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McKINLEY BLACK im Kulturbahnhof Radeburg
McKINLEY BLACK im Kulturbahnhof Radeburg
in Konzertberichte 2019 und älter 09.03.2014 19:16von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
McKinley Black live im Radeburger Kulturbahnhof (08.03.2014)
Der Radeburger Kulturbahnhof strahlt heute Abend in gedämpfter Clubatmosphäre. Auf den Tischen kleine Blumesträuße und daneben Kerzen, dem Anlass entsprechend, den viele hierzulande in guter Erinnerung haben: Frauentag. Keine drei Meter vor mir, auf dem Podium, ragt ein Mikrofonständer nach oben und dahinter füllt eine kurzhaarige kleine Sängerin, mit einer scheinbar zu groß geratenen Gitarre, den ganzen Bühnenraum mit ihrer Erscheinung und einer unglaublichen Ausstrahlung aus. Nur wenige Augenblicke hat es gedauert, dann ist man von dieser Stimme in den Bann gezogen und das wird sich über die nächsten zwei Stunden, kurze Pause inbegriffen, auch nicht mehr ändern. Da singt eine in der typisch amerikanischen Tradition der Singer/Songwriter ihre eigenen Lieder, sehr kraftvoll und dennoch manchmal leise berührend. Sie erzählt uns singend von ihrem Leben, von ganz persönlichen Momenten, wie vom Tod eines lieben Freundes oder von ihrer Großmutter, und schließt uns alle dabei dezent mit ein. Sie entlockt dem wohlgeformten Gitarrenkorpus mal volle und dann wieder samtweich klingende Akkorde und lässt ihre weiche Stimme darüber gleiten, um dann plötzlich messerscharf mit ihr in fast ungeahnte Höhen zu steigen. Dieses kleine freundliche Energiebündel steckt voller Vitalität, die auf uns Deutsche schon fast beängstigend wirken kann. Es dauert eine Weile, bis auch ich begreife, was da direkt vor mir gerade geschieht.
McKINLEY BLACK lebt schon lange hier in Deutschland, genauer in Berlin, Prenzlauer Berg. Mir ist, als könnte man das auch in ihrer Musik spüren. Die hat sicher das Temperament aus Portugal, wo ihre Wurzeln zu suchen sind, dennoch ist sie auch tief in Amerika eingebettet, woher sie vor Jahren kam. Aber die vielen Facetten, die wir zu hören bekommen, könnten auch alle in den vielen Ecken und Winkeln Berlins eingefangen sein. Gleich mit ihrem ersten Song „Seashells And Roses“ (Muscheln und Rosen) entführt sie uns bis in ihre Heimat Massachusetts, wo irgendwo an der Ostküste Amerikas wild wachsende Sträucher der Hagebutte einen schmalen Weg zum Strand hinunter säumen. Mit dieser Melodie und der anschließenden Plauderei über deutsche Esskultur und darüber, was „be-soffen“ sein außerdem bedeuten kann, hat sie die leichte Unterkühlung deutscher Euphorie schnell überwunden. Beim danach folgenden „All I Need“ (Alles, was ich brauche), ihr erstes Lied, das sie hier in Europa geschrieben hat, kann ich mich dann schon tief in die Harmonien und den kraftvollen Gesang fallen lassen.
Was sie dann und vor allem, wie sie von einer guten Freundin erzählt, muss man selbst live erleben, um der Faszination einerseits und der Spannung des Vortages andererseits, vollständig zu erliegen. „Cheyenne“ ist die Geschichte einer Freundin, die wegen Trunkenheit am Steuer für zwei Jahre hinter Gitter und danach ihr Leben komplett neu erfinden muss. Ein gewaltiger Unterschied im Vergleich zur Flensburg-Kartei hierzulande, sollte man wissen. Was die Freundin bei einer Tasse Kaffee „word by word“ erzählte, hat McKINLEY BLACK in einen mitreißenden Song verwandelt, dessen Stimmung und Gefühl tief unter der Haut landen. Überhaupt plaudert sich die charmante Sängerin von einem Lied zum nächsten durch ihr eigenes Leben von Amerika in die Schweiz, von Basel über Amsterdam nach Berlin. Ein anderes, das von ihrer kleinen Odyssee durch Europa erzählt ist „Waterline“. Ich folge meinem Herzen, heißt es darin sinngemäß, und bleibe hier, wo das Meer meine „Wasserlinie“ ist. Über den Stimmumfang von McKINLEY kann man ins Schwärmen geraten. Sie schafft es, leise und warme Töne urplötzlich in glitzernde Tonperlen zu verwandeln, die für Momente im Raum zu schweben scheinen, ehe sie wieder von Stille abgelöst werden. Dieses Wechselspiel der Gefühle ist vielleicht eines ihrer „Geheimnisse“ und das Einbeziehen des Publikums, das in Ermangelung eines Banjos im Song „Beautiful“ drei Mal dessen Solo-Part übernehmen darf, sicher auch. Die wohltuende Live-Faszination der Sängerin nimmt auch den letzten im Saal mit und bald singt sogar hinten jemand ganz allein das „Didle Didle Dib“ des Banjos. Da ist die Stimmung schon eine Weile gelöst und locker.
Eine der Besonderheiten so eines Abends im Kulturbahnhof von Radeburg ist, neben der einmaligen Umgebung, die schöne Zeremonie des Inhabers Frank Miertzsch, den Gast auf der Bühne live zu einigen Antworten auf von ihm ausgewählte Fragen zu verleiten. Er spricht Dinge und Umstände an, etwa das Entstehen des Singer-Songwriter-Wettbewerbs „Troubadour – Modern Ministrels“ anstelle der geplanten Ausreise aus Deutschland, die man nicht unbedingt in den Medien finden würde. Bei seinen Fragen muss der jeweilige Gast auch einmal aus Randbereichen seines Schaffens berichten oder Zusammenhänge erklären, die man selbst gar nicht erfragt hätte. So manches kleine, scheinbar unwichtige Detail sieht man danach in einem neuen Licht oder man versteht, warum ein Lied genau so klingt, wie wir es abends auf der Bühne erleben.
In ihren Songs schwingen die unterschiedlichsten Elemente amerikanischer Musiktradition mit. Man kann Folk, Country und Bluegrass entdecken und man spürt den Blues in den leisen sowie den Soul in den heißen Passagen. So entsteht ihre ganz eigene Art, sehr dynamisch wirkende Lieder zu formen und sie mit Worten auszufüllen, in denen sie selbst ganz und gar drinnen aufgehen muss, offenbart sie uns. „Value Fire“ ist so ein Juwel, in dem sie von einem Ort in Amerika singt, wo „Wasser wärmer als Luft“ ist und ein anderes heißt „This Train“, mit dem sie die ganze Power ihrer faszinierenden Stimme voll entfalten kann. Sie widmet es einem guten Freund, „this is to you Mark Gram“, der starb, als sie fern der Heimat Amerika war und nicht bei ihm sein konnte: „This train is bound for glory“ könnte man frei mit „Diese Episode ist mit Ruhm gebunden“ in unsere Umgangssprache übertragen.
Ein Lied aber, hat mich wirklich tief ganz innen berührt. Die Geschichte ihrer Oma, deren Leben nur vom Krieg und Entbehrung gekennzeichnet war, erzählt sie so voller Hingabe und Temperament und dabei so euphorisch, dass man die Verbundenheit der Großfamilie, die sich dahinter verbergen muss, förmlich in ihren Worten sehen und in der Leidenschaft der Melodie von „Bahilinho Da Maria“ fühlen kann. Da sitze ich an einem der Tische und kann nur staunen, was sich die Kleine da vorn aus Herz und Seele reißt. Das sind die Stoffe und die Stimme, aus der bleibende Songs gemacht sind.
Überhaupt bin ich von so manchen Bildern, die sie mit Worten in ihre Lieder malt, schlichtweg nur begeistert und die wiederum können sich eigentlich erst durch die Geschichten, die sich hinter dem jeweiligen Lied verbergen, entfalten. Eine davon ist die, dass die eigentliche Wahrheit, die Menschen aussprechen, meist erst nach dem Wörtchen „but“ (aber) zu finden ist. Auch daraus hat sie einen Song gemacht, dessen Zeile „but you where just a mile from the highway, before you turn around and came back to me“ bei mir kleben geblieben ist: Doch du warst nur eine Meile auf der Autobahn, ehe du umgekehrt und zu mir zurück gekommen bist, und sie fügt noch an: „It’s never too late.“ – Es ist nie zu spät.
Am Ende des Abends hält McKINLEY BLACK, so wie hierzulande am Frauentag üblich, einen bunten Blumenstrauß in ihren Händen und darf nach der Zugabe noch ein weiteres Mal auf die Bühne. Und dann erleben wir, was wirklich nur noch wenige beherrschen. Spontan bearbeitet sie den Boden, auf dem sie gerade steht, mit „footstomping“ und singt a capella mit kraftvoller Stimme dazu vom „Real Fine Man“ in der alten Tradition der Gruppengesänge auf den Feldern im Süden der USA oder so, wie es urwüchsig nur die Ureinwohner Amerikas bei ihren überlieferten Tänze feiern, denke ich mir als Außenstehender. Besser hätte dieser Abend im Kulturbahnhof von Radeburg nicht ausklingen können.
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
RE: McKINLEY BLACK im Kulturbahnhof Radeburg
in Konzertberichte 2019 und älter 10.03.2014 11:16von Kundi • | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte
Was ich aus Hartmut's schönen Bericht herauslese ist, dass es ihm immer noch Spaß macht "neue" Musikrichtungen und / oder Künstler zu entdecken."Ich bin wieder mal sehr froh, dass unser "bunter" Haufen so offen ist für neue Musikerlebnisse und dass man in diesem Forum diesbezüglich auch immer fündig wird.
Danke für Deine Eindrücke.
Gruß Kundi
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