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The Lateriser unplugged oder wie aus einer Konzertpleite ein Highlight wurde
The Lateriser unplugged oder wie aus einer Konzertpleite ein Highlight wurde
in Konzertberichte 2019 und älter 08.01.2019 08:47von PMausM • | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte
Langsam stelle ich mir die Frage, kann man als kleiner Fan eigentlich von einer Pleite im Musikgeschäft profitieren? So verrückt es klingt, mir ist das gerade ganz ohne mein Zutun und ohne Absicht gelungen. Ich hatte einfach Glück. Die Bonfire Pleite hatte hohe Wellen geschlagen, auch ich gehörte zu den möchtegern Konzertbesuchern, die über den Abbruch der Tour der Rocklegenden um Bonfire traurig waren.
Im Tivoli Freiberg wollte ich dabei sein. Ausschlaggebend waren für mich nicht die großen Namen aus der Rockgeschichte, mit denen geworben wurde, sondern dass Quaster von den Puhdys dabei sein sollte und meine Kaufentscheidung hatte beschleunigt, die Band „The Lateriser“ war als Vorband engagiert. Meine Muggenpilgerkollegin Bärbel hatte die Tivolikarten von dieser Band verbilligt gekauft und wir wollten gemeinsam hingehen.
Leider wurden nicht genug Karten an den Mann oder die Frau gebracht und dieses tolle Projekt scheiterte aus verschiedenen Gründen vorzeitig. Quaster ließ seine Fans nicht im Regen stehen, er kam nach Freiberg und spielte an dem vorgesehenen Konzerttag in kleinem Kreis für seine Fans eine geniale Mugge. So eine tolle Geste vergisst man nicht und ich hatte hier schon darüber berichtet.
Damit war die Sache für mich in meinem Oberstübchen in der Rubrik „Pech gehabt“ archiviert, auch wenn ich mir durchaus der Tatsache bewusst bin, dass hier viele Leute verärgert wurden, die noch auf die Rückzahlung des Tickets von Bonfire warten.
Aber die Geschichte ging noch weiter. Vor drei Wochen erhielten Bärbel und ich eine Einladung von der Erzgebirgischen Blues Rock Band The Lateriser, die vor den Rocklegenden im Tivoli spielen sollten. Eigentlich sind sie auch Leidtragende bei der Geschichte. Sie sind für mich keine Unbekannten, hab sie schon verschiedentlich erlebt, so auch bei uns im Striegistal mit Monokel Kraftblues. Zum unmittelbaren Fan Kreis gehöre ich nicht, eher zu den Neugierigen, die sich über junge Bands freuen, die die Musikszene von hier bereichern und Traditionen weitertragen.
Was wir aber dann am 05.01.19 in Oelsnitz im Erzgebirge erlebten, das war jenseits aller Vorstellungskraft. Es stellte sich heraus, die Band hatte genau die 20 Leute eingeladen, die die Tivolikarten gekauft hatten und spielte nur für diesen kleinen Kreis ein unplugged Konzert.
Die Bonfire Pleite verhalf uns so zu zwei tollen, individuellen Musikerlebnissen. Martin Fanghähnel von den Laterisern sagte scherzhaft, die Veranstaltung ist „sponsored by Bonfire“. Ich glaube, ihr versteht nun, dass sich meine Trauer über das gescheiterte Großprojekt in Grenzen hält.
Als wir vor der Tür zu der angegebenen Adresse standen, mussten wir uns erst mal gegenseitig Mut zusprechen. Wir kannten keinen und der Veranstaltungsort in Oelsnitz war uns etwas suspekt.
Es stellte sich heraus, es war der ehemalige Proberaum der Band. Wie aus der Zeit gefallen, kam uns der Ort vor. Es hatte sich ein dort ein komplettes DDR Feeling erhalten, die Räume gehörten zu einer geschlossenen Gaststätte und man hatte das Gefühl, 30 Jahre zurück versetzt zu sein. Mögen die Besitzer die Kraft haben, das so zu erhalten.
Erzgebirgler sind gute Gastgeber, das bestätigte sich wieder einmal. Wie sich heraus stellte, waren wir nicht nur zu einem ganz speziellen Konzert eingeladen, sondern auch zum Essen und Trinken. Es war ein reichhaltiges Buffet aufgebaut mit erzgebirgische Spezialitäten und als erstes kamen wir mit dem Basser der Band ins Gespräch über die Zubereitung von „Wiggelgließ“, zu deutsch: Wickelklöße.
Aber ehe ich hier womöglich noch mit dem Austausch von Kochrezepten beginne, erzähle ich euch lieber etwas über unsere Gastgeber.
Die Band „The Lateriser“ gibt es seit 2003. Von den Gründungsmitgliedern ist noch er Bassist Martin Rudolph dabei. Neu dazugekommen ist im Laufe der Zeit der Schlagzeuger Benjamin Nagel. Mit dem Frontmann Martin Fanghähnel ist ihnen der ganz große Wurf gelungen.
Musikalisch beschäftigen sie sich mit einer Mischung aus Blues, Rock und Funk. Sie selbst bezeichnen es in Kurzfassung als „BluFuRock“, denn jede Band gehört in eine Schublade und alle anderen Schubladen waren schon besetzt. Aber in dieser können sie sich ausbreiten und ihrer Mission nachgehen. Sie sind die Vertreter der jungen, anspruchsvollen Musikszene im Erzgebirge und haben schon Preise für ihr Rocken gewonnen.
Bluesbands haftet oft ein Altherren Image an, die Musiker und auch das Publikum sind meist in gesetzterem Alter. Umso besser, wenn junge Leute hier mal frischen Wind reinbringen. Bei den Laterisern ist es nicht nur Wind, es ist ein Orkan, der mit ihnen über die Bühne fegt. Innerhalb weniger Jahre haben sie sich in der Szene einen Namen gemacht und nicht umsonst waren sie ausgewählt worden, vor echten Rocklegenden zu spielen. Es hatte nicht sein sollen.
Bei den wenigen Liveauftritten, die ich bisher gesehen habe, ist mir in Erinnerung geblieben, sie spielen ganz fix auch mit anderen Bands, können sich auf deren Repertoire einlassen und machen so aus dem Üblichen etwas besonderes. Erlebt habe ich das zum Beispiel bei Monokel Kraftblues.
Für den Abend hatten sie sich was vorgenommen, was sie so noch nie realisiert haben. Sie wollten ein komplettes unplugged Konzert spielen und haben sich dazu brav auf Stühlchen nieder gelassen. Respekt, wie sie das drei Stunden durchgehalten haben. Die Band ist für Bewegungsfreude und fixe Stellungswechsel bekannt. Für das Konzert waren eher die leiseren Töne gefragt. Dies ist bei der Band natürlich relativ und ganz ohne Strom ging es nicht. Für die unplugged Variante hatten sie drei weitere Mitspieler dabei. Das Stammtrio wurde durch den Keyboarder David Gottschalk und den Leadgitarristen André Weller verstärkt. André ist außerdem der gute Geist der Truppe, kutschiert die Spieler und verkauft die Souvenirs. Bei einigen Titeln kam Markus Bär mit seinem Saxophon zum Einsatz. Die Lateriser hatten früher sogar mal mit drei Bläsern gespielt.
Ich bin nicht gut darin, zu beschreiben, wie Musik klingt. Deshalb empfehle ich die Rezension von meinem Kollegen Hartmut Helms, zur CD „Alles auf Null“, aus dem Jahre 2016.
Diese CD hat den Namen in der Tat. Während der Produktion hat sich die Band entschieden, die englischen Texte zu canceln und alles in Deutsch zu machen. Zu der Entscheidung kann man sie nur beglückwünschen, denn es wäre viel zu schade, wenn wir die tollen Geschichten aus den Liedern nicht in unserer Muttersprache verstehen könnten. Jeder Song erzählt eindrucksvoll eine Geschichte aus dem Alltag, spannend und lebensnah. Die Texte spiegeln die Bodenständigkeit wieder, die diese Band ausstrahlt. „Der Igel“ ist ein wunderschönes Stück von dieser CD, leider haben sie vergessen, es zu spielen. Mit dabei war „Weis(s)er Mann“ und der für mich schöneste Titel „Kunden“.
Sie haben alle handfeste Berufe und machen Musik „nebenbei“. Das verlangt viel ab, auch den Familien. Martin erzählte bei seiner Moderation immer mal aus ihrem echten Leben. Der Schlagzeuger ist zum Beispiel Bäcker und fängt freitags früh um 3.00 Uhr an. Wenn dann eine Tour ansteht, weiß man, wie lange der Arbeitstag wird.
Seit Mitte 2018 haben sie schon wieder ein neues deutschsprachiges Powerrock Album am Start. Es heißt „Jetzt oder nie“. Viele Titel von dieser Scheibe wurden bei dieser Mugge mit Wohnzimmeratmosphäre vorgestellt. Es sind alles sehr rockige Nummern mit Texten die die Fantasie anregen. „Ich wollte sie küssen“ mit Saxophon hörte sich interessant an. „Fang mich auf“ und „Was bleibt“ zauberten sie auch aus dem Hut. Meinungen und Fragen der Zuschauer zu den Titeln waren ausdrücklich erwünscht.
Zu der Scheibe „Jetzt oder nie“ gibt es ein ausgesprochen blutrünstiges Video vom Titelsong mit der Band und Buzz Dee Bauer von Knorkator in der Hauptrolle. Kurz beschrieben, einmal Knast ohne Rückfahrkarte. Aber alles gut, die Band hat das Scharmützel offensichtlich überstanden.
Mit der Aufforderung „Asst nor noch a bissel“ in wunderschönem Erzgebirgisch wurden die Gäste im Halbstundentakt auf das Buffet hingewiesen. Und gleich wurde noch die „Drohung“, ihr kommt hier nicht raus, bevor ihr alles ausgetrunken habt, nachgeschoben. Leider konnten wir uns an dieser Aktion mit Rücksicht auf unsere Fahrerlaubnis und die Sonntagsschicht nicht beteiligen. Tat uns echt leid.
Zwischen den eigenen Titeln gab es noch viele Rockklassiker zu hören, die sie auf ihre Weise interpretierten. Ich glaube, es grenzte an Folter, die Musiker mussten dabei auf ihren Stühlen sitzen bleiben. Aber wenigstens die Zuschauer hat es sprichwörtlich vom Hocker gehauen.
Die Instrumente, auf denen sie spielen, sind so außergewöhnlich wie die Band.
Der Frontmann spielte bei einem Titel eine seltsame Gitarre, die lange nachklang. Martin erzählte, dass er diese zur Hochzeit von seinen Kollegen aus dem Metallbaubetrieb bekommen hat. Sie haben das Instrument aus Metall selbst gebaut. Erst konnte er auch nicht glauben, dass man die spielen kann. Und wir wollten nicht glauben, dass sie aus Metall ist. Haben uns dann durch Handauflegen überzeugt und festgestellt, sie ist eiskalt und wiegt über 10 kg. Der Basser Martin spielte ein kleines Instrument, dass mit vier Saiten bespannt war, die jeweils die Stärke von Spaghetti hatten.
Ältere Damen lesen noch ganz altmodisch Zeitung uns so fiel mir an dem Tag des Konzertes ein Artikel auf über einen Gitarrenbauer aus Oelsnitz, namens Fanghähnel, auf. Dieser arbeitet für die Toten Hosen. Es stellte sich heraus, es ist der Neffe vom Martin Fanghähnel. Gleich konnte uns Martin noch weitere besondere Stücke aus der Werkstatt des Meisters vorführen.
Nach drei Stunden verabschiedeten sich The Lateriser mit Roll Over Beethoven und weiteren klassischen Rocknummern von den zwanzig Pechvögeln, die durch dieses ganz besondere Konzert nun zu auserwählten Glückspilzen wurden.
Ganz herzlichen Dank an die Band, sie haben wieder einen Fan mehr.
RE: The Lateriser unplugged oder wie aus einer Konzertpleite ein Highlight wurde
in Konzertberichte 2019 und älter 08.01.2019 14:13von SN-Nittel • | 329 Beiträge | 724 Punkte
Danke Petra....schön das du dabei warst.
Ich hatte ja auch eine Einladung, konnte aber beruflich bedingt nicht dabei sein. Das war sehr Schade aber nicht zu ändern. Manchmal muss man zurückstecken.
Das "The Lateriser" das so gemacht haben verdient Anerkennung und war ne gute Idee. Auch schöne informative Zeilen von dir.
Das Bonfire Projekt war ein richtiger Flop....da kann man nicht allles auf die wenigen Eintrittskarten schieben. Die Art und Weise ist unterirdisch.
RE: The Lateriser unplugged oder wie aus einer Konzertpleite ein Highlight wurde
in Konzertberichte 2019 und älter 13.01.2019 15:27von PMausM • | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte
Hallo lieber Steffen, hast was verpasst. Aber geht mir auch oft so mit meinen Schichten. Am WE sind wir in Marienberg bei Wunderbuntd.
Hallo lieber Andreas, ich fand es auch toll bei der Randgruppe. Dass sie auf Fotografen Jagd gemacht haben, ist mir bei der Gruppe auch noch nicht passiert, im Gegenteil, die haben sich immer über Bilder gefreut.
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