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INGO INSTERBURG - live, lustig & locker (auf'm Hocker)

in Konzertberichte 2019 und älter 10.01.2014 18:41
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Schrumpfgeigenlustgesänge mit Ingo Insterburg (09.01.2014)

Der Mann ist ein Unikum, ein grandioser Unterhalter, ein begnadeter Künstler und ein Frauenheld, wie man weiß. Er liebte die Mädchen in ganz Berlin, auch die „im Grundewald, bei der war immer die Bude kalt“, und die „in Tempelhof, die war sehr lieb, doch bischen doof“. Er liebte auch die Mädchen in Schweden, die es französisch konnten und nicht nur viel redeten. Manchmal waren es sogar gleich „Zwanzig Mädchen auf einmal“. Doch der Mann kann noch viel mehr, als seinen eigenen lieblichen Lobgesang auf den liebenden INGO INSTERBURG zu singen. Das wussten viele auch schon vorher, denn es gab ja bekanntlich das (West)Fernsehen und seine (West)Schallplatten hatten auch einige von der Oma. Natürlich waren INSTERBURG & Co. in den 1970er Jahren auch in der DDR Kult und quasi Pflichtprogramm, wenn es um gehobene Blödelei ging. Und wir haben oft, sehr oft geblödelt. Wir haben versucht, diesen verbalen Kunstquark mit Lachzwang nachzuäffen. Nur hatte ich ihn bisher noch niemals live auf einer Bühne erlebt, weder mit Co. noch allein. Das wollte ich unbedingt schon seit Ewigkeiten ändern. Die Vorstellung, dieser seltene Ingo würde mir mal das Lied von den „Kaulquappen im Ententeich“, einer meiner absoluten Kult-Klassiker, singen, musste unbedingt noch wahr werden.

Der Mann, der einige Jugendjahre Erfahrungen in Bernburg als DDR-Bürger mitnahm, wandte sich, als er in (West)Berlin angekommen war, den Künsten zu. Einige Zeit arbeitete er sogar mit Klaus Kinski, schaffte es als Gitarrist zu einer Solo-Platte, aber erst als er in KARL DALL, PETER EHLEBRACHT und JÜRGEN BARTZ auf drei schräg gewickelte Zeitgenossen traf, war auch die Gründung einer Klamauktruppe namens INSTERBURG & Co. nicht mehr zu verhindern. In den Jahren von 1967 bis 1979 strapazierten sie die Lachmuskeln und Zwerchfelle derjenigen, die bereit waren, für ihre skurrilen und abgefahrenen Blödeleien Geld auszugeben. Spätestens mit ihrer außergewöhnlichen Ballade „Ich liebte ein Mädchen“ waren sie in aller Munde und auf dem Höhepunkt angekommen. Wir haben damals jeden ihrer klug-doofen Sprüche auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft und gemerkt, alles stammt, so wie bei OTTO damals auch, aus dem prallen Leben und die Gürtellinie blieb stets, ganz in Gegensatz zu heutigen „Kommode-mens“, unangetastet. INSTERBURG war ein Pionier, sogar einer mit blauem Halstuch, das er nach eigener Aussage in Bernburg tragen durfte. Schäden hat er keine behalten und darüber bin ich sehr froh und glücklich, denn nur so konnte INGO INSTERBURG der werden, den die Kunstwelt staunen und die Fans glücklich macht – der komödiantischste und auch skurrilste aller musizierenden Kabarettisten.

Der Saal des Bürgerhauses in Bad Liebenwerda ist an diesem frühlingshaften Wintertag bis in die letzte Reihe gefüllt. Jeder Stuhl ist mit einer Autogrammkarte des Künstlers sowie eine kleinen Tüte Haribo-Bärchen garniert. Das lässt hoffen. Auf der Bühne sieht man allerlei Herumstehchen herum stehen, einiges auch auf einem langen Tisch im Bühnenhintergrund herum liegen. Ganz vorn ziert ein Mini-Schlagzeug, wahrscheinlich aus der Abteilung Liliputanien, die Bühne. Einige Instrumente liegen verstreut herum und in bunt bemalten Schachteln und Kästchen verbergen sich, zumindest vorerst, die wahren Schätzchen des Künstlers.
INSTERBURG ist, neben seiner Gabe als Künstler und Entertainer, ein überaus leidenschaftlicher Instrumentenbauer und Neu-Erfinder von Klangerzeugern, wie ich aus alten Fernsehsendungen des „Musikladen“ in Erinnerung habe. Einige von ihnen kann ich schon erkennen, andere verbergen sich noch in den bunten Schachteln, die jedem Antiquitätenladen zur Ehre gereichen würden. Kurzum, die Stimmung ist gelöst und dennoch ist vielen die Neugier und Erwartung anzusehen.

Ohne Spot und ohne Fanfare betritt ein weißhaariger Mann die Bühne, schlurft am langen Tisch entlang, überhört den Beifall und erklärt erst einmal, dass er jetzt seine Straßenschuhe gegen die viel nützlicheren Pantoffeln eintauschen müsse, um später besser Gitarre spielen zu können. Logisch, genau so und nicht viel anders hatte ich mir das vorgestellt. Noch ein Begrüßungsliedchen und schon ist der ganze Saal mit dem Lachvirus infiziert. Gerade habe ich mich von den ersten Lachanfällen erholt, da holt INGO INSTRERBURG seine selbst gebaute Schrumpfgeige heraus und danach die niedliche und noch kleinere Herz-Geige und singt doch tatsächlich mein Liedchen von den „Kaulquappen im Ententeich (die haben Füßchen nicht sogleich)“. Volltreffer!

Von nun an entführt dieser grauhaarige Schalk sein Publikum mit sicherer Hand von einem Reinfall zum nächsten. Da vorn wandelt ein scheinbar gedankenloser Typ, manchmal wunderbar vergesslich, über die Bühne, um grandios planlos seinen Merk-Zettel, nach dem er ständig schaut, abzuarbeiten, nicht ohne dabei einen Blick auf seine Uhr zu riskieren, ob er denn noch im Plan liege. Herrlich! Er philosophiert lyrisch über Schwangerschaft, Whisky und Rauchen – „ Raucher müssen draußen frieren“ - ebenso gekonnt, wie er in einer Ballade die „Elf Knöpfe“ an der Bluse besingt und sich mit einem weiteren Wunderinstrument dabei begleitet. Inzwischen kann ich mein Zwerchfell ganz gut spüren.

Alles sieht so wunderbar verquer, so scheinbar durcheinander und so federleicht aus, dass man schon gelegentlich geneigt ist, zu übersehen, dass da vorn ein genialer Musikus sein Spiel treibt. Der lang aufgeschossene Typ gleitet traumwandlerisch sicher zwischen locker 20 Instrumenten, die meisten selbst gebaut, hin und her, ohne wirklich spür- oder hörbar daneben zu greifen. Kunst kommt eben nicht von „Kunsting“, sondern von unermüdlicher Kleinarbeit, die dahinter steckt. INSTERBURG spielt, auf einem Barhocker sitzend und die Fidelbogen im Knie eingeklemmt, mit der rechten Hand einer Geige am Bogen entlang, während er mit dem rechten Fuß, den Gitarrensaiten zur Linken Akkorde entlockt. Dass er dazu auch noch singt, sei nur noch nebenbei erwähnt.
Sekunden später sitzt er am Schlagzeug, um seinen Müll-Blues mit Gitarre, Schlagzeug und Trompete verdammt authentisch stampfen zu lassen. „Bring doch mal den Müll runter“ ist für mich eine der großen Glanznummern und einfach nur köstlich.

Nach einer Pause, in der er fleißig Autogramme in sein Buch schreibt, lässt er dann die „höheren Künste“ und die „bessere Lyrik“, wie er meinte, auf uns einwirken. Er liest zwischen den Liedern Episoden aus seinem Buch und präsentiert Verse wie „Ein Mistkäfer schwamm in der Jauche“. Wir hören die Geschichte von der „Uschi auf dem Flohmark“ und feiern mit ihm noch einmal für drei Lieder das Weihnachtsfest. Schon lange habe ich mich nicht mehr derart köstlich amüsiert.

INGO INSTERBURG ist ein Unikum auf der Bühne, das traumwandlerisch sicher Stil-Sprünge im Spagat vollbringt. Als er letztendlich mit Rasseln, Kuhglöckchen und Klimperspielen, beinahe auf einem Bein stehend, singend über die Bühne tänzelt, ist der Saal nicht mehr zu halten und bei mir Muskelkater im Bauchbereich vorprogrammiert. Natürlich denkt man in solchen Momenten nicht im Entferntesten daran, dass INGO INSTERBURG im kommenden April seinen 80. (!) Geburtstag begehen wird. Sollte man aber nach zwei Stunden gehobener Blödelei auf einer Live-Bühne zumindest wissen. Auch dass er einst 20 Marathonläufe erfolgreich absolvierte. Im Grunde kann man dem Mann zu jeder seiner Einzeldarbietung, die jede für sich genommen ein Spiegelbild des Lebens en miniature ist, nur beglückwünschen.

Natürlich kommt, was kommen muss. INGO INSTERBURG schaut erst auf die Uhr, dann auf seinen Merk-Zettel und bemerkt, dass nun endlich „Ich liebte ein Mädchen“ dran sei, denn schließlich wären wir ja schon lange im Zugabenteil. Eigentlich ist mir jede Zeile dieses Liedes irgendwie im Bewusstsein hängen geblieben und so staune ich nicht schlecht, wie viele neue es inzwischen gibt. Selbst spanisch, italienisch und russisch singt er inzwischen, aber immer so, dass man auch merkt, worum es geht. Einfach genial und ein würdiger Abschluss des Abends. INGO INSTERBURG betont, jetzt endlich am Ende zu sein und wer noch bleiben möchte, könne ihm ja beim Wegräumen der Instrumente zusehen. Sprach es und begann mit den Aufräumarbeiten. Köstlich und der Saal blieb zunächst auch sitzen!

„Erst wenn mir einfällt nie mehr ein Reim, such’ ich mir ein schönes Altersheim“, hatte er zu Beginn des Abends gesagt. Mag’ sein, dass viele seiner Reime, Verse und Zeilen schon älter als alt sind. Sicher ist aber auch, dass kein einziges Wort an Gültigkeit und Gehalt verloren hat und außerdem kann ich mir so überhaupt gar nicht vorstellen, dass diesem Schalk keine neuen Ideen mehr kommen, wie er mit einem kleinen Seitenhieb auf Angela Merkel unter Beweis stellt. Das Altersheim kann und muss also noch auf INGO INSTERBURG warten, denn dort gehört er bestenfalls für zwei Stunden und nur als Entertainer hin. So viel abgefahrene und lustvolle Freude am Leben, da wollte ich unbedingt eine dicke Scheibe abhaben. Ich habe sie mir mitgenommen und werde sie bei Bedarf wieder herausholen, um mich an den Schrumpfgeigenlustgesängen und Fußgitarrensoli von INGO INSTERBURG aufzutanken.

Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 10.01.2014 18:42 | nach oben springen


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