Da saß ich nun nach meiner sonnabendlichen traditionellen Mittagsnudelmahl-Bereitung und anschließender Vertilgung der Eierteigwaren mit vollgeschlagenem Bauch und surfte in einem Anfall von ausgelöster nudeldicker Umnachtung bzw. Denkfaulheit durchs Internet. Es bestand eigentlich kein Grund dazu, denn ich hatte schon einen Zettel mit verschiedenen Konzertterminen vor mir. Das Angebot war wirklich nicht schlecht.
Aber wenn mich der Nudelsattwahnsinn packt, passieren manchmal seltsame Dinge. So stieß ich bei meinen Netzrecherchen plötzlich auf das Wasserturmfest in Schwarzheide. Das war mir bei meinen Planungsüberlegungen die ganze Woche noch nicht unter die Finger gekommen. In der Kleinstadt sollten am Abend die SILVER BEATLES für die Unterhaltung der anwesenden Bevölkerung sorgen. Nun bin ich nicht gerade als BEATLES-Fanatiker oder gar Experte der Fab Four verschrien, aber ich mag die BEATLES durchaus. Mein durchs Nudelkoma leicht umnachtetes Gehirn hatte da schon längst die Entscheidung dem Bauchgefühl überlassen.
Das Unterbewusstsein war schon involviert und auf Betrieb geschaltet. In mir flüsterte es BEATLES. Obwohl ich mich in Gedanken noch leicht wehrte, war das Ergebnis schon abzusehen. Ein Abend mit den unsterblichen Songs der BEATLES, warum eigentlich nicht? Bisher hatte ich noch keine reine BEATLES-Coverband erlebt und hier war nun endlich die Gelegenheit. Die Entscheidung war schon gefallen und das Unterbewusstsein feierte schon seine Siegesparty. Damit ich auch etwas davon hatte, legte es für mich den Song „Ich war der 5.Beatle“ von der Gruppe KREIS aus dem Jahr 1978 auf den Ohrwurmkurzzeiterinnerungsspeicher. Das Liedchen fraß sich erstmal dort fest.
Also fuhr ich über Landstraßen in das knapp 60 Kilometer entfernte Schwarzheide. Diese 5700-Einwohner-Stadt erhielt erst im Jahr 1967 das Stadtrecht. Werden und Wachsen des Ortes war bzw. ist seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit der Chemieindustrie verbunden. Ab 1935 wurde hier bis in die 1970er Jahre aus Braunkohle Benzin hergestellt. Seit 1973 werden hier Kunststoffe produziert. Nach der Zeitenwende hat die Firma BASF den ganzen Laden übernommen. Noch heute ist die Firma der größte Arbeitgeber der Region. 1800 Menschen arbeiten direkt bei BASF, zählt man Zulieferer und Drittfirmen dazu, sind es sogar 3500 Arbeitsplätze.
Mit der Chemie ist auch das Wachstum von Schwarzheide verknüpft. Der Wasserturm, welcher diesem Stadtfest in der Kleinstadt auch den Namen gab, wurde in den 1930er/1940er Jahren errichtet, weil durch die neuen Wohnsiedlungen das Wasser knapp wurde. Bis 1958 war der Turm als Wasserspeicher im Betrieb. Der Wasserturm wurde 1994 komplett restauriert und zählt heute als Wahrzeichen der Stadt. Da dieser Bau auch noch ziemlich zentral gelegen ist und außerdem davor auch noch eine große Freifläche ist, wird dort auch das jährliche Wasserturmfest gefeiert. Am vergangenen Wochenende geschah das zum 26. Male.
Während der Fahrt beherrschten zum großen Teil die BEATLES meine Gedanken. Die Hits dieser Band kann noch heute fast jedes Kind mitsingen und wahrscheinlich ebenso jeder Hahn mitkrähen. Die Band hat von 1960 bis 1970 die Beat- und Rockmusik geprägt. Dabei sind Musiker musikalisch nie stehengeblieben, sondern haben sich beständig weiterentwickelt von der Beatcombo mit leichtgängigen Liedern bis hin zur Rockband mit psychedelischen Einflüssen und komplexen Songstrukturen. Möglichweile hätte die Entwicklung der Popkultur ohne die BATLES einen gänzlich anderen Verlauf genommen.
The BEATLES sind die wohl erfolgreichste Band aller Zeiten. Schätzungen gehen von mindestens 600 Millionen bis zu 1 Milliarde verkauften Tonträgern aus. Mit Preisen aus aller Herren Länder wie Goldenen Schallplatten und Platin-Verleihungen können die Herren ganze Wände tapezieren. Paul McCartney, Ringo Starr und die leider nicht mehr unter den Lebenden weilenden Bandmitglieder John Lennon (ermordet am 8. Dezember 1980) und George Harrison (gestorben am 29. November 2001 an Krebs) inspirierten ganze Generationen von Musikerinnen und Musikern. Ihre Alben und auch ihre Filme (4 Musik-/Spielfilme und 1 Zeichentrickfilm) sind auch heute noch wichtiges Kulturgut der Rockgeschichte. Viele Musiker geben zudem die BEATLES und/oder deren Einzelmusiker als Vorbild an. Allein das Lied „Yesterday“ wurde bis heute mehr als 2200 Mal gecovert. Das muss man sich mal vorstellen. Aber lassen wir die Musikgeschichte jetzt ruhen und widmen wir uns den Geschehnissen vom 7. September 2019 auf dem Platz vor dem Wasserturm in Schwarzheide.
Ganz ehrlich, als ich das Festgelände erkundete, wusste ich nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. Wenn man Fahrgeschäfte, Losbude, Schießbude und Getränke-/Naschbuden zusammenzählte, brauchte mal gerade mal die Finger beider Hände. Da ist ja auf mancher Dorfkirmes mehr los, dachte ich. Immerhin war die Bühne ganz ordentlich, zwar klein aber mit guter Technik und ordentlichem Licht. Besucht war das Fest aber sehr gut.
Trotzdem gab es Augenblicke, in denen ich mein Bauchgefühl verfluchte, welches mich letztendlich hierhergeführt hatte. Der Zeitplan stimmte schon als ich gegen 19:50 Uhr ankam hinten und vorne nicht mehr. Er geriet im weiteren Verlauf sogar noch weiter in Schieflage. Dafür sorgten technische Probleme. Das führte sogar dazu, dass die SILVER BEATLES statt 21:00 Uhr erst gegen 23:00 Uhr und damit nach dem Feuerwerk mit ihrer Show beginnen konnten. Ich war mehr als genervt, blieb aber letztendlich trotzdem in Schwarzheide. Erstaunt war ich, wie geduldig die örtliche Bevölkerung das Zeitchaos über sich ergehen ließ.
Dann gegen 23:00 Uhr war es endlich soweit und für rund 2 Stunden (inklusive einer Pause) entführten uns 4 Musiker in die glorreichen BEATLES-Zeiten und es wurde ein richtiges Fest.
Mit den ersten beiden Nummern „A hard days Night“ und „Can’t buy me Love“ hatte das Quartett das Publikum schon im Sack. Da stimmte ja alles bei der Band. Angefangen von der Kleidung, über Perücken, über authentische Instrumente bis hin zum Sound war die Illusion nahezu perfekt. Die Musiker traten auch sehr publikumsfreundlich und –nah auf. Das machte sie zusätzlich sympathisch. Die ganze Chose wirkte auch ziemlich authentisch. So könnte es bei den BEATLES auch gewesen sein, konnte man denken.
Ich habe noch nie so viele Leute, die deutlich älter als ich waren, so begeistert und so aktiv bei einer Mugge mitgehen sehen. Die SILVER BEATLES brauchten auch gar nicht lange, um Publikum direkt vor die Bühne zu ziehen. Eine entsprechende Einladung reichte aus, dass die Leute sich näher an die Bühne trauten.
Dann war bei vielen Besuchern für 2 Stunden das Alter einfach mal vergessen bzw. irrelevant. Die vielen leuchtenden Augen, die lächelnden Gesichter, das eifrige Mitsingen, Mittanzen und Mitklatschen zeigten, dass da sich viele plötzlich Jahrzehnte jünger fühlten und einen Heidenspaß dabeihatten. Auch wenn der Normalsterbliche aus unserer Region die großartigen BEATLES nie live erleben konnte, hatte und hat die Band auch hier ein riesiges Fan-Heer.
Übrigens fuhren auch viele junge Menschen auf den Auftritt der SILVER BEATLES ab. In Schwarzheide vereinten die 4 Protagonisten des Abends so die Generationen vor der Bühne.
Die SILVER BEATLES rockten Schwarzheide, dass es eine Wonne war. Auch ich grinste zeitweise vor Begeisterung wie ein Honigkuchenpferd. Dieser Ausflug zu den SILVER BEATLES hatte sich voll gelohnt. Von der ersten bis zur letzten Sekunde des Konzertes hatte ich ein gutes Gefühl.
Bei „I want to hold your hand“ schoben die Männer auch ein Stück der deutschsprachigen Version „Komm gib mir deine Hand“ ein. Die Experten unter euch wissen sicherlich, dass von 2 BEATLES-Liedern im Jahr 1964 auch deutschsprachige Versionen produziert wurden. Das andere Lied war „She loves you“ (Sie liebt sich“.) Aber selbst im deutschsprachigen Raum waren die Originalsongs erfolgreicher.
Die musikalische Reise durch das BEATLES-Universum ließ kaum Wünsche offen, die Band war exzellent und die Songauswahl war Klasse. In den zwei Stunden wurden alle wichtigen musikalischen Entwicklungsphasen der Liverpooler Pilzköpfe abgedeckt. Der Gesang wurde ähnlich wie bei den originalen auf mehrere Schultern verteilt. Dabei konnte jeder der Sänger seine Qualitäten entfalten. Die Satzgesänge saßen auch ziemlich perfekt. Es war ein Genuss den SILVER BEATLES zuzuhören.
Mit „All my loving“ und „She loves you“ heizte das Quartett die Stimmung gekonnt und spielfreudig weiter an. Es breitete sich eine magische BEATLES-Energie über Schwarzheide aus. Die Herren von den SILVER BEATLES ließen aber auch nichts anbrennen. Sie kommunizierten ausgiebig mit dem Publikum und sie präsentierten die Songs mit kurzen, knackigen Ansagen, bei denen auch das gewisse Augenzwinkern nicht zu kurz kam.
Die BEATLES coverten in meinem Geburtsjahr 1964 die CHUCK BERRY-Nummer „Roll over Bethoven“ auf ihrem zweiten Album. Dieser harte Rock n Roll fiel meiner bescheidenen Meinung nach seinerzeit schon etwas aus dem Rahmen und zeigte schon früh die Wandlungsfähigkeit der BEATLES. Die 4 Männer der SILVER BEATLES räumten auch mit diesem Stück beim Wasserturmfest ordentlich ab.
Die SILVER BEATLES können aber auch auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Die Band tourte zum Beispiel Anfang des Jahrtausends 5 Jahre lang mit dem BEATLES-Musical „She loves you“ durch Europa. Sie spielten zum Beispiel auf BEATLES-Conventions in Großbritannien, Belgien und Frankreich. Allein auf der Convention in Liverpool sind sie schon 9 Mal aufgetreten. Im Mutterland der BEATLES gaben sie weiterhin Konzerte in Städten wie Birmingham, Oxford, London. Den legendären Cavern Club haben sie auch bespielt. Auch in Deutschland sind sie seit Jahren ein Garant für stimmungsvolle und authentische Muggen mit BEATLES-Songs.
„From me to you“ war anno 1963 die erste Nummer 1-Single der BEATLES in ihrer Heimat. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass in diesem Jahr der Höhenflug der BEATLES begann und dieser hielt auch deutlich länger an als „Eight days a Week“. Bei Songs fanden sich in der Setliste dieser Mugge wieder.
Gefreut habe ich mich auch über „You've Got To Hide Your Love Away“. Mit diesem Lied verbinde ich die Erinnerung an mein erstes besuchtes Rockkonzert. Das war ca. 1979 bei der STERN COMBO MEISSEN. Reini Fissler sang das Lied damals mit seiner unverwechselbaren Stimme. Ich glaube mich zu erinnern, dass es als Zugabe war.
Die 4 Männer „sorgten vor der Pause mit „Help!“ noch mal für absolute Partystimmung und mit „Yesterday“ für besinnliche Gänsehaut-Minuten.
Nach der kleinen Verschnaufpause kehrten „PAUL McCARTNEY“ (Michael Becker) „JOHN LENNON“ (Künstlername Johnny Silver, bürgerlich Martin Kalau), "GEORGHE HARRISON“ (Nils Stockmann) und „RINGO STARR“ (Stefan Seel) mit frischen Kräften, neuer Bekleidung und längeren Perücken sowie zum Teil mit Bärtchen zurück. Wir waren optisch nun also schon in der späteren BEATLES-Phase angekommen. Übrigens ist John Silver mit LENNON Lesungen/Konzerten auch solo unterwegs. Der Mann hat wahrlich seine Bestimmung gefunden. Wenn man ihn so ansieht, könnte man in tatsächlich für eine Reinkarnation des großen BEATLES-John halten.
Die SILVER BEATLES- Band brachte wieder einige musikalische Perlen aus der BEATLES-Schmuckschatulle ans Licht und für uns zu Gehör. Es ging gleich los mit der Reprise von „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, dem wohl ersten Konzeptalbum der Rockgeschichte.
„Penny Lane“ beschreibt ja einer Straße in der Gegend, wo JOHN und PAUL in Liverpool lebten. Durch dieses Lied dürfte die Penny Lane zu einer der berühmtesten Straßen der Welt aufgestiegen sein. Es war einfach herrlich, dieses Lied live in dieser Qualität zu hören.
Ganz ohne technische Unterstützung von der Konserve ging es bei den SILVER BEATLES auch nicht. Aber in diesem Fall machte es auch Sinn, denn wie wir es gewöhnt sind, wurde „All you need is Love“ mit der orchestralen Melodie der „Marseillaise“ eingeleitet. Übrigens hat der einfache und doch aussagekräftige Text auch heute seine Bedeutung noch nicht verloren. Eigentlich ist doch Liebe, alles, was wir brauchen. dann würden sich viele Probleme dieser Welt von selbst lösen.
Hier seien nun einige Perlen der Setlist zumindest genannt, denn alle Lieder kann und will ich hier gar nicht weiter kommentieren. „Revolution“, All together now“, „Obladi oblada“ „Back in the USSR“, „Something“ und „Ballad of John und Yoko“.
Fürs Finale haben sich die Männer der Combo aber noch einige strahlend klingende Diamanten wie "While my Guitar gently weeps“, „Come Together“ und „Get Back“ aufgehoben. Gekrönt wurde das reguläre Set dann noch mit „Let it be“.
Aber bei so einem begeisterten Publikum ging für die SILVER BEATLES noch was und so spielten sie als Zugabe noch „He Jude“ und gemeinsam mit dem Publikum wurde noch ausgiebig das bekannte „na na na nananana“ gesungen.
Beim anschließenden Schlussapplaus strahlten Musiker und Publikum sich gegenseitig, fast um die Wette, an. Es war ein hammergeiles Konzert und letztendlich habe ich die Fahrt nach Schwarzheide nicht bereut. Die SILVER BEATLES würde ich in der Zukunft gerne mal wiedersehen.
Gruß Kundi
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