CEEDrik und seine reichlich 100 koreanischen Benzinblüter hatten am 21. Dezember 2019 wieder Muggenpilgerfahrdienst für mich und mit mir zu leisten. Auf der Landstraße ging es durch die weihnachtlich geschmückten Orte bis in unsere Landeshauptstadt Dresden. Endstation der Anreise war unser geliebter Liveclub „Tante Ju“, der beste Laden der Stadt.
Direkt als Weihnachtsmuffel würde ich mich nicht bezeichnen, als Vorweihnachtsmuffel aber schon. Aber da uns am Sonntag der vierte Advent ins Haus stand, war ich schon etwas milder gestimmt. Weihnachtsgeschenke hatte ich zwar noch nicht gekauft, aber dafür blieb ja auch noch Zeit. Traditionell fallen mir die besten Geschenkideen immer noch auf dem letzten Drücker ein.
Der Duft nach Bratäpfeln, gebackenen Weihnachtskeksen und Glühwein in den Häusern sowie die in den Fenstern leuchtenden Schwibbögen, die Weihnachtssterne und Lichterketten allerorten hatten mich wohl endlich weichgekocht. Ich fuhr gemütlich durch die abendliche Landschaft und bewunderte hier und da die Lichtermeere, welche manche Zeitgenossinnen und Zeitgenossen an ihren Häusern und auf ihren Grundstücken installiert hatten. Die aktuellen Strompreise und die Friday for future-Kinder scheinen für viele Leute in der Weihnachtszeit keine Rolle zu spielen.
In Dresdens bester Liveclub schwebten keine Weihnachtsdüfte durch die Räume, sondern der Rock ’n Roll-Geruch von Blut, Schweiß und Tränen garniert mit den unverwechselbaren Düften tausender Liter Bier, welche hier getrunken und/oder zum Teil auch verschüttet wurden.
Blut, Schweiß und Tränen sind meiner Meinung nach auch Sinnbilder für Leidenschaft, Spielfreude, Ausdauer und Können. Das alles konnten die Konzertbewohner auch bei der Mugge von APFELTRAUM an diesem Abend erwarten. Dazu gehört bei der Rockmusik aus dem Hause CÄSAR aber auch noch eine gehörige Kelle Rotzigkeit im Sinne von ungezügelter, rauer Spielweise und eine ordentliche Portion natürliche Lebendigkeit.
CÄSARs Söhne Robert und Moritz Gläser sowie ihre Kollegen Big Joe Stolle, Mauro Pandolfino und Christian Gerlach wollten uns ein paar Stunden mit ausgewählten Kostbarkeiten aus dem musikalischen Nachlass von PETER „CÄSAR“ GLÄSER erfreuen. Das tut APFELTRAUM mittlerweile seit April 2015 bei Konzerten kreuz und quer durch die Republik.
CÄSAR wirkte mehr als 40 Jahre als Musiker und einige Lieder aus allen Phasen seines künstlerischen Schaffens bei RENFT, KARUSSELL und seinen eigenen Bands durften wir auch an diesem 21. Dezember wieder hören.
Es ist schön, dass das Lebenswerk des Musikers PETER GLÄSER bei APFELTRAUM so zusammengefasst gepflegt wird und seine Lieder so immer weitergetragen werden.
Cäsar war zwar ein Ausnahmemusiker, aber in erster Linie war er ein Mensch. Er hatte Stärken und Schwächen wie wir alle auch. Es gab zudem sicher Brüche in seiner Biografie, aber er kehrte sie nicht unter den berühmten Teppich. CÄSAR stand zu sich und seinem Leben, war in dieser Hinsicht in Bezug auf die Brüche seines Lebens aber auch lernfähig. Auch das machte ihn absolut glaubwürdig, weil viele seiner Fans ebenfalls die Erfahrungen ihres DDR-Lebens mit sich trugen.
Was PETER GLÄSER so einzigartig machte, waren vor allem seine Musik, seine Bescheidenheit und seine offene Art. CÄSAR hat nicht nur hörbare Spuren hinterlassen, seine virtuellen Fußabdrücke sind auch in unseren Herzen zu finden. Wenn seine Lieder gespielt werden, und wenn sie noch dazu von seinen Söhnen Moritz und Robert gespielt werden, dann sind das die besten Denkmäler für den großartigen PETER "CÄSAR" GLÄSER. Für mich ist jeder CÄSAR-Song zugleich ein Monument.
Als endlich die originalen Töne, Noten und Klänge von „Zeitlos“ die Boxen verließen, näherten wir uns endlich der heißen Phase des Abends. Man mag es kaum glauben, aber schon bei diesem Intro kochten meine Emotionen allmählich hoch. Man hört bei diesem Stück ja CÄSARs markante, warme Gesangsstimme und die Melodie ist ja auch irgendwie feierlich. Außerdem erinnert mich „Zeitlos“ immer an CÄSARs Beisetzung am 07. November 2008 auf dem Leipziger Südfriedhof, denn da lief dieses Lied während der Trauerfeier auch.
Das Musikantengeschwader APFELTRAUM betrat die Bühne mit den wehenden (Klang-)Fahnen zweier RENFT-Songs („Was mir fehlt“, „Aber ich kann‘s nicht verstehen“). Das sind zwei von einigen Liedern im aktuellen Programm, die nicht ganz PETER GLÄSER zugeordnet werden, da er diese weder komponiert oder getextet noch solistisch gesungen hatte. Aber als Mitglied der RENFT-COMBO hatte er diese zumindest mitgespielt und mitgesungen. Dazu zählten in der „Tante Ju“ am 21. Dezember unter anderem auch „Ich und der Rock2, „Gänseliesschen“ und die „Rockballade vom kleinen Otto“.
Die Protagonisten legten von Anfang an eine kesse, fette Sohle aus Spielfreude und –lust aufs Bühnenparkett. APFELTRAUM präsentierte sich mit ungehobelten, mitreißenden und saftigen Rockklängen. So haben wir es doch auch gerne. Deswegen ging das Publikum auch gleich begeistert mit und die nächste CÄSAR-Musikmesse nahm ihren Lauf.
Die traumhafte Ballade „Lieb ein Mädchen“ aus CÄSARs Zeit bei KARUSSELL war die nächste Nummer. Moritz wechselte zur Akustikgitarre und sang als wäre ihm das 4 Jahrzehnte alte Stück direkt auf den Leib geschrieben worden. Wer es bis dahin nicht glaubte, war spätestens in diesen Minuten endlich auch davon überzeugt, dass PETER „CÄSAR“ GLÄSER mit den entsprechenden Genen seine Musikalität und seine markante Stimme an den Nachwuchs weitergegeben hatte.
Eine besondere Würdigung aus dem Munde von Robert erhielt in der Ansage vom „Mitternachtsblues“ auch der ebenfalls zu früh verstorbene GERULF PANNACH. Diesen Blues von GERULF hatte CÄSAR live auch gerne gespielt und ihn im Duett mit Pannach auch auf sein zweites Album genommen.
Die Brüder Robert und Moritz sowie Big Joe Stolle teilten sich den ganzen Abend über in bewährter Weise den Gesang und die Ansagen. Robert konnte vom Bass befreit bei „Gelber Mond (KARUSSELL)
Im „Bauch des Riesen“ führte uns weg von KARUSSELL und RENFT in die Zeiten von CÄSARs ROCKBAND. Für mich ist das Lied immer noch und immer wieder ein Knüller. Ich liebe dieses Stück einfach. Der Text ist sogar nach mehr als 3 Jahrzehnten immer noch brandaktuell. Das ist schon irgendwie erschreckend. Musikalisch begeistert mich dieses druckvolle Klanggebilde aber immer wieder. Big Joes so wunderschön treibend gespielte Bluesharp sowie Roberts marschierender Bass sorgten für wohliges Grummeln in der Magengrube.
Big Joe Stolle zeigte sehr viel Leidenschaft und Stimme bei „Whisky“, „Mein Bruder Blues“ und „Kinder, ich bin nicht der Sandmann“. Aber auch seine Qualitäten an der Bluesharp sind bei APFELTRAUM immer sehr gefragt. Damit veredelt er auch so manche Nummer und ersetzt damit beispielsweise auch das fehlende Keyboard.
Die Band APFELTRAUM rockte und rollte den ganzen Abend über wie die Hölle. Um sich selbst und der Meute vor der Bühne etwas Erholung, frische Luft und neue Getränke zu gönnen, gab es ungefähr nach der Hälfte des Gigs eine kleine Verschnaufpause.
Mauro und Moritz lieferten sich an diesem Abend in Dresdens besten Liveclub wieder herrliche Duelle mit der Kraft der insgesamt 12 Gitarrensaiten. Die beiden Gitarristen sind sich wahrlich ebenbürtig.
Die Fans haben die Lieder von CÄSARs eigenen Bandprojekten nie vergessen. Das merkte man auch bei „Steig ein“ von CÄSARS ROCKBAND. Die Begeisterung war überschwänglich.
Moritz erzählte in seiner Ansage, dass er damals gerade dem Reggae frönte und es seinem Vater auch erzählte. Kurz danach schrieb CÄSAR „Steig ein“. Das erklärt vielleicht auch den Reggae-Einschlag der Nummer.
In CÄSARs musikalischen Nachlass warten sicher noch einige Schätze aus den Zeiten von CÄSARS eigenen Bands auf die Hebung aus der Versenkung. Insbesondere die Nachwendezeiten haben die Männer der APFELTRAUM-Brigade bisher fast völlig ausgeblendet. Da verschenken Robert, Moritz, Big Joe, Mauro und Christian ungenutzt eine Menge Potential.
Wie schon in den grauen Vorzeiten der 70er Jahre PETER "CÄSAR" GLÄSER und THOMAS
"MONSTER" Schoppe bei RENFT lieferten sich auch Moritz Gläser und Big Joe Stolle bei zwischen "Liebe und Zorn" einen wunderbaren gesanglichen Schlagabtausch. Dieser Wechsel der Gesangsstimmen und ihrer Art der Vortragsweise ist immer wieder faszinierend.
Moritz zeigte uns außerdem beim Gitarrensolo wieder was eine verstromte 6-Saiten-Harke ist. Der Kerl hat es einfach drauf. Nebenbei angemerkt wird er in einigen Bewegungen und Gesichtsausdrücken sowie der Art die Gitarre zu halten und zu spielen seinem Vater immer ähnlicher.
Wenn Robert den Bass ablegte bzw. für jeweils ein Lied an Moritz bzw. Mauro übergab, lief die alte Rampensau am Sologesangsmikrofon („Gelber Mond“, „Cäsars Blues“) aber auch mit Körpersprache, Gestik und Mimik zu Höchstform auf. Gläsers, Robert ist ja so ein Typ, der die Leute begeistern und mitreißen kann. Dabei gibt er eigentlich nie Ruhe. Insgesamt kam er mir bei dieser Mugge etwas ruhiger vor. Da fehlten im Vergleich zu anderen Konzerten meiner Meinung nach 3 bis 5 Prozent seiner sonstigen Show- und Mitreißenergie. Hatte nur ich diesen Eindruck oder kann das jemand so bestätigen?
"Der Apfeltraum" als letztes Lied des regulären Sets, war wieder viel zu früh zu vernehmen. Die Band verließ kurz die Bühne. Aber der minutenlange Chorgesang der Fans wurde belohnt und APFELTRAUM kehrte für eine kleine Zusatzschicht auf die Bühne zurück.
Da hatten wir aber noch mal Glück gehabt, dass wir so laut und ausdauernd gefeiert haben. Sonst wäre uns ja das 3 Lieder umfassende Sahnedessert entgangen.
Big Joe Stolle lieferte uns eine traumhaft schöne und spannende „Als ich wie ein Vogel war" -Version. Übrigens war der Originaltitel im Jahr 1974 Bestandteil der Filmmusik des DEFA-Films "Für die Liebe noch zu mager?"
Zwei von Robert Gläser gesungene Lieder zum Erinnern, Nachdenken und Innehalten, nämlich „Wer die Rose ehrt“ und „Besinnung“ bremsten dann die Mugge ganz sanft zu ihrem Ende hin ab. Dieser besinnliche Ausklang wärmte nochmal die Seele. Die Band verabschiedete sich mit Grüßen und Wünschen zum bevorstehenden Weihnachtsfest und für den Jahreswechsel.
Mich selbst hielt es anschließend auch nicht mehr in der „Tante Ju“. Im sicheren Schoß meines Blechkumpels CEEDrik rollte ich nach Hause.
Gruß Kundi
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