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SPENDEN-GALA für den "Regenstein" / Harz
SPENDEN-GALA für den "Regenstein" / Harz
in Konzertberichte 2019 und älter 31.12.2019 10:59von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Spendengala für das Wohngebiet „Regenstein“ in Blankenburg / Harz (28.12.2019)
Es ist der 13. Dezember, ein Freitag in der Vorweihnachtszeit. In die Ruhe des Morgens hinein kracht ein wuchtiger Schlag. Eine Druckwelle drückt ringsum Fensterglas ein und zerstört das Umfeld eines Mehrfamilienhauses im Wohngebiet „Regenstein“ Blankenburg. Die Rettungskräfte bergen einen Toten und mehrere Verletzte. Der Wohnblock ist seitdem unbewohnbar und viele Familien sind von jetzt auf gleich ohne ein Zuhause, ohne jede Möglichkeit, das Weihnachtsfest und den nächsten Jahreswechsel in Normalität zu verbringen. Die Betroffenen sind nicht nur geschockt, sie stehen quasi vor dem Nichts und das angesichts der Feiertage, dem Fest der Liebe und Hoffnung.
Mögen die Zeiten aktuell und medial auch oft mit emotionaler Kälte und Szenen aus Hass vollgestopft erscheinen, in Situationen wie dieser rücken Menschen wieder einander näher, helfen und sie stützen einander! Anteilnahme und Solidarität sind in diesen schweren Stunden groß und das Mühen, Leiden und Angst zu lindern, ebenso. Im Kultur- und Kunstverein altes E-Werk entwickelt man eine Idee: Ein Benefizkonzert soll es geben, dessen Reinerlös den betroffenen Familien im Wohngebiet „Regenstein“ Blankenburg zugute kommen soll. Der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein – vielleicht - aber ein großartiges Zeichen und ein kleiner Schritt von vielen, die noch folgen werden. Empathie ist alle Mal besser, als das, was uns viele Medien heutzutage zumuten. Eine Gesellschaft und ihr Miteinander wachsen von unten. Dies ist ein Beispiel und ich hoffe, medial würdig genug, darüber zu berichten!
Der kleine Saal im alten E-Werk füllt sich schnell. In weiser Voraussicht hat man vor dem Gebäude ein beheiztes Zelt, mit Leinwand und Bänken darin, aufgestellt. Überall wird noch an Feinheiten gebastelt, damit der Abend ein Erfolg werden kann. Dafür verzichten alle beteiligten Künstler auf eine Gage und alle Einnahmen aus Ticket- und Getränkeverkäufen wandern in den Spendentopf. Mitten im Gedränge entdecke ich ein Team vom MDR, das diese besondere Atmosphäre einzufangen versucht, die überall spürbar ist. Mag sein, dass der Vergleich hinkt, aber irgendwie komme ich mir grad wie bei „Soli-Beat“ vor. Wenn auch diese Zeiten völlig andere sind, das zwischenmenschliche Miteinander scheint mir das gleiche zu sein.
Der Klang der Violine des Rockgeigers aus Berlin richtet das Augenmerk aller auf die Bühne. Umrahmt von den Musikern der Dixielandband We’ve GAT It, wobei „GAT“ hier für „Gymnasium am Thie“ steht, eröffnet Moderatorin ANNEKATRIN WAGNER die Spendengala. Die Blankenburgerin agiert souverän und locker, dennoch dem Anlass angemessen mit emotionalen Worten, ehe sie den Dixielandmusikern die Bühne überlässt. Die überzeugen vom ersten Ton an mit ihrem Spiel und den Interpretationen von „Bourbon Street“, „Washboard“ oder auch „Bei mir bist du schejn“ im Dixieformat. Von jetzt auf gleich ist die Stimmung gelöst, ein Lächeln huscht über viele Gesichter und wird bis zum Ende meist bleiben. Nur wenn die Erinnerungen wieder auftauen, entdeckt man auch den Ernst wieder. So als Ersthelfer von Feuerwehr und THW auf die Bühne geholt werden und ihre Eindrücke schildern. Plötzlich spüren wir die Beklemmung und Ängste, die einige mit sich herumtragen (müssen) und vom Bürgermeister der Stadt in wärmende sowie dankende Worte gefasst werden.
Dann gehört dem jungen Geiger REX BRANDENBURGER die Bühne, der mit eigenen Interpretationen internationaler Pop-Nummern, von Adele („Rolling In The Deep“) bis Yiruma („River Flows In You“) die Zuhörer begeistert. Der junge Mann erinnert mich daran, dass ich selbst einmal dieses Instrument zu spielen lernte, nur fehlte mir damals das große Feld der Pop-Musik, in dem ich mich hätte austoben können. In diesem Momenten beneide ich „Rex den Geiger“ ein wenig um die heutigen (technischen) Möglichkeiten, mit denen er auf der Bühne musiziert. In den Minuten nach dieser Darbietung bittet Frau Wagner drei Ersthelfer zu sich. Die schildern uns in bewegenden Worten ihre Eindrücke, die sich ihnen unmittelbar nach dem Unglück vor Ort boten. Es ist leise im Saal und die Beklemmung scheint man immer dann mit Händen fassen zu können, wenn den Erzählenden die Worte ausbleiben oder sie ins Stocken geraten. Dann spürt man wieder die einfühlsam führende Hand der Moderatorin, die uns letztlich den nächsten musikalischen Leckerbissen ankündigt.
Zwei akustische Gitarren und eine intensive Stimme, das sind die GOOSEBUMPS aus Halberstadt. Das Duo überrascht mich, und wie ich erfuhr, auch andere, mit einprägsamen Liedern aus eigener Feder, die Streiflichtern gleich, vom Leben neben uns erzählen. In ihnen geht es um einige „Stolpersteine“ auf dem Weg, sie erzählen von „Pfützen“ auf Straßen oder erinnern an „Meine Zeit mit dir“, für die jeder sein eigenes Erinnerungsbild malen kann. Mich faszinieren solche Geschichten zu eingängigen Melodien und sparsam eingesetzter Gitarrenbegleitung von FRANK „Krolli“ KROLL. Wenn dann noch so eine glasklare Stimme, wie die von DIANA HILDEBRANDT erklingt, entsteht ein Klanggewand, dessen Wurzeln wohl bei den großen Geschichtenerzählern aus dem Rock-Lexikon zu suchen sind. Für mich sind die beiden Musiker DIE Entdeckung des Abends, eine, mit der ich nicht gerechnet hatte. Klasse!
Einen besonderen Moment ganz anderen Inhalts bringt der Bürgermeister von Timmenrode, dem Ort an der Teufelsmauer. Von seinen Empfindungen erzählt er uns und denen vieler Einwohner. Als einen greifbaren Beleg übergibt er auf offener Bühne einen Umschlag mit acht Hunderten darin. Stille – und dann geht ein Jubelschrei durch die Menge. Einen solchen Gefühlsausbruch habe ich schon lange nicht mehr live erlebt. Musikalisches aus Timmenrode präsentiert danach das junge Duo ELLI & LORENZ, ehe diese Bühne WITO, dem Gast aus Hildesheim, gehört. Der war mit seiner Band schon einmal hier zu erleben, hat aber diesmal nur seinen Gitarristen an der Seite. Als Duo bringen sie eigene Lieder wie „Das Leben tanzt dich“ oder die „Babscha“ zu Gehör. Mich erinnert diese Art zu singen an jemanden, der zwischen Udo L. und Heinz-Rudolf als akustische Variante agiert. Dass sich in sein letztes Lied ein Rockgeiger mit seinem Geigenspiel einschleicht, ist abgesprochen und leitet zum finalen Höhepunkt über. Doch zuvor wird noch ein Gruß verlesen, den Pfarrer Winde von der Notfallseelsorge schrieb, verbunden mit einer weiteren Spende von drei Hunderten an die Gala-Veranstaltung. Die Anwesenden bedanken sich mit tosendem Applaus.
Erst Anfang Dezember war HANS die GEIGE hier solo und live zu erleben. Sein virtuoses Spiel auf den vier Saiten soll nun die Gala veredeln. Also erklingen noch einmal sein „Ave Maria“ von Franz Schubert und die einfühlsame Version des „Kanon in D“ von Pachelbel. Beide zum Träumen schön, doch stets auch mit einem kleinen Augenzwinkern versehen, wenn er mit Flageolett-Tönen zaubert und so den Rock-Geiger heraushängen lässt. Seine Art, „Klassik in Rock“ zu kleiden, gefällt mir ebenso, wie der Humor vom Geigenhans. Zwischen den einzelnen Stücken blitzt der immer wieder mal auf und gipfelt letztlich in einem Glas Guinness, das ihm auf die Bühne gebracht wird. Tosendes Gelächter, was dem Abend gut tut, denn der soll optimistisch enden. Dazu gehört auch die Bekanntgabe des vorläufigen Spendenergebnisses von rund 3.800,00 Euro, eine Summe, die der Rockgeiger live und spontan auf vier glatte Tausender aufrundet. In den Jubel hinein kommen alle Musikanten noch einmal vor auf die Bühne zum gemeinsamen Abschluss bei irischen Klängen. Danach stehen sie alle glücklich da vorn, sie jubeln und lassen sich für diese gelungene Spendengala feiern.
Es ist mehr als der „kleine Tropfen auf den heißen Stein“ geworden, mehr als nur ein Zeichen in kalter Jahres- und Lebenszeit. Die Stunden im alten E-Werk wurden ein großes Fest des Miteinander und der Lebensfreude sowie ein Beleg für Mitgefühl und Handeln in schweren Stunden. Dieser Abend hat viele Herzen erwärmt. Neben Trost und Geld, wurden sowohl Mut, als auch Kraft gespendet. Respekt allen Beteiligten und den Helfern vor und hinter den Kulissen sowie den Sponsoren, ohne die es unmöglich gewesen wäre, so eine tolle Nummer aus dem Boden zu stampfen. Riesendank auch an „Frau Geige“, so die Moderatorin, die damit ihren Respekt für DANIELA WINTOCH formulierte, ohne deren Einsatz wahrscheinlich licht- und tontechnisch nichts gegangen wäre. DANKE auch allen, die einfach nur dabei waren, um Musik zu erleben und Geld für alle Betroffenen zu spenden. Wir alle hatten einen schönen und sehr emotionalen Abend.
Wenn ich manchmal im Netz lese, was die Nutzer von Facebook & Co. an sinnfreien und niveaulosen Kommentaren „schreiben“, wie sie Hass aus sich heraus lassen, dann wird mir schlecht, fühle ich Wut und Angst vor so viel dumpfen Denken. Aber das Gegenstück, in Form von Achtung und Miteinander, Zuversicht und Mitgefühl zu erleben, hat auch mir persönlich Hoffnung gemacht. Hoffnung, dass diese kranke Gesellschaft kein Sanierungsfall bleiben möge, sondern doch noch (von unten) gesund werden könnte. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt!
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
RE: SPENDEN-GALA für den "Regenstein" / Harz
in Konzertberichte 2019 und älter 31.12.2019 12:28von Kundi • | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte
Warum rücken viele Menschen nur noch bei solchen Unglücken zusammen?
Zusammenhalt hatte doch die Leute diesseits der Elbe mal ausgezeichnet.
Dass ROCKGEIGERs aus Gladowshöhe riesengroße Herzen haben, wissen wir alle seit Jahren. Auch deswegen haben wir Dani und Hans in unsere Herzen geschlossen.
Respekt und Dankbarkeit gilt aber auch allen anderen an der Gala beteiligten Künstlern und vor allem den auch den Rettungskräften, die am 13. Dezember im Wohngebiet „Regenstein“ dort in Blankenburg / Harz
zum Einsatz kamen.
Ich finde, unser Hartmut hat mit seinem Bericht die besten und hoffentlich auch nachhaltigsten Worte gefunden. Vielen Dank dafür.
Gruß Kundi
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