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Ausstellung "70 JAHRE AMIGA" im Museum Schloss Bernburg
Ausstellung "70 JAHRE AMIGA" im Museum Schloss Bernburg
in Konzertberichte 2019 und älter 17.10.2017 17:24von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Ausstellung „70 Jahre AMIGA“ in Bernburg (14.10.2017)
Zwei Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, im Februar 1947, gründete der Sänger Ernst Busch in Berlin das Musiklabel AMIGA als Anhang zum Verlag „Lied der Zeit“. Noch im gleichen Jahr erscheint mit „Wenn bei Capri die Sonne im Meer versinkt“ die erste Schellackplatte, die erste AMIGA – Scheibe. Zwei Jahre später wird in der Leipziger Frauenklinik ein Junge geboren. Im Jugendweihealter entdeckt er diese schwarzen Scheiben als Sammelobjekt für sich und entwickelt dafür eine Leidenschaft, die ihn sein Leben lang begleiten wird. Dieses „schwarze Gold“ ist fünfzig Jahre später noch immer das Objekt meiner Begierde, auch wenn Charisma oder Polydor darauf steht. Unter dem Signum AMIGA hatte das AMIGA-Lable 70 Jahre Musik im deutschen Osten unter die Leute gebracht. Aus diesem Anlass öffnet heute eine Sonder-Ausstellung im Schloss Bernburg ihre Pforten. Ich wollte dabei sein und deshalb bin ich auch hier, stehe vor dem Schloss, hoch oben über dem Ufer der Saale.
Knapp zehn Jahre zuvor, am 15. April 2008, war ich mit Freunden im Societaets-Theater von Dresden, in dem eine der Veranstaltungen zum Jubiläum „60 Jahre AMIGA“ mit Jörg Stempel und seinen Gästen Jäcky Reznicek und Thomas Putensen stattfand. Es mögen damals vielleicht vierzig Besucher gewesen sein, die den interessanten Gesprächen auf der Bühne lauschten. Inzwischen sind schon wieder Jahre vergangen und JÖRG STEMPEL verwaltet noch immer verantwortungsvoll das musikalische Erbe vieler DDR-Schallplatten und sorgt dafür, dass die Namen von Künstlern, von Bands sowie deren Lieder und Geschichten im Bewusstsein der Menschen lebendig bleiben. Wenn sich dann ein Musikliebhaber wie TORSTEN SIELMON in den Kopf setzt, im Museum auf dem Schloss Berndburg eine Ausstellung über diese 70 Jahre AMIGA - Geschichte auf die Beine zu stellen, kann er sich dabei der Unterstützung des Nachlassverwalters sicher sein.
All das im Hinterkopf, betrete ich den kleinen Saal im Seitentrakt der Burg. Einige Besucher sind auch schon anwesend, doch die ersten Reihen sind reserviert für Gäste. Einen einzigen freien Platz da vorn besetze ich, danach bin ich auch ein „Gast“. Minuten später ist der Raum zum Bersten voll. Für einige bleibt nur ein Stehplatz ganz hinten, als zur Einleitung Live-Musik erklingt. Die musikalischen Akteure dieser Veranstaltung, MANUEL SCHMID und MAREK ARNOLD, leiten mit instrumentaler Finesse zu der Eröffnung über, ehe der Direktor des Museums Bernburg seine Begrüßungsworte an die Anwesenden richtet. Er umreißt mit wenigen Worten, wie es zu dieser Exposition kam und bittet JÖRG STEMPEL, zu den Anwesenden zu sprechen. Der AMIGA - Chef meistert diese Aufgabe gewohnt unterhaltsam sowie mit einigen Episoden angereichert. Aus dem Mund von TORSTEN SIELMON erfahren wir letztlich, wie die einzelnen Exponate hierher kamen, ehe sie zu einer Gesamtschau über 70 Jahre AMIGA aufgebaut werden konnten. Ein interessanter Exkurs und „Hut ab!“ für diese Mühe und Leistung. Ganz langsam steigt die Spannung an und die Neugier wächst, das Gehörte endlich auch visuell in Augenschein zu nehmen.
Zuvor jedoch noch einmal Musik. Einen kleinen und sehr persönlichen Rückblick auf „Glanzleistungen in Rock“ zelebrieren das Duo MANUEL & MAREK. Wir hören respektvoll bearbeitete Rock-Diamanten in abgespeckten, aber sehr reizvollen Interpretationen. Nur von e-Piano und Saxophon begleitet, singt MANUEL SCHMID Klassiker aus dem AMIGA-Katalog wie „Nach Süden“ (Lift), „Sagte mal ein Dichter“ (Holger Biege) oder das angejazzte „Sonntag“ (Manfred Krug). Mich begeistert, wie spielerisch leicht die Piano-Töne mit jedem Saxophonchorus verschmelzen. MAREK ARNOLD gelingt es mit seinem Spiel tatsächlich, ganze Orchester- und Rockarrangements mit seinem Instrument nachfühlbar zu gestalten.
Zu meinem persönlichen Glanzpunkt wähle ich mir das zauberhafte „Zweigroschenlied“ (4 PS), einfach fantastisch! Zwei exzellente Musikanten teilen mit uns ihre Liebe zu großartigen Liedern ostdeutscher Prägung. Wir können und sollten sehr stolz auf all diese Leistungen sein, die doch auch zu fast jeder Vita hierzulande dazu gehören.
Die eigentliche Ausstellung befindet sich in den Räumen eines der großen Gebäude, direkt neben dem Haupteingang. Hier geht es über eine Treppe steil nach oben, fast wie an die Spitze der Charts, die es in der DDR so nicht gab. Dort oben angekommen, tauche ich ein in sieben Dekaden Musikgeschichte und es werden haufenweise Erinnerungen wach. Zunächst sehe ich mir das Original der „Caprifischer“ an, eines der Exemplare, mit dem alles begann und dann lasse ich mich einfach treiben, vorbei an den Leihgaben, Plattenhüllen und seltenen Exponaten. Erst in einer zweiten Runde gelingt es mir, für mich wichtige oder begehrenswerte Schätze in Ruhe zu betrachten.
Ich verweile vor einem dieser originalen Tische mit Handhörern zum Herausziehen. Hier konnte man Schallplatten zur Probe hören, ehe man sich zum Kauf entschied. Von der Wand dahinter prangt eine Coverauswahl von Jessica über Lift und Karussell bis Silly und Veronika Fischer. Davor steht einer mit grauem Haar. Ich spreche THOMAS LÜCK an und erhalte prompt eine signierte Autogrammkarte. In einer Vitrine entdecke ich die berühmte „Jazz-Lyrik-Prosa“ und ein von Manfred Krug signiertes Poster. Die Platte habe ich auch, das Poster hätte ich gern. Überall an den Wänden sind Single- und LP-Cover, thematisch oder inhaltlich geordnet, zu bestaunen und auch eine Goldene Schallplatte von Silly kann man bewundern. In einer Nische entdecke ich die legendäre AMIGA-LP der Beatles im Trommelcover (grün/rot) sowie die drei dazu gehörigen Singles im Kinderwagen-Cover. Ich verweile vor einigen alten und seltenen Postern von Kreis, Engerling, Lift und Karat, die ich ebenso zu meiner Sammlung stecken würde. Der Fan und Liebhaber findet in den Räumen vieles wieder, was Erinnerungen an die schönen Momente des Lebens weckt oder Assoziationen zu eigenen Lebenssituationen herstellt. Musik gehört einfach zum Leben eines jeden und jeder verbindet damit sehr persönliche Ereignisse, Momente oder Erinnerungen. Zumindest mir geht es so, während ich durch die Räume streife. So erzählt jede Platte, jedes Cover und manches Foto eine ganz besondere Geschichte, die weitergetragen werden möchte. Die Anregungen dafür kann man sich hier im Schloss von Bernburg in den nächsten Wochen holen.
Zwischendurch und danach kommen viele Gespräche zustande. Es gibt einige, die ihre Geschichten zu erzählen haben, mit anderen kann ich meine eigenen Erfahrungen und Erinnerungen abgleichen. Eine von ihnen, die ich schon eine gefühlte Ewigkeit kenne, ist ANGELIKA „Lütte“ MANN. Was für eine tolle Überraschung, sie hier wieder zu treffen. Ich fühle förmlich die unheimliche Menge dessen, was noch irgendwo im Verborgenen schlummert. Diese Exposition ist ein gelungener Versuch, diese 7 Dekaden der Geschichte von AMIGA darzustellen. Dafür gebührt den Beteiligten, aber insbesondere TORSTEN SIELMON, Anerkennung, denn offensichtlich ist er derjenige, der diese Idee als Einziger hatte und die Möglichkeiten, sie auch umzusetzen. Gut, dass es die Liebhaber und „Verrückte“ gibt, die den Dingen nicht einfach ihren Lauf lassen, sondern ihnen eine Richtung und ein Ziel geben. Vielleicht, so meine leise Hoffnung, findet sich auch einmal einer, der denen hinter den Kulissen und den Akteuren vor der Bühnenrampe auf ähnliche Weise ein Denkmal errichten könnte. In den Wohnzimmern des Ostens schlummern noch viele Schätze, Unikate und Zeitdokumente, deren einziger Wert vielleicht nur darin besteht, dass erst durch sie wirklich erkennbar wird, was die Menschen in jenen Zeiten tatsächlich bewegte, wenn sie Musik hörten, sich damit beschäftigten oder vor einer Live-Bühne standen. Noch sind genug Zeitzeugen unter uns, noch ist Zeit für die Spurensuche. Bis „80 Jahre AMIGA“ genau zehn Jahre.
Beitrag und Thema am 19.10.2017 gegen 05:55 Uhr der besseren Zuordnung wegen in den Bereich Konzertberichte 2017 verschoben. Der Themenersteller wurde durch das Forensystem automatisch informiert
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