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Fidelbogen, Geigenhans & Weihnachten im Teichhaus 17.12.2011

in Konzertberichte 2019 und älter 01.05.2013 08:09
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Weihnachtsgeiger – Spagat zwischen Dave Arbus und J. S. Bach ( 17.12.2011 )


Endlich Winter so kurz vor dem Weihnachtsfest. Die Luft ist frisch und klar und der Schnee liegt festgefahren auf den Landstraßen. Der Winterdienst hat geschoben, aber zum Glück keine Lauge versprüht. So fährt es sich angenehm auf dem festen Schneeband über die Hügel bis hin zum „Alten Teichhaus“, das gut verschneit zwischen den anderen Häusern steht. Drinnen ist es warm, sehr warm und ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum empfängt jeden Besucher, der an diesem Abend zum Weihnachtskonzert erscheint. –
Schön wär’s, doch leider alles Wunschdenken. Bis auf den Weihnachtsbaum, der im „Alten Teichhaus“ inmitten der wohligen Wärme leuchtet. Die „rockende Geige“ namens Hans hat zum Konzert vor dem Weihnachtfest geladen und die Besucher strömen, bis der kleine Saal im Traditionsgebäude voll ist. In diesem molligen Umfeld kommen alle schnell auf Betriebstemperatur und so ist überall das Gewirr von Stimmen zu hören und mittendrin immer wieder lautes Lachen. Die Stimmung ist aufgekratzt, denn dies hier ist ein Treff von Freunden, die sich schon lange, manche sehr lange, nicht mehr gesehen hatten. Ich nenne so etwas „Lebensgefühl Rockmusik“ und die vielen Gespräche der Fans darüber werden sich bis über die Mitternachtsstunde hinaus ziehen. In ihnen geht es um ausgelassen agierende Ladies, denen der Rockgeiger mit Musik und Späßen die Zeit in einem Seniorenheim verkürzen durfte, um so manche unfreiwillige Konzerteinlage auf den Bühnen des Landes oder gar um das Kochwunder in Sachen Gulasch oder Hecht, das in so einem Musiker verborgen lauert.

Wenn man selbst als Kind viele Jahre lang versucht hat, einer Violine wohlklingende Töne zu entlocken, dann entwickelt man zwangsläufig ein besonderes Verhältnis zu diesem Instrument. Liebe ist es bei mir erst geworden, da hatte ich meine Geige schon längst in die Ecke gestellt und gegen die sechs Saiten einer Gitarre eingetauscht. Erst als meine persönliche Beatlemania vorüber war und eine Mischung aus Klassik, Jazz und Blues das rockmusikalische Spektrum erweitert hatte, begriff ich bei der Musik von East Of Eden, Flock, Kansas, Curved Air oder Steeleye Span, beim Spiel eines Dave Arbus, Jerry Goodman, Darryl Way oder Dave Swarbrick, was mir da durch die Finger geglitten war. Seitdem fasziniert mich das Spiel einer Violine im Soundgewand der Rockmusik und „Hans die Geige“ war der erste in meinem Leben, der es mir live vormachte; mit der Schubert Band, Kleeblatt, mit Magdeburg und als Solist in der Elsterwerdaer „Stube“ sowie nachts in meiner Küche. Seiher treffen wir uns immer mal wieder irgendwo sporadisch und gestern beim Teichhauswirt war mal wieder so ein Abend.

Als dann weihnachtliche Klänge den Beginn verkünden, sitze ich (noch) nicht, wie sonst erstrebt, in der ersten Reihe, sondern genieße die ersten Konzertminuten und die Melodie vom „Little Drummer Boy“, die alte Weise vom kleinen Trommler, der kein Geschenk außer einen Moment des Innehaltens bei seinem Trommelspiel zu bringen vermag, aus den hinteren Reihen. Kaum ein Lied ist für mich derartig intensiv mit dem Weihnachtsfest verbunden, wie dieses. Ebenso wie das „Ave Maria“ und sein erstes „Klassik I“, spielt Hans die Kansas-Nummer „Dust In The Wind“ live schon so lange, wie ich ihn kenne. Nur das Kinderlied vom kleinen „Schneemann“ war mir neu und die Überraschung perfekt, als seine Partnerin Dani singender Weise nach vorn kam. Dieser vorweihnachtliche Clou war gelungen und eine weiterer sollte noch folgen.

Zwischendurch erweist sich der geigende Rocker, dessen Haupthaar länger als das Rosshaar seines Fidelbogens über die Schulter wallt, als fröhlicher Plauderer und Anekdoten-Erzähler. Mit seiner rauen Stimme leitet er den Chor der Besucher durch die Melodie von „Als ich fortging“, um danach mit seiner eigenen Version des Cocker-Klassikers „Up Where We Belong“ zu begeistern. Dennoch gefällt er mir immer dann am besten, wenn ich einfach nur, so wie bei „Irish Eyes“ oder dem Song vom „Boxer“, dem puren Klang seiner Geige lauschen kann. Dann spüre ich, wie er bei „Klassik II“ und „III“ mit den Tönen verschmilzt und seine Seele die Saiten via Bogen streichelt. Dann ist er nur noch Geiger, nicht Rocker und nicht Sänger, nur noch der Mann und seine Violine. Das sind jene Augenblicke, wo ich manchmal still für mich bedaure, den Bogen aus der Hand und die Geige in die Ecke gelegt zu haben. Ganz besonders dann, als er zum Schluß die in Melancholie schwelgenden „Nächte in weißem Satin“ der Moody Blues auferstehen und mich erschaudern lässt.

Es wird spät an diesem Abend, um nicht zu sagen, schon früh. Niemand hat es gemerkt, denn wir haben gequasselt, gewitzelt und gelacht und „Ha’m die Hälfte E’md Erledigt“, wie es spontan aus ihm heraus platzte. Genau so, wie vor über 30 Jahren, als wir beide noch einige Kilo jünger und ein paar Haarsträhnen voller waren. Nur seine Liebe zur Musik, zum Touralltag und seinen Fans, die ist noch immer so geblieben und genau dieses Gefühl, Kunst und keine Künstlichkeit erlebt zu haben, das hab’ ich mir als sein Geschenk mit in die Festtage genommen. Danke dafür, mein Hans und Geigenfiedler!

Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 26.12.2016 12:22 | nach oben springen


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