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CRAZY BIRDS & FREUNDE 15. November 2019 Kulturbahnhof Ortrand
CRAZY BIRDS & FREUNDE 15. November 2019 Kulturbahnhof Ortrand
in Konzertberichte 2019 und älter 04.12.2019 20:31von Kundi • | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte
Am Freitagabend legte ich den Alltag erstmal bis zum Montag ab, atmete befreit auf und startete dann mit CEEDrik in ein neues Muggenpilgerabenteuer. Um mir die Zeit bis zum Ziel nicht langweilig werden zu lassen, begann ich diesmal für mich zu dichten. Das endete in etwa mit solchen an die Klassiker angelehnten Schöpfungen: „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Kundi mit seinem (Blech-)Freund. Er hält das Lenkrad fest in der Hand. Der Kumpel rollt locker und fest in der Spur. Im Auto ist‘s warm.“ Hohe Kunst war das natürlich nicht, aber ich hatte Spaß daran und die Fahrt verging wie im Flug. Der wilde Motorenritt mit CEEDrik führte uns in den Bereich der Landesgrenze Brandenburg – Sachsen, ganz konkret in die 2000-Seelen-Kleinstadt Ortrand (Landkreis Oberspreewald – Lausitz).Mein Ziel war der dort ansässige Kulturbahnhof.
Ich war regelrecht überrascht als Madame Navigationsassistentin meldete „Sie haben ihr Ziel erreicht. Das Ziel befindet sich links.“ Wir waren am Kulturbahnhof Ortrand angekommen. Nach dem EL PANIKO-Konzert im Jahr 2017 war das erst mein zweiter Besuch in dieser schönen Veranstaltungsstätte.
Die kleine und feine Kulturoase befindet sich unmittelbar an der Bahnstrecke Cottbus – Großenhain in einem ehemaligen Güterschuppen. In fast 1,5jähriger Bauzeit wurde das Gebäude von Herbst 2013 - bis Frühjahr 2015 aufwändig rekonstruiert und umgebaut. Der ortsansässige Bauingenieur Frank Weser hatte sich zuerst im Jahr 2010 des geschlossenen Bahnhofes und später des alten Güterschuppens angenommen, alles nach und nach saniert und einer neuen Verwendung zugeführt. Dank ihm hat Ortrand seit 4 oder 5 Jahren diese neue Kulturstätte für die Einheimischen und für anreisende Gäste. Das ist zwar formal ein kleiner, aber in meinen Augen ein ganz wichtiger Beitrag, um das Leben auf dem Lande lebenswerter zu machen und um außerdem neue Gäste von außerhalb anzuziehen.
Wie man an mir sieht, gelingt es den Machern des Kulturbahnhofes auch Leute von außerhalb nach Ortrand in diesen Kleinstadtclub zu locken.
In dem Laden traten schon legendäre Künstler und Bands wie EL PANIKO & DAS KATASTROPHENORCHESTER, MONOKEL KRAFTBLUS, JÜRGEN KERTH, STERN COMBO MEISSEN oder KARUSSELL im Kulturbahnhof auf. Der Blues-Musiker Jes Holtsø aus Dänemark war ebenfalls mit seinem Partner Morten Wittrock schon in den heiligen (Kultur-)Hallen der Kleinstadt. Auch wenn er jetzt ein richtiger Blueser ist, dürften viele von uns Jes Holtsø an erster Stelle als Klein-Børge aus den Olsenbanden-Filmen kennen und lieben.
Der Kulturbahnhof hat aber auch alles zu bieten, was das Herz eines Muggenpilgers, Konzertnomaden oder Konzertgängers so begehrt und das zu humanen Preisen. Die technische Ausstattung ist ganz ordentlich und der Betreiber verzichtet auch auf sinnlosen Schnickschnack. Der Ausschank der Getränke und die Bestellung einer kleinen Mahlzeit erfolgt an einer gut funktionierenden Bar. Lange Wartezeiten sind nach meinen Beobachtungen nicht entstanden. Der Veranstaltungsraum wartet zusätzlich mit einem Rang bzw. einer höher gelegenen Galerie auf.
Die kleine und feine Bühne bleibt natürlich den Künstlern für ihre Auftritte vorbehalten. Von einer kleinen hauseigenen Beleuchtungsanlage werden die Künstler auch ins richtige Licht gesetzt.
Was mit Phantasie und Kreativität alles machbar ist, zeigt uns der Backstage- und Umkleidebereich für die Musiker. Dieser befindet sich direkt auf dem Abstellgleis in einem alten Waggon der Deutschen Reichsbahn. Früher nutzen Gleisarbeiter den Wagen für Übernachtungen. Weser und seine Helfer hatten den alten Waggon hergerichtet und auch mit einem neuen grünen Anstrich versehen. Weil die jetzt als Eingang genutzte Stirnseite des Hängers ein wenig an das Gefährt von Clown Ferdinand erinnert, wurde der komplette wagen gleich nach dem berühmten und beliebten Fernsehclown unserer Kindheit benannt. Der Ferdinand wurde seinerzeit vom leider inzwischen auch schon verstorbenen tschechischen Schauspieler Jiří Vršťala gespielt.
Seit dem vergangenen Jahr kümmert sich ein eingetragener Verein unter dem Vorsitz von Frank Weser um den Kulturbahnhof. Die ca. 20 Mitglieder überzeugen durch gute Arbeit. Ich bin ganz angetan von dem Haus und den Machern des Kulturbahnhofs. In Ortsrands neuester Kulturbastion herrscht eine lockere, freundliche sowie von gegenseitiger Achtung und gegenseitigen Respekt geprägte Atmosphäre. Die Leute vom Verein sind, soweit ich das beurteilen kann, mit ganzem Herzen dabei.
Wie Frank Weser und seine fleißigen Heinzelmänner bzw. Heinzelfrauen ticken, wird beispielsweise auch an einem Spruch deutlich, welcher gut sichtbar an einem Schrank im Bereich des Tresens angebracht ist und dieser lautet: Du fragst, was wir wollen? Ganz einfach: Besucher als Gäste begrüßen und als Freunde verabschieden.“
Doch ich bin ja an diesem dunklen und kalten Novemberabend nicht allein nach Ortrand gekutscht, um den Kulturbahnhof zu lobpreisen, sondern ich bin wieder mal den Schwarm „verrückter (Musizier-)Vögel und ihren Freunden“ nachgezogen. Als selbsternannter Rock’n Roll-Vogelexperte wollte ich natürlich hören und sehen, was und wie die musikalischen Piepmätze CRAZY BIRDS & FREUNDE an diesem 15. November 2019 im Kulturbahnhof Ortrand zwitscherten.
Als angenehm empfand ich auch, dass der Vereinsvorsitzende von der Bühne die Gäste begrüßte, die Band vorstellte und später die am weitesten angereisten Fans würdigte und mit einer Flasche Sekt beschenkte. Das reiselustige Paar kam übrigens aus Guben (kürzeste Strecke immerhin 120 Kilometer). Ganz wichtig war Frank Weser auch sich auf diesem öffentlichen Wege bei seinem Team zu bedanken.
Die CRAZY BIRDS schickten erstmal Keyboarder Andreas „Bruno“ Leuschner vor. Mit seinen flinken Fingern haute er gekonnt in die Tasten. Nach und nach erschienen dann die Bandkollegen im gleißenden Bühnenlicht.
Gisbert Koreng übernahm gleich die erste Gesangsrunde, welche mit dem electra-Song „Vier Milliarden in einem Boot“ begann. Es ist aus meiner Sicht schlimm, dass dieses Friedenslied aus den Zeiten des Kalten Krieges (1984) heute immer noch aktuell ist. Ich glaube, wir sind schon längst wieder im Kalten Krieg und die Weltlage wird auch nicht einfacher. IM Raumschiff Erde sitzen allerdings mittlerweile fast 8 Milliarden Menschenkinder.
Mit „Einmal ich, einmal du, einmal er“ wechselten Sänger in Band danach erstmal in den Bereich verkorkste bzw. beendete Beziehungen. Das Publikum nahm das alles wohlwollend auf, aber richtig hatten CRAZY BIRDS & FREUNDE die Meute erst mit dem a capella gesungenen Madrigal von Orlando di Lasso, und dem darauffolgenden Song „Das Bild“ aus der Rocksuite „Die Sixtinische Madonna“. Den Wohlklängen des phantastischen Satzgesanges beim Madrigal sowie den nachdenkenswerten Textaussagen von „Das Bild“ konnte und wollte sich wohl auch niemand entziehen.
Im Laufe der Jahre ist electras Rocksuite schon fast selber so ein berühmtes Kunstwerk geworden wie das in der Dresdner Gemäldegalerie ausgestellte Bild des italienischen Malers Raffael. Das Musikstück von electra ist aber nicht nur ein Denkmal für das Gemälde und die Stadt Dresden, sondern auch ein Friedenslied der feinfühligen Art, welches ohne Parolen auskommt.
Nun ging es aber musikalisch richtig ab, nämlich lauter, schneller und mitreißender. CRAZY BIRDS & FREUNDE wehselten erstmal zu Liedern der Magdeburger Band REFORM. Auch diese Lieder hatte electra einst ins Programm genommen. Bekanntlich kehrte Sänger Stefan Trepte ja auch von REFORM zu electra zurück.
Mit „He, Schwester küss mich“ und dem Herbststimmung auslösenden Lied „Wenn die Blätter fallen“ hatten Angela „Angie“ Ullrich und ihre Bandkollegen auch zwei besonders schöne Bretter aus dem Stapel der REFORM-Lieder herausgezogen. Die musikalische Umsetzung kann man durchaus gelungen und überdurchschnittlich nennen. So leicht sind die Lieder nämlich gar nicht zu spielen bzw. zu singen. Altmeister Koreng hat aber gesanglich den sprichwörtlichen Finger voll drauf auf der Seele der Lieder. Die aus herausragenden Instrumentalisten bestehende Band baute aus Noten und Tönen genau die richtige Umrahmung.
Später erlebten wir auch noch den Bassisten Tom Vogel als Sänger zweier REFORM-Songs. Seine Interpretationen von „Das hab ich nicht so gern“ („Ich bin so friedlich wie ein Stacheltier“) und „Sie kommt nicht mehr“ gefielen mir ebenfalls ausgesprochen gut. Wann und wo hört man den heute noch in einem Konzert noch mehrere (in diesem Fall hier sogar vier!) REFORM-Songs live? Dieses geniale Liedgut darf ebenso wenig in der Versenkung verschwinden wie das von electra. Schon aus diesem Grund ist das CRAZY BIRDS & FREUNDE ein Segen für die deutsche Musiklandschaft.
Nach 5 Liedern hatten die Stimmbänder vom Kollegen Koreng endlich mal eine Pause. Angela übernahm und sie sang SILLYs „Die wilde Mathilde“. Leider war Angie dabei wieder an ihr Schlagzeug gefesselt. Die Frau hält ja sonst niemand auf, wenn jemand anderes trommeln kann während sie singt. Mit „Leben und Zeit“ (geschrieben und gesungen von Gisbert), „Halbes Herz“ und „Song für Amelie“ (beide aus der Feder von Tom Vogel und von ihm auch gesungen), sowie dem Instrumentalsong „Little pink Dream“ von Ausnahmegitarrero Ecki Lipske hatten CRAZY BIRDS & FREUNDE vier Eigenkompositionen ins Programm genommen.
Kurz vor der Pause kündigte das bekannte Klaviervorspiel noch ein internationales Sahnestück an. Das Lied stammt aus dem Jahr 1971 und war auf dem vierten JETHRO TULL-Album „Aqualung“ zu finden. Die Scheibe zählt nicht ohne Grund zu den Meilensteinen der Rockgeschichte. Als Andreas Leuschner das Vorspiel beendete und die Band blitzartig mit „Locomotive Breath“ einsetzte, schienen nicht nur die CRAZY BIRDS zu explodieren, denn dieser treibende Rhythmus und diese mitreißende Melodie übertrug sich selbstverständlich auch auf das Publikum. Die band rockte und der Saal tobte. Genauso wollen wir Muggenpilger und Fans das auch haben. Seit vielen Jahren ist dieses Lied auch die persönliche Paradenummer von Gisbert Koreng. Da geht mir immer das Herz auf, wenn ich sehe und höre wie er „Locomotive Breath“ zelebriert
Mit „nie zuvor ging es dann in die Pause. Frische Luft und etwas Abkühlung tat wohl allen beteiligten gut. Das war auch eine gute Gelegenheit Getränkenachschub zu holen.
Nach der Pause erlebten wir auch „Bruno“ Leuschner endlich als Gesangssolisten. Er sang unter anderem „Nach Süden“ von LIFT und gemeinsam mit Angie die Ballade „Wind trägt alle Worte fort“ vom unvergessenen Franz Bartzsch, auch aus alten LIFT-Zeiten.
Tom Vogel, ist nicht nur ein guter Basser und Sänger, sondern auch ein Kerl mit Entertainer-Qualitäten. Mit frechen Sprüchen und dem einen oder anderen augenzwinkernden Kommentar hatte er die Lacher wieder oft auf seiner Seite. Dabei nahm er sich selbst und auch seine Kollegen schon mal selber auf den sprichwörtlichen Arm. So etwas geht natürlich nur, wenn die Musiker sich selbst nicht zu wichtig nehmen und auch deine entsprechende Portion Humor besitzen. Aber das ist bei den „Verrückten Vögeln“ ja gegeben.
Die Leute im Kulturbahnhof durften sich auch noch über einige von Gisbert Koreng gesungene electra-Hits wie „Frau im Spiegelglas und „Alter, Alter Dankeschön“ freuen. Bei letztgenannten Song stellte Mister Vogel auch noch mal die Bandkollegen einzeln vor. So bekam auch jede Musikerin/jeder Musiker den ihr/ihm zustehenden Applaus.
Auf ein Lied habe ich noch gewartet und im letzten Konzertviertel war der Augenblick endlich gekommen. Andreas Leuschner orgelte und sang „Die Tagesreise“ und die Band begleitete ihn dabei vortrefflich. Für mich ist das eines der schönsten und bedeutendsten Lieder unserer ostdeutschen Rockgeschichte. Michael Heubach schrieb die Nummer schon zu Zeiten der Bürkholz-Formation und nahm sie später mit zu LIFT. Von der Horst KRÜGER BAND gibt es ebenfalls eine Version des Liedes.
Aber hier waren CRAZY BIRDS & FREUNDE jetzt am musikalischen Ball. Die Töne schwebten durch den Raum, umfingen mich und ich wurde in einem emotionsgeladenen und wärmenden Melodienetz aufgefangen und behütet. Da schlugen Herz und Puls gemeinsam Purzelbäume vor Freude und die Blicke der Äugelein wurde etwas trüber, aber das machte mir nichts aus. Bei diesem Song bekomme ich nämlich immer feuchte Augen, kannste glauben (würde Pittiplatsch der Liebe wohl noch anfügen).
Den Endspurt des Abends inklusive Ehrenrunde gestalteten Angie, Ecki, Tom, Gisbert und Bruno dann noch mit dem electra-Liedgut „Tritt ein in den Dom“ und „Nie zuvor“.
Nach der Show und einer kleinen Pause mischten sich die Musiker für Gespräche, Autogramme usw. noch eine ganze Weile unters Volk. Aber extrem viel Zeit blieb nicht dafür, denn die Technik musste auch noch abgebaut und verladen werden.
Ich ließ alles noch ein paar Minuten auf mich wirken und trat dann ziemlich schnell die Heimreise an.
Gruß Kundi
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