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CD "Hondsdraf" - Johan Meijer singt Gerhard Gundermann
CD "Hondsdraf" - Johan Meijer singt Gerhard Gundermann
in CD-, DVD- und Buchveröffentlichungen 08.05.2013 19:06von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Hondsdraf - Johan Meijer singt Gerhard Gundermann (Nederossi 2008)
(09.05.2013)
Mitten im schönen Oktober 2012 gab die alte Seilschaft mit neuem Frontmann Haase eines ihrer wenigen Konzerte. Das Freiberger Tivoli erlebte dort auch JOHAN MEIJER, die „Schwarze Galeere“ singend. Dem Mann aus der Heimat von Ekseption, Tee Set und Shocking Blue ist wahrscheinlich das passiert, was wir meist anders herum kennen, denn diesmal covert ein „Wessi“ einen „Ossi“, um die platt gewalzten Plattheiten noch einmal zu bemühen. Der Holländer JOHAN MEIJER hatte irgendwann die Lieder von Gerhard Gundermann aus der Lausitz für sich entdeckt und einige von Ihnen auf eine CD mit dem schönen Titel „Hondsdraf“ (Efeu) gebracht. In Freiberg war ich sofort von dieser anderen Art, den Gundemann zu interpretieren, angetan. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nichts vom singenden Holländer und ein paar Tage nach dem Konzert wollte es der Zufall, dass ich inzwischen eine von ihm selbst signierte CD in den Hände halte.
Meijer versucht, für meine Begriffe über weite Strecken überaus einfühlsam, mitunter überraschend und mit Gespür für den Inhalt, insgesamt 17 Lieder von Gundi in seine eigene Sprache und Diktion zu übernehmen. Während Gundi aber sich eher zu den urwüchsigen Melodien eines Bruce Springsteen hingezogen fühlte sowie sich vom Melodienreichtum schottisch-irischer Folk-Songs und dem Leben in seiner rauen Lausitzer Heimat inspirieren ließ, so scheint es mir, dass sich dieser JOHAN MEJER eher zum eleganten Stil eines Jacques Brel hingezogen sieht. Das ergibt sich schon allein aus der Sicht der Geografie und deshalb taucht das Akkordeon im Stil der Musette auf und eine Spielweise ist zu hören, die insgesamt natürlich anders ist, aber passend zur weichen und warmen Stimme des Holländers erklingt.
Dieses Anderssein wird bereits mit den ersten Tönen der CD beim Hören von „loslopen“ (Leine los) deutlich, das überraschend schwermütig und harmonietrunken aus den Boxen klingt, mir gar erst ein wenig Überwindung abfordert, zu glauben, dass dies ein Lied von Gundi werden könnte. Auch bei den ersten Tönen von „zanloper“ (Herzblatt) glaube ich zunächst, einen mir bekannten Song der Sands Family eingelegt zu haben, so sehr erinnert mich das Intro an eine irische Kneipenatmosphäre eines Liedes der Iren, ehe sich plötzlich auch hier der Gundi auf Holländisch, mit Mandoline und Klavier sowie einem sehr einfühlsamen Zwischenstück, vom Akkordeon gespielt, aus der Melodie pellt. Auf die gleiche Weise, beinahe düster und schwer, kommt „geen tijd meer“ (Keine Zeit mehr) aus den Boxen gekrochen. Den besonderen Touch bekommt die Melodie wieder vom Spiel des Akkordeons verpasst und so langsam gewöhne ich mich, nach den ersten drei Liedern, an die Art des Holländers, in die Haut vom Gundermann zu schlüpfen. Was mir spätestens jetzt auffällt, ist die Tatsache, soweit ich das verstehen und nachvollziehen kann, dass der Sänger sich sehr bemüht, auch textlich möglichst nah am Original zu bleiben. Als ein Beispiel dafür kann man sich „vechten als mannen“ (Kämpfen wie Männer) mal etwas bewusster anhören und sich darüber freuen, wie gut dem Meijer ein Gundi gelingt und dennoch etwas anders dabei herüber kommt. Sogar ein kurzes freches Solo einer Gitarre ersetzt hier einmal das Akkordeon und ein, für Gundi-Lieder oft typischer, Chorus reißt mich mit.
Auf filigranen Gitarrentupfern kommt der „vliegende vis“ (Fliegender Fisch) daher und mir scheint, zerbrechliche Melodien wie diese, liegen JOHAN MEIJER als Sänger mehr, als die eher robusten Kracher des Lausitzer Baggerführers, die wahlweise vor Wut oder Lebenskraft schier bersten können. In den „Fliegenden Fisch“ vom Johan kann man sich gut verlieben, während mir das nachfolgende „mijn handen“ (Meine Hände) dann doch irgendwie fremd vorkommt. Hier dominiert (bei mir) das Original im Hinterkopf über die dezent und einfühlsam gesetzten Töne des Akkordeons und die Stimme des Sängers, so beeindruckend das auch gemacht ist. Andere mögen das sicher anders empfinden, aber das ist ja auch gut so. Das uns allen bestens bekannte „Krieg“, über das gespannte Verhältnis zweier deutscher Staaten vor und danach, übersetzt JOHAN MEIJER in seinen eigenen und insgesamt größeren Kontext und macht daraus einen Song über den „koude oorlog“ (Kalter Krieg), ohne dadurch das reine Klangbild dieses besonderen Liedes wesentlich zu verändern. Ähnliche Assoziationen erlebe ich mit „jedereen of niemand“ (Alle oder keiner), wobei mir insgesamt die melodramatische Grundstimmung ein wenig „schaumgebremst“ daher kommt, was zur Folge hat, dass dies für mich das einzige Lied auf dieser Scheibe ist, dem ich gefühlt nicht folgen mag. Mir fehlen einfach die Wucht eines Gundermann, der es zu einer trotzige Aufforderung macht, deren Faszination und Dynamik mir hier einfach fehlt, denn es überwiegt die Stimmung der Musette, die gefühlt alles ein wenig lieblicher macht, was ich aber bei „Alle oder keiner“ gar nicht haben möchte.
Dafür vertröstet mich dann „steengezichten“ (So wird es Tag) wieder vollständig und stimmt mich versöhnlich mit einem feinen Ansatz von Swing und Leichtigkeit, eine Mischung, die mir wirklich gut gefällt. Und dann wird MEIJEER wieder einer, der vollständig in die Haut von Gundi schlüpft, wenn er „janken“ (Und musst du weinen), die kleine Alltagsgeschichte, förmlich zelebriert und meinen Ohren schmeichelt. Jetzt bin ich wieder mittendrin und folge dem Sänger zu „ooit“ (Soll sein), lasse mich von seiner Stimme und dem faszinierenden Spiel des Akkordeons verführen. Staunend stelle ich fest, dass ich immer besser mit den Worten der mir fremden Sprache klar komme. Für mich ist „ooit“ eines der wirklich gelungen Stücke der CD, alles ist in sich schlüssig und fließt geschmeidig dahin, ist einfach nur schön. Genau so empfinde ich „er kommt een dag“ (Es kommt der Tag) mit dem Chor im Hintergrund und einer wimmernden Gitarre, wie man sie heute noch bei der Seilschaft live erleben kann. So verspielt, frei und ausufernd hätte es Gundi sicher auch geliebt. Toller Schluss übrigens!
Gerhard Gundermann und Reggae – warum eigentlich nicht? Da kann man nur ungläubig staunen, was da aus „ik teken voor de vrede“ (Ich mache meinen Frieden) für ein freches Stück geworden ist und wie vertraut dennoch, oder gerade deswegen, mir das Lied mit dieser Leichtigkeit davon singt, mit „all den Idioten seinen Frieden“ zu machen. Wenn dann noch so ein tolles Akkordeon uns gar die Tanzschritte dazu diktiert, kann ich mir sogar vorstellen, „all den Idioten dieser Welt“ einfach fröhlich davon zu tanzen. Wirklich eine grandiose Nummer ist das geworden.
Auch „zwerfhonden“ (Streunende Hunde) entpuppt sich als so ein kleines Schmäckerchen, das mit einem rauen Saxophon überrascht und wo man so nebenbei, wie bei den anderen Liedern auch, mit viel Liebe eingearbeitete Details entdecken kann und „gras“ (Gras) ist einfach nur gut gelungen und wie beim Original, kann ich mich hier vorbehaltlos fallen lassen und genießen. Beinahe erwische ich mich beim Schunkeln und beim Mitsummen ebenso. Volltreffer!
Eindringlich, weil sich Johann nur mit seiner Gitarre begleitet, wirkt „komen und gaan“ (Kommen und gehen) auf mich. Hier ist mir, als würden Komponist und Sänger, obwohl unterschiedliche Charaktere, eins werden. Der Lausitzer schenkt dem auf Noten fliegenden Holländer seine weiten Schwingen, um eigene Befindlichkeiten für uns neu ergründbar zu machen. Das berührt auf ganz besondere Weise.
Das Lied, mit dem mich JOHAN MEIJEER auf der Bühne live neugierig gemacht hatte, beschließt den kleinen Silberling. Noch einmal sehe ich ihn beim Hören vor mir stehen und dann schließt sich ein Kreis der Entdeckungen und anderen staunenden Erfahrungen für mich. Die Dynamik der Streicher im Gleichklang mit einer Flöte hinterher zu lauschen und dabei zu wissen, Gundermann neu erfahren und mir JOHAN MEIJER „erhört“ zu haben, ist ein schönes Gefühl zum Ausklang. Nach den Stolperschritten am Beginn bin ich nun heilfroh, dieses Kleinod zu besitzen und bei Bedarf, den anderen Gundi hören zu können.
Ich gebe gern zu, dass ich mich, als einer, der in der vom Kohlestaub geschwängerten Luft der nahen Kokereien und am Rande der riesigen Tagelöchern aufgewachsen ist, zunächst etwas schwer getan habe, mich in das Empfinden von JOHAN MEIJER hinein zu hören. Mir war zunächst der ruppige Mann vom Bagger und Bühne näher, als der Holländer aus den „niederen Landen“ mit seinem weichen Akzent und den anderen Erfahrungen. Vielleicht liegt es daran, dass viele der von Gundi besungenen Momente, auch irgendwie hier und da in meinem ganz eigenem Leben verankert sind und es schwer fällt, sich von beliebten kleinen Klischees auch mal zu trennen. Der Genuss kam erst mit dem mehrmaligen Hören und das braucht eben seine Zeit und auch immer wieder größere Abstände, sprich Wochen, dazwischen.
Der CD liegen zwei kleine Hefte in jeweils deutsch und holländisch bei, so dass der Hörer sich ganz gut in die sprachlichen Bilder des Künstlers hinein versetzen und außerdem etwas von seiner eigenen Motivation erfahren kann. Das macht dieses kleine Päckchen zusätzlich interessant. Mir hat sich der Eindruck aufgedrängt, obwohl es anders ist, dass hier nur ein Duo musiziert, denn zu überwältigend sind die instrumentalen Beiträge des 2007 verstorbenen Sergey Shurakov mit seinem Akkordeon, der Meijer als Sänger und Gitarrist ein gleichwertiger Partner ist. Manchmal hatte ich zudem den Eindruck, dass es der gestalterische Ideenreichtum Gundermanns schwer macht, seinen Intensionen in anderer Sprache und mit anderen musikalischen Mitteln zu folgen oder zu übertragen. Es gibt einige wenige Momente, die ich so empfinde, was den Gesamteindruck überhaupt nicht im geringsten mindert.
Mir gefällt die Liedersammlung des Holländers und manche der ausgewählten Melodien erstrahlen in einem anderen, zauberhaften Glanz, ohne die Originale alt aussehen zum lassen. Das tut gut.
Rückblickend finde ich es ungemein spannend, mir die Auswahl des Holländers selbst erarbeitet zu haben und dabei über einen längeren Zeitraum zu erfühlen, was ihn vielleicht bewogen haben könnte, die Zusammenstellung gerade so und nicht anders zu singen. Letztlich empfinde ich das Hören dieser schönen Scheibe wie eine aufregenden Reise in einem fremden Land, das mir dennoch sehr vertraut vorkommt. Einige der Lieder von Gundi, die auf der Sammlung von JOHAN MEIJER vereint sind, habe ich deshalb noch einmal neu und anders für mich entdecken können. Gern empfehle ich deshalb anderen, ebenfalls auf diese Reise zu gehen, sich einzulassen und vielleicht auch vertraute Flecken noch einmal, aus der anderen Richtung kommend, zu entdecken und wer einen Hermann van Veen mag, kommt irgendwann an JOHAN MEIJEER auch nicht mehr vorbei. Sollte jemand allerdings bisher von Gerhard Gundermann noch gar nichts gewusst haben, dann kann er mit dem Erleben dieser Lieder vielleicht einen ganzen neuen Horizont für sich entdecken, den man beinahe beliebig nach hinten verschieben kann, Gerhard Gundermann entgegen.
Auch hier zu finden: http://www.mein-lebensgefuehl-rockmusik....gt%20Gundermann
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
RE: CD "Hondsdraf" - Johan Meijer singt Gerhard Gundermann
in CD-, DVD- und Buchveröffentlichungen 08.05.2013 22:09von Peggy • | 336 Beiträge | 707 Punkte
Lieber Hartmut!
Vielen Dank für Deinen CD-Tipp, den ich mit großem Interesse gelesen habe.
Ein Ziel ist schon mal erreicht: Neugierig hast Du mich gemacht.
Verrätst Du noch, wo man die CD bestellen kann?
"Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse ..."
https://www.facebook.com/peggy.jacob.391?ref=tn_tnmn
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