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GABY RÜCKERT & INGO KOSTER im Cafè Esprit, Taucha
GABY RÜCKERT & INGO KOSTER im Cafè Esprit, Taucha
in Konzertberichte 2019 und älter 22.03.2017 14:04von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Gaby Rückert & Ingo Koster im Cafè Esprit (18.03.2017)
Es war schon lange mein Wunsch, mal zu einem dieser intimen Konzertabende in das Cafè Esprit zu fahren. Doch die 120 Kilometer von Elsterwerda nach Taucha waren mir stets zu viel Aufwand. Jetzt bin ich im „Tor zum Harz“ gelandet, wie man Halberstadt hier liebevoll nennt, und ich fahre endlich nach Taucha. Die Strecke ist sogar um 30 Kilometer länger. Das letzte Treffen mit Gaby und Ingo ist inzwischen sieben Jahre her. Ich möchte INGO KOSTER endlich wieder einmal persönlich treffen und GABY RÜCKERT ihre Lieder singen hören. Vorfreude im Herzen und Betonkrebs unter den Rädern, so jage ich die A 14 an Leipzig vorüber, bis die Abfahrt Nordost erreicht ist. Von hier bis Taucha braucht man nur noch auszurollen.
Das Cafè Esprit könnte man glattweg übersehen, so bescheiden duckt es sich zwischen all die anderen alten Mauern der engen Innenstadt. Dabei ist diese Bescheidenheit völlig überflüssig und so gar nicht angebracht. Hier wurde in der vergangenen Dekade Kultur- und Stadtgeschichte geschrieben. Wirklich große Namen adelten diese intime Gastlichkeit, verzauberten die Gäste mit ihrer Kunst und Charisma. Ich habe sie alle verpasst, aber dieses eine Mal möchte ich auch hier verweilen, ehe die Inhaber diese kleine Tür zum Gastraum, aus Altersgründen, für immer abschließen werden. Doch für das Konzert mit Gaby und Ingo konnte ich mir kurzfristig noch ein Plätzchen reservieren. Hier Freunde zu treffen, kann zu einem besonders intensiven, weil hautnahen, Erlebnis werden. Genau so werde ich diese Stunden später auch empfinden.
GABY RÜCKERT und INGO KOSTER sind, jeder für sich und später gemeinsam, eine Facette kultureller Identität für viele hierzulande geworden. Ingo besang bei der legendären Thomas Natschinski-Gruppe die ebenso legendäre Berliner „Mokka-Milch-Eisbar“ sowie seine geliebte „Maja“. Gaby verzauberte uns spätestens mit dem Titelsong ihres Albums „Berührung“ (1980) und Perlen wie „Teil mit mir“, die ein Vierteljahrhundert später immer noch durch emotionale Tiefe wirken. Doch eigentlich spüre ich die gewaltigen Zeitsprünge gar nicht, als beide das kleine Podium betreten. Irgendwie ist das Lächeln der Beiden jung geblieben und die Augen strahlen so wie bei unseren letzten Begegnungen in Wittenberg und Brieske. Wiedersehensfreude pur.
Die musikalische Reise durch den Fundus ihrer Melodien könnte nach dem ersten Lied benannt sein. „Einmal Hin und Zurück“ (2010) beschreibt die Sehnsüchte vieler: „Irgendwann willst du mal dort sein, wo man nie gewesen ist“ und wenn man zurück kommt, hat man „ein paar Muscheln in der Hand“, singt Gaby allein zu Ingo’s Gitarrenbegleitung. Doch schon die „Kinderzeit“ singen beide im Duett und plötzlich spürt man die Magie, die zwei markante Stimmen wie diese verbreiten können. Nur Akkorde einer akustischen Gitarre, kein Verstärker und kein Mikrofon, nur die Faszination des puren Gesangs, die den kleinen Raum, mit den vielen Accessoires an den Wänden und der Decke, füllt. Genau das ist es, was mich immer öfter zu solchen Begegnungen zieht. Ingo & Gaby reduzieren die, oftmals opulent arrangierten, Songs bis auf ihren Kern. Wäre dies hier kein Cafè, man wähnte sich fast schon wie um ein Lagerfeuer sitzend und zaghaft die Verse mitsingend, während man die „Bilder der Kinderzeit“ vor den Augen hat. Dabei sind genau diese Lieder schon weit nach jener Zeit in dem ehemaligen kleinen Land entstanden und treffen längst heutiges, unser Lebensgefühl. Warum sich dafür bei den Medien niemand interessiert, verkneife ich mir ausnahmsweise: Dies hier ist (immer noch) „der Osten“!
Das Publikum im Cafè Esprit sind Freunde der beiden Künstler, Einheimische und solche, die es einmal waren sowie Wegbegleiter aus früheren Tagen. Man kennt sich und ihre Lieder sind Teil so mancher Biografie, so wie die Plätze und Themen auch, von denen sie singen. Gleich, ob „Der Sand von Rügen“ oder „Hochzeit machen“, man lächelt sich zu und versteht sich singend wortlos. Und dann gibt es ja noch jene klassischen Lied-Perlen, die beinahe schon legendär geworden sind. Dass auch die kleine DDR ihre eigenen „Beatles“ hatte, so der Schriftzug auf einem Transparent aus den frühesten Jahren, sollte, meiner bescheidenen Meinung nach, über all den „Turbulenzen des Klassenkampfes“ stehen können, denn auch die Jungs vom TEAM 4 hatten nur eines im Sinn – Beat-Musik zu machen. Kurze Zeit später schon war es die Stimme von INGO KOSTER, die der „Mokka-Milch-Eisbar“ von Thomas Natschinski und seiner Gruppe den hohen Wiedererkennungseffekt verlieh. Die Nummer heute nur zur purer Gitarrenbegleitung zu hören, vermittelt irgendwie noch immer ein ganz besonderes Gefühl. Den Refrain beherrscht jeder genau so gut, wie den von „Ob-La-Di, Ob-La-Da“. Irgendwelche Parallelen sind (selbstverständlich) rein zufälliger Natur.
Natürlich bringen auch in mir Songs wie „Berührung“ und „Die alte Schule“ die versteckten Emotionen zum Schwingen: „Viel zu viel geht uns verloren, manches Bild ist fast zerstört, wenn wir nicht nach Spuren suchen, ganz egal, was man auch hört.“ Plötzlich springt mein Kopfkino an, Gesichter ziehen vorüber und Episoden werden von der Melancholie im Lied getragen. Ganz still wird es, als Gaby „Die Rose“, und damit eine erste große Liebe, besingt und die Hörer tief innen berührt: „Warum habe ich Dir nie eine Rose geschenkt? Das tut man doch, wenn man liebt.“ Da ist GABY RÜCKERT ganz bei sich selbst und gibt mit ihrer Stimme vielen das, weswegen sie hierher gekommen sind. Erinnerungen und eine kleine Briese Nostalgie. Wundervoll!
Ein Lied fällt, ohne dass es jemand spürbar bemerken würde, aus dem Rahmen. GABY & INGO haben einem alten Song von Ralph McTell deutsche Worte geschenkt und aus den „Streets Of London“ eine wundervolle Ballade über „Unsere Straßen“ daraus gezaubert. Ein Lied über jene Häuserfronten, die abseits der grellen Vorzeige-Alleen einen Blick hinter die Kulissen und auf das wahre Leben gestatten. Sie haben dem Original damit eine würdige textliche Übertragung verpasst und es dennoch gesungen, als wäre es ihr ganz eigenes. Ganz, ganz großes Kino! Dass ich mir eine alte Weise von Ester & Abi Ofarim wünschen darf und sie mir diesen Wunsch auch erfüllen, ist mein ganz persönlicher Höhepunkt und macht mich sehr glücklich, denn mit solchen Liedern haben meine Begeisterung und Leidenschaft einst begonnen.
Diesen Abend lassen GABY RÜCKERT & INGO KOSTER mit dem gesungenen „Gute Nacht“ ausklingen: „Alle Menschen, die sich lieben, schlafen Arm in Arm, also wollen wir auch.“ Eine Melodie, die unter der Haut haften bleibt und der Beide ihren ganz besonderen Charme überstreifen. Man bleibt einfach sitzen und lässt dieses Gefühl noch in sich nachklingen. Erst Minuten später lichten sich die Reihen im kleinen Raum, bleibt Zeit für Gespräche und einen abschließenden Schluck vielleicht, wer nicht gerade Auto fahren muss. Als ich auch gehe, verabschiede ich mich von zwei befreundeten Künstlern, deren Lieder mich schon lange begleiten. Noch in diesem Jahr wird es von Gaby und Ingo neue Songs unter dem beziehungsreichen Titel „Herbstlaub“ geben, mit denen sie auch live auf den Bühnen unterwegs zu ihren Fans sein werden. Ein guter Grund, nicht erst wieder viele Jahre bis zu einem Wiedersehen verstreichen zu lassen. Zumindest habe ich mir das auf der nächtlichen Heimfahrt fest vorgenommen.
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