Ray Manzarek „Carmina Burana“, 1983 (22.11.2013)
Als sich CARL ORFF im Jahre 1935 daran machte, 24 ausgewählte Texte der CARMINA BURANA, in lateinischer und mittelhochdeutscher Sprache zu einem Libretto zu formen und zu vertonen, hatte er von moderner Rockmusik des 20. Jahrhunderts natürlich keine Vorstellung. Er wollte einfach nur Aussagen zur Vergänglichkeit des Lebens, über die Formen des menschlichen Glücks und die Natur in einem einzigen Stück Musik und zum Klingen bringen, so meine simple Deutung der vollständigen Vertonung alter Texte. Der Schöpfer selbst wählte dafür die Bezeichnung einer szenischen Kantate.
Das Werk wurde 1937 erstmals aufgeführt und avancierte zu einem der bekanntesten Stücke ernster Musik des vergangenen Jahrhunderts und löste zugleich heftige Diskussionen über das Für und Wider dieser „entarteten Musik“ und der „undeutschen Texte“, vor allem in der Zeit des Faschismus, aus. Die Musik hat das alles überstanden und ist Bestandteil der musikalischen Weltliteratur geworden. Allen voran der wuchtige Chorgesang von „O Fortuna“, den die meisten mit diesem Werk von CARL ORFF in Verbindung bringen.
Was wohl den wenigsten bekannt sein dürfte, ist die Bearbeitungen der „Carmina Burana“ durch RAY MANZAREK, den leider schon verstorbenen Keyboarder der legendären DOORS. Wer den Musiker nur aus dieser Ecke durch die Klassiker der Band, wie „Light My Fire“ oder „Riders On The Storm“, kennt, der wird mit dessen Bearbeitung des Orff’schen Werkes hörbares Neuland betreten. Das Einschmelzen der klassisch wirkenden Musikstrukturen in die Spiel- und Klangwelt moderner Rockmusik wird dann zu einer neuen Erfahrung beim Hören der Platte aus dem Jahre 1983. Zu erleben, wie Gedichte des 13. Jahrhunderts durch die Klänge von Rockmusikern, die vielleicht als die modernen Vertreter der wandernden Dichter und Spielleute gelten können, im 20. Jahrhunderts lebendig werden, ist durchaus erstaunlich einerseits, aber auch sehr vertraut wahrzunehmen, andererseits.
Die Bearbeitungen durch Ray MANZAREK empfinde ich noch immer als sehr intensives Hörerlebnis und, wenn man so will, durchaus spirituell und inspirierend in der Wahrnehmung. Hinzu kommt sicher auch, dass diese Platte von 1983 damals viele junge Menschen auf das Werk von CARL ORFF erst aufmerksam machte, so wie es Emerson, Lake & Palmer Jahre zuvor schon mit den „Bildern einer Ausstellung“ von Modest Mussorgski geschafft hatten. Beide, die „Bilder“ und die „Carmina“, gelten inzwischen als ernst zu nehmende zeitgenössische Interpretationen ihrer Originale, weil sie die alten Tonschöpfungen in das neue Verständnis moderner Klänge übertragen. Dies macht für mich den Wert dieser 30 Jahre alten Scheibe von RAY MANZAREK aus und sie ist auch einer der schönen Gründe, weshalb ich bis heute dem Hören von Rockmusik in ihren vielfältigen Spielarten „verfallen“ bin. Wer also in der besinnlichen Vorweihnachtszeit mal vom Dudelradio und Chart-Abfall der Musikindustrie weghören möchte, sollte sich vielleicht die Zeit und Muse nehmen, beiden Versionen der „Carmina Burana“ nacheinander zu lauschen. Es sind „Eure Lieder“, so die Übertragung aus dem Lateinischen, die ihr dann zu hören bekommen werdet und Genuss wird garantiert sein.