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(M)eine kleine Hommage für PETE SEEGER
(M)eine kleine Hommage für PETE SEEGER
in Bands, Musiker, Musikstile 28.01.2014 15:56von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
(M)eine kleine Hommage für Pete Seeger (28.01.2014)
Damals war ich ja noch so was von grün hinter den Ohren und eine ältere Lehrerin, wir nannten sie Miss, sang uns im Unterricht fremde Lieder, statt die Vokabeln zu kontrollieren. Das war einer der Momente im Leben, die man niemals vergisst. Ich sehe sie noch immer da sitzen, mit ihrer verzierten Laute auf dem Schoß, wie sie uns „In A Cavern In A Canyon“ und von „his daughter Clementine“ singt. Dann hat sie ganz leise, mitten im Unterricht, dieses „Guantanamera“ mit dem Hauch von Kuba und Fidel anstimmt. Von Che Guevara hatte ich noch keine Ahnung. Mit großer Sicherheit war dieses Lied von der „Clementine“ das erste, dessen englischen Text und Melodie ich bis heute, jederzeit abrufbar, tief im Innern aufbewahre. Das waren auch jene Tage des für kurze Zeit aufflackernden Hootenany auch in der DDR, was zur Folge hatte, dass ich begann, Schallplatten zu kaufen und zu sammeln. Die beiden Langspielplatten mit Perry Friedmann sind noch heute hier, die schwarze von Joan Baez mit einem Papierschnipsel aus dem Neunen Leben darauf ebenfalls und die legendäre Amiga - Platte von PETE SEEGER, mit dem Live-Mitschnitt von 1963 aus der Carnegie Hall in New York, habe ich gleich zwei Mal, in mono und in stereo. Wie dieser Mann seine Gitarre zum Klingen brachte, wie die schepperte und die Massen beim Singen unterstützte, das habe ich später in den Liedern der BYRDS wieder entdeckt, die PETE SEEGER’s „Turn, Turn, Turn“ zum Welthit und zu meinem ganz persönlichen Lied zur Weihnachtszeit machten. Das eigentliche Ereignis jedoch war, beim Hören der Platte von PETE SEEGER zu erleben, wie der mit seinen Interpretationen alter Folk-Songs wie „Oh Freedom“ und Dylan’s „A Hard Rain’a A-Gonna Fall“ (Ein schwerer Regen wird fallen) die Massen zum Mitsingen animierte, sich mit seiner Stimme über den Chorus der singenden Zuhörer erhebt und nach der Hymne „We Shall Overcome“ sie zu Begeisterungsstürmen hinriss. Das war für mich, nach dem Erleben der Fernsehshow „Da lacht der Bär“ aus Berlin, die eigentliche Offenbarung aus der Musikwelt, die mich wahrscheinlich bewogen hat, von der Violine auf die Gitarre umzusteigen. Als dann irgendwann in jenen Tagen das „Yeah! Yeah! Yeah!“ der BEATLES aus dem Radio klang, war ich gewissermaßen schon fit für den Folk von BOB DYLAN und den Beat der Fab Four sowie für die Antwort der BYRDS aus Amerika. Die Lieder von PETE SEEGER aber blieben von da an immer an meiner Seite, weil sie so eindringlich und so unnachahmlich schön sind. Diese Songs zeichnen in ihrer schlichten Aufrichtigkeit exakt die Vita des großen Folk-Sängers und unbeugsamen Patrioten Amerikas nach, wie ich heute weiß.
Als PETE SEEGER im Mai 1919 geboren wird, ist mein späterer Vater gerade mal knapp zwei Jahre auf dieser Welt. Alles, was der Amerikaner in seinem Leben sehen wird, geht auch an meinem alten Herrn nicht spurlos vorüber, weil eben die Fratze Krieg überall gleich hässlich und schrecklich daher kommt und weil überall auf diesem Planeten Leute das Sagen hatten und haben, denen die Interessen vieler einfach am Arsch und an ihrer Gier vorüber gehen. Da wird jeder der beiden Männer auf seine eigene Art aufmüpfig werden. Der eine singt seine Überzeugung laut heraus und kollidiert mit der Macht, der andere sagt, was er denkt und findet sich außerhalb einer Partei wieder, für deren Ideale er eigentlich eintreten wollte. Dass mein Vater aus der englischen Gefangenschaft auch noch eine Gitarre und die Kenntnis der anderen Sprache mitgebracht hatte, machte den Zufall dann beinahe perfekt. Manchmal haben wir gesessen und die „Clementine“ gemeinsam gespielt und gesungen.
Als PETE SEEGER 1941 die ALMANAC SINGERS ins Leben rief, hatte mein Vater noch nicht einmal meine spätere Mutter getroffen. Erst im Jahre 1949, in dem SEEGER das Quartett THE WEAVERS gründete und die erste Ausgabe des Folk-Magazins „Sing Out“ erschien, erblickte auch ich das Licht dieser Welt. In Amerika begann damals die Ära McCarthy und in der DDR, wo ich zu Hause war, begann man die „Grundlagen des Sozialismus“ aufzubauen. Beides war mit Einschränkungen und Diskriminierungen von Menschen verbunden. Die Lieder von PETE SEEGER wurden in den US-Medien boykottiert und der kleine Junge auf der anderen Seite des Planten musste noch warten, bis eine Englisch-Miss mit ihrer Laute im Unterricht auftauchte. PETE SEEGER begab sich dann in den Jahren 1963/64 auf eine große Tournee rund um den Globus und wenn mich meine Erinnerungen nicht trügen, machte er damals wohl auch in der kleinen DDR Station. Da hatte ich längst die ersten Griffe drauf und sang dazu „Blowing In The Wind“ und immer wieder „Clementine“.
In jenen frühen 1960er Jahren erlebt die Folk-Musik in Amerika, getrieben von Ungerechtigkeit und den Gräueltaten in Vietnam, eine starke Renaissance. Aus Folk wurde immer öfter Protest und der junge BOB DYLAN sowie JOAN BAEZ waren die Protagonisten der Bewegungen, denen das kleine Lied „We Shall Overcome“ (Wir werden triumphieren) zur Hymne wurde. PETE SEEGER trat für die Rechte der schwarzen amerikanischen Bevölkerung ein und wurde zeitweilig eine populäre Figur in der Arbeiterbewegung des Landes, der seine Überzeugung von Gleichheit und Brüderlichkeit mittels seiner Lieder, wie dem weltbekannten „If I Had A Hammer“ der WEAVERS, öffentlich machte. Das brachte ihm bei den Menschen rund um den Globus Achtung, Anerkennung und viel Verehrung ein. Auch vielen Menschen in der kleinen DDR, die seine Art zu singen, zu interpretieren und die Gitarre oder das Banjo zu spielen liebten, wurde er Vorbild und Inspiration, obgleich das ganz und gar nicht gern zur Kenntnis genommen wurde. Viele Singegruppen und Liedermacher, die in den 70er und 80er Jahren hierzulande bekannt wurden, nannten auch seinen Namen auf der Suche zum eigenen Profil. In meiner Erinnerung existiert ein Fernsehauftritt des Oktoberklubs Berlin gemeinsam mit PETE SEEGER und wenn man weiß, wer damals alles in dieser großen singenden Gemeinschaft eine künstlerische Heimat suchte, kann sich einen vagen Eindruck davon machen, wie tief sich bei späteren Liedermachern und Rockern diese Begegnung eingraben würde.
In den letzten Jahren war es still geworden um den großartigen Sänger und Barden aus Amerika. Irgendwann hatte ich ihn noch einmal live vor der Fernsehkamera gesehen und vor ein paar Jahren fand ich eine wunderschöne CD von ROGER McGUINN, dem ehemaligen Byrds - Mastermind. Der begann irgendwann, so wie PETE SEEGER einst auch, alte und längst vergessene Lieder zu sammeln. Zusammen mit Klassikern des Folk und Country veröffentlichte er einige von ihnen unter dem Titel „Tresures From The Folk Den“ auf kleinen Silberlingen als Erinnerung und als Hommage für all diejenigen, die sie einst schufen und Musiker, wie er selbst einer wurde, beeinflussten. Auch die eindringliche Stimme und die Gitarre von PETE SEEGER sind darauf zu hören, der als Vorbild sowie Inspiration, aber leise und bescheiden in der vergangenen Nacht, im Alter von 94 Jahren, für immer von der Bühne abgetreten ist. Dort werden ihn Millionen Menschen weltweit vermissen und ihm deshalb gedanklich ihre Ehre erweisen. Ich bin nur einer von ihnen.
Wenn dann heute Abend von den „Tresures“ das emotionale „Dink’s Song“ von BOB DYLAN aus der Sammlung von ROGER McGUINN mit der Stimme von Pete erklingt, wenn zwei meiner heimlichen Helden noch einmal für mich allein gemeinsam singen, werde ich vor den Boxen sitzen und jeden einzelnen Ton ganz tief in mir fühlen. Wer mich gut kennt und um meine große Liebe zu diesen Liedern aus Amerika weiß, wer meine Verehrung für PETE SEGGER und die BYRDS kennt, wird sicher auch verstehen, wenn ein älterer, aber trauriger Musikliebhaber dazu lächelnd weint:
“If I had wings like Noah's dove
I'd fly the river to the one I love
fare thee well, my honey, fare thee well” (“Dink’s Song”, Bob Dylan)
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
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