen sie coverten, weiß ich nicht, aber passender konnte es nicht sein.
Bis auf City waren alle Teilnehmer mit kompletten Bands angereist. Es standen immer fünf bis zehn Mann auf der Bühne. Bei solchen kostenlosen Sachen geht man ja davon aus, sie spielen Playback. Das war definitiv nicht so. Die Stars hatten ihre Bands mit. In affenartiger Geschwindigkeit wurde umgebaut.
In der Umbaupause gab es Statements und kleine Filmeinspieler. Das war nicht langweilig. Seine Meinung zu den Sachen konnte man sich selbst bilden, es kamen viele zu Wort.
Es blieb absolut ruhig und friedlich. Trotz Aufruf der Gegenseite gab es keinen Terror. Zum Steinewerfen waren die 25 000 ganz sicher auch nicht erschienen und Gewalt lehne ich auch ab. Es gab Seifenblasen statt geworfener Flaschen. Man kann seinen Protest auch anders zum Ausdruck bringen. Einfach Präsenz zeigen reicht schon. Die Pegida sollte ja erscheinen und rufen: Wir sind das Volk. Das haben sie auch ein einziges Mal getan. Sie versuchten den Leiter vom Max Planck Institut zu stören, der ein Ausländer ist.(kein Moslem und 17 Jahre in Deutschland, besser konnten sie sich nicht outen.) Die Moderatorin bemerkte dazu, das Volk sind wir wohl alle hier. Die Besucher lachten sich schlapp. Es gibt in Dresden mehrere Organisationen, die zu Widerstand auf rufen. Sehr sympathisch sind mir die mit den Warnwesten. Die Denkmäler in Dresden bekamen auch so ein Teil angezogen. Ich sehe mich auch als Hexe, die den Besen schwingt. *g*
Sehr erstaunt hat mich Wolfgang Niedecken. Hier musste ich an meinem Weltbild schrauben. Ich mochte den nicht und bin auch nie zu Sachen gegangen, die er mit Maschine gemacht hat. Hier in Dresden kam er absolut sympathisch rüber, sein Bob Marley Song mit Gentleman war spitze. Gentleman war überhaupt der, der in Dresden am meisten Stimmung gemacht hat. Wenn Niedecken mal was Solo macht, ob mit oder ohne Maschine, das muss ich sehen.
Auch Janette Biedermann mit Ewig fand ich sehr cool. Von dieser Künstlerin wusste ich bis dato so gut wie nix. Dass sie schon mal 2004 gegen die Nazis aufgetreten ist, war mir nicht bekannt. Beim MDR trat sie vorgestern auf, Axel Lorenz hatte das auf FB gepostet und ich guckte mal rein. Wieder was, wo mein Weltbild ( oder Feindbild) ins Wanken geriet, die Frau ist Spitze.
Egal ob es für Dresdens Ansehen in der Welt hilft oder nicht, für mich war es wichtig, so viele Künstler zu sehen und ich werde in Zukunft genau hin schauen, Schubladendenken ist doof - das habe ich gestern ganz einfach für mich beschlossen. Man muss auch mal über den Ostrock Tellerrand gucken, sonst ersäuft man in der erkalteten Suppe.
Einen Künstler muss ich noch erwähnen. Das ist Adel Tawil. Der hatte das Pech, dass die Technik seine sensiblen Songs übersteuerte. Sehr schade, trotz dem leuchtete ein Meer von Feuerzeugen, als er sang: "Zu hause". Das war auf jeden Fall eines der emotionalen Höhepunkte des Konzerts.
Bei Herbert Grönemeyer machte ich mich dann auf den Weg zum Auto. Ich bin ein ängstlicher Großstadtfahrer. Konzerte verlasse ich eigentlich nicht vor der Zeit, aber ich hatte auch Angst, von den Hassfratzen belästigt zu werden auf dem weiten Weg zum Auto. Es hat mir gereicht, was mir auf FB passiert ist. Sehr peinlich, auf der Augustusbrücke war ich die einzige Passantin, alle anderen harrten in dem Regen aus. So kann ich hier nur kopieren, was Herbert Grönemeyer gesagt hat: Jedes „Gestammel von Überfremdung“ ist verbale Brandstiftung, so der Sänger. Und weiter: „Alle für jeden - das ist Deutschland!“ Und: „Es ist absurd, gemein und zutiefst undemokratisch“, was Woche für Woche Pegida zeigt, sagt Grönemeyer. „Das geht gar nicht.“
Nicht überall hat dieser Verein Zulauf, bei meinem Mann auf Arbeit wurde diskutiert, wie die Islamgegner wohl heißen werden, wenn sie in Freiberg auflaufen. Was bleibt in der Puhdysstadt Freiberg wohl außer "Frigida" .
RE: Dresden - offen und bunt - Ein Konzertbericht gegen meine Angst
in Konzertberichte 2019 und älter 27.01.2015 20:01von Peggy • | 336 Beiträge | 707 Punkte
Herzlichen DANK für die sehr eindrucksvolle Schilderung Deiner Gedanken und Beobachtungen!
DANKE, dass Du Dich nicht entmutigen lassen hast!
DANKE für's Flagge und Gesicht zeigen!!!
"Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse ..."
https://www.facebook.com/peggy.jacob.391?ref=tn_tnmn
RE: Dresden - offen und bunt - Ein Konzertbericht gegen meine Angst
in Konzertberichte 2019 und älter 27.01.2015 22:14von Mary • | 327 Beiträge | 726 Punkte
Liebe Petra,
danke, dass Du umgehend einen Bericht verfassr hast, in dem Du nicht nur über das Konzert, sondern auch offen über Deine Gefühle und Empfindungen am Montagabend schreibst.
So schnell bin ich nicht, leider.
Natürlich hatte auch ich ein mulmiges Gefühl im Bauch, als ich auf dem Neumarkt ankam...
Wenn ich ehrlich bin, ich wollte gar nicht erscheinen.
Doch als es fast 19 Uhr schlug, sagte ich mir, es ist so nah für mich..., geh noch hin...
... und dann traf ich Dich, unter 25000 Menschen, die Nadel im "Heuhaufen"
Ich freue mich immer, wenn ich Freunde aus der "alten Truppe" treffe, gestern aber ganz besonders.
"Ihr lacht weil ich anders bin. Ich lache, weil Ihr alle gleich seid."
Kurt Cobain
RE: Dresden - offen und bunt - Ein Konzertbericht gegen meine Angst
in Konzertberichte 2019 und älter 27.01.2015 22:57von hcg-aue • | 20 Beiträge | 42 Punkte
Danke liebe P-Maus-M für diese bewegenden Zeilen.
Ich saß zum Zeitpunkt des Geschehens im Zug nach Mainz. Wäre gerne mit dabei gewesen um mit dir gemeinsam zu bibbern, aber die Arbeit rief.
Ich finde es wahnsinnig beeindruckend, dass sich weder Künstler noch Publikum vom Wetter die Laune vermiesen ließen.
Und dir gebührt meine Hochachtung! Nachdem was ich auf Facebook lesen musste, hast du dich nicht entmutigen lassen und bist dort hin gegangen. Dass dir unwohl war, kann ich nachvollziehen.
Und dann schreibst du hier diesen ehrlichen Bericht. Auch da gehört Mut dazu! Meinen Respekt.
Aber nur so bleibt nicht nur Dresden, sondern auch ganz Deutschland OFFEN UND BUNT!
RE: Dresden - offen und bunt - Ein Konzertbericht gegen meine Angst
in Konzertberichte 2019 und älter 28.01.2015 16:26von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Nicht jedes Detail eines Konzertberichtes muss auch meine eigenen Empfindungen oder Gedanken spiegeln. Ganz und gar nicht, solange es um Geschmack geht. Wenn jemand aber seine Angstgefühle überwinden muss, weil er ein Konzert besuchen möchte und weil er fürchtet, dort auf bestimmte Leute zu treffen oder sich gar mit ihnen anlegen zu müssen, läuft nicht nur im Netz einiges verkehrt. Dann stimmt das Große nicht mehr, wie das Kleine auch nicht und in den Köpfen einiger ganz Kluger macht sich Leere breit. Da bin ich dann doch wieder an der Seite von Petra, wenn auch im Augenblick, dank einer Erkältung, nur verbal.
Wenn ich mir vorstelle, einer von denen würde mit meiner Freundin Judy aus Tasmanien, die jetzt in Halle lebt, oder meinem Freund David aus Schottland, wenn er mich besuchen käme, so umgehen, ich müsste mich in Grund und Boden schämen, ein Deutscher zu sein. Nicht nur deshalb ist es gut, ein buntes Land zu haben, sondern auch für meinen Vater, dessen erste Familie in jener kalten Februarnacht im Bombenhagel von Dresden verbrannte. Es gibt Dinge, die dürfen nicht (wieder) geschehen, nur weil schon vorher keiner was gewusst haben will oder sich hinter hohlen Phrasen verschanzt.
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
RE: Dresden - offen und bunt - Ein Konzertbericht gegen meine Angst
in Konzertberichte 2019 und älter 28.01.2015 17:43von Mary • | 327 Beiträge | 726 Punkte
Für Worte brauch ich länger...
Aber ein paar Fotos kann ich schon mal liefern...
Die ersten sind "Leinwandfotos", bis ich mich, ich geb es zu "rotzfrech" nach vorn gemogelt habe...
P.S., das "System" sortiert nach belieben..., also, die etwas schlechteren Fotos sind Leinwandfotos ;-)
"Ihr lacht weil ich anders bin. Ich lache, weil Ihr alle gleich seid."
Kurt Cobain
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