|
|
ZÖLLNER trifft KARMA - "Dirk & das Glück" im Schloss Köthen
ZÖLLNER trifft KARMA - "Dirk & das Glück" im Schloss Köthen
in Konzertberichte 2019 und älter 10.10.2017 15:11von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Dirk Zöllner trifft Werner Karma in Köthen (07.10.2017)
Die Geschichte vom „Dirk im Glück“ kennt wahrscheinlich inzwischen jeder, der was mit Rockmusik in deutscher Sprache und dem ruhelosen Musikanten Dirk am Hut hat. Mir war sie Anlass, am Zeitstrahl zurück zu blicken. Vom „Käfer auf’m Blatt“ bis zu diesem Konzert im „Mein Sommer ’88“, als auch die Zöllner auf der Bühne standen, um in den letzten Tagen der DDR gegen Apartheid anzusingen. Später bewunderte ich die „Sieben Sünden“, erlebte seine BigBand am Tagebaurand von Gut Geisendorf und traf ihn bei „Semper Fidelis“, um CÄSAR zu ehren. Dass DIRK „Scholle“ ZÖLLNER seine Autobiografie „Die fernen Inseln des Glücks“ im gleichen Jahr 2012 zur Leipziger Buchmesse präsentierte, wie dort ebenso „Mein Lebensgefühl Rockmusik“ vorgestellt wurde und er bei meiner Lesung im Publikum zu finden war, das empfand ich ebenso großartig, wie unser gemeinsames Wirken im Kinofilm über den „Sommer ’88“. In diesem Jahr nun die Geschichte „Dirk & das Glück“ und da wusste ich, diese Musik mit der großartigen Lyrik von Werner Karma, das möchte ich nicht verpassen. Denn wenn ZÖLLNER und KARMA aufeinander treffen, kann, ja muss es eigentlich spannend und sehr unterhaltsam werden. Solche Symbiosen haben inzwischen Seltenheitswert in der hiesigen Rock-Landschaft und deshalb ist ein Konzert wie ein Pflichttermin. Am Ende des Abends werde ich meine hohen Erwartungen bestätigt finden.
Das Schloss Köthen ist mitten in der Stadt gelegen, an diesem Herbsttag sogar im Dunkeln. Im Regen laufe ich zunächst in die falsche Richtung. Einer Art Nachtwächter mit Gefolge lockt mich und so lande ich im Hof der Schlossanlage. Gefunden! Wie haben die das eigentlich Jahrhunderte vor mir gemacht? Von Pferden mit Navi ist ja nichts überliefert. Eine Stunde vor Mitternacht werde ich wieder Hilfe eines Lotsen benötigen, um aus diesem nassen Dunkeldorf mit verbauten Einbahnstraßen heraus zu finden.
DIRK ZÖLLNER jedenfalls führt sein Gefolge sicher auf die Bühne im kleinen Saal, plaudert noch aus dem Backstage-Nähkästchen, um dann mit uns zu einer musikalischen Reise ins Glück zu starten. Aus dem Stand wirbelt es auf der kleinen Bühne. ZÖLLNER singt „(Ich sag) Hallo“ und ganz zögerlich ist aus den Stuhlreihen dann doch „Hallo Dirk!“ zu erahnen, aber „die Welt sagt nix“. Dafür fühlt man sich sofort mitgenommen in ein Deutschland, das ziemlich zerrissen scheint, uns aber schweigend fordert, etwas für seine Veränderung zu tun. Ein Blues erzählt groovend von einem, der „mit dem Herz durch die Wand“, aber eigentlich nur „Lieb sein“ will, während er an der Realität beinahe zerbricht. Ich bin hellwach, der Blues erobert sich meine Beine und zum ersten Mal an diesem Abend rammen die Worte sich in meinen Kopf und die Frage, wie dieser Text bei Silly wohl geklungen haben möge, ist plötzlich da. Ein Effekt, der im Laufe des Abends noch ein paar Mal auftauchen wird.
Noch ehe ich den Gedanken weiter spinnen kann, knallen uns die Zöllner-Band(e) ihr „Bleifrei“ um die Ohren. Zu lieblichen Piano-Klängen, einem Xylophon gleich, haut uns der Frontmann seine Worte „Die Sehnsucht des Soldaten zielt nicht auf Heldentaten, nicht mal auf`n Sieg. Er will nur bleifrei durch den Krieg.“ um die Ohren. In diesen Momenten könnten einen die Assoziationen fast erschlagen. Vielleicht hätten die Musikanten diesen Song zur Wahlkampfparty der „Volks“Parteien „performen“ sollen, denke ich mir oder „Scholle“ sollte den Song, als Single ausgekoppelt, an Frau von der Leyen senden. Sicher ändert das nichts, aber es bliebe ein gutes Gefühl vom Glück zurück.
Mit „Leicht sein“ bekommt auch ANDRÈ GENSICKE seinen Solo-Gesangspart als angenehmen Kontrast zur soulgefärbten Stimme von DIRK ZÖLLNER. Der mischt den neuen Songs auch älteres Material aus der Feder von WERNER KARMA, wie „Ich kann dich nicht riechen“ oder „Wo ist der Hund“, bei und die fügen sich nahtlos den aktuellen Werken zu. Mir fällt nur auf, dass aktuell in diesem Fall auch deutlich bissiger zu bedeuten scheint. Unter den scharfen Text von „Ghetto“ hat der ZÖLLNER eine swingende Melodie gestrickt, umso krasser wirkt dann der gewollte Gegensatz, wenn er singt: „Wie schützt man sich vor ’ner Welt, sein kleines und sein großes Geld? Mit Glas Beton und Stacheldraht, mit ’ner Mauer um den Sonnenstaat?“. Ganz, ganz großes Kino und wieder die Frage, was Silly wohl daraus gemacht hätten.
War ich auf der Piste nach Köthen noch eher skeptisch, sitze ich inzwischen begeistert im Konzert. Die Band um Zöllner swingt, sie groovt und schafft den Funk auch ohne die Bläser. Kleine solistische Parts unterstreichen das exzellente Können des Duo Infernale. Wenn bei den älteren „Lustige Puppen“ der Mann hinter dem Mini-Drums, MARCUS GORSTEIN, kurzfristig zum Trompeter wird, spürt man auch das Vergnügen, das alle miteinander haben. Als dann „Die Affen“ wie ein fröhlicher Reggae daher zu kommen scheinen, wird es noch einmal auf vielfältige Weise richtig sarkastisch und bitter: „Sie raffen und sie geben für jeden guten Zweck. Sie dreh ’n einander Müll an, den werfen sie dann weg.“ Die Gesellschaft bekommt einen gigantischen Spiegel vorgehalten, der einem Fahrplan zur notwendigen Veränderung gleicht. Wieder drängt sich der vage Gedanke an Silly auf, aber natürlich weiß ich auch, dass Texte, wie diese von KARMA, gesungen von ZÖLLNER, bei Silly inzwischen einen großen Verlust an Glaubwürdigkeit erfahren würden. Zumindest nach meiner Erfahrung und Verständnis. Was für ein Glück also, das dieser Einkaufsbummel in Grünau stattgefunden hat und diese glückliche Symbiose entstanden ist. Die deutsche Rock-Welt wäre um einige geile und notwendige Songs ärmer, denke ich.
Zum Ende und vor den Zugaben erleben wir noch „Zwei Sonnen“, eine wunderschöne Liebesballade mit der zauberhaften Zeile „weil wir Gott und Göttin sind“ und den gelben Luftballons als Symbol für die Leichtigkeit der Liebe. Ich bin restlos begeistert, habe die Augen geschlossen und träume mir für diese vier Minuten die Frauenstimme (Steffi Breiting) des Originals auf die Bühne. Ein hochemotionaler Ausklang, den auch die beiden Songs als Zugaben kaum überbieten können, obwohl „Die Frauen“ den Typen namens „Scholle“ wohl sehr oft zu seinen wundervollen Songs inspiriert haben mögen: „Und vor allem sind die Frau’n mein Grund, von hier nicht abzuhau’n.“ Dem ist nichts hinzu zu fügen, außer vielleicht DANKE und geht mir immer wieder genau so!
Dass ich dieses Konzert ausgerechnet am historischen Datum 7. Oktober erleben darf, hat sicher keine Bedeutung mehr. In Menschen, wie ich einer bin, schwingt eben nur die Erfahrung all dessen mit, was unsereiner im Leben vor der Treuhandgründung aufgesogen hatte. Dass heute immer noch Lieder wie „Bleifrei“ oder „Die Affen“ geschrieben und gesungen werden müssen, hätten sich die „Mauerspechte“ damals auch nicht vorstellen können und wollen. Doch die Welt ändert sich – ständig – und so, wie sie jetzt aussieht, so darf sie auf gar keinen Fall bleiben. Ich wünsche mir, diese Lieder, auf CD oder live, können viele wachrütteln, anstoßen und Orientierung geben. Dann wäre schon eine Menge an GLÜCK gewonnen.
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
« CRAZY BIRDS & FREUNDE 01.10.2017 Weinfest Meißen Bühne Theaterplatz | John Lee Hooker Jr. & Band im Landgasthof Ottendorf am 06.10.2017 » |
Besucher
0 Mitglieder und 36 Gäste sind Online Besucherzähler Heute waren 299 Gäste online. |
Forum Statistiken
Das Forum hat 3230
Themen
und
13922
Beiträge.
Heute waren 0 Mitglieder Online: |
Einfach ein eigenes Forum erstellen | ©Xobor.de |