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Talkshow mit Musik zu 60 Jahren AMIGA am 15. April 2008 im Societätstheater zu Dresden
Talkshow mit Musik zu 60 Jahren AMIGA am 15. April 2008 im Societätstheater zu Dresden
in Konzertberichte 2019 und älter 13.06.2020 12:24von Kundi • | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte
Ich bin wieder mal in den Keller meiner Festplatte geklettert, um nach alten Schätzen zu buddeln. Dabei bin ich fündig geworden. Die heutige Seite aus meinem persönlichen Muggenpilger-Geschichtsbuch ist datiert vom 15. April 2008 und dort hatte ich meine Gedanken zu Talkshow mit Musik zu 60 Jahren AMIGA im Societätstheater zu Dresden niedergeschrieben. Nun ist der hübsch aufbereitete Konzertbericht endlich auch hier zu finden. Gastgeber Jörg Stempel, Jäcki Reznicek als Talkgast und der für den musikalischen Rahmen zuständige Thomas Putensen bereiteten uns gemeinsam einen sehr interessanten Abend.
Bitte beachtet bei den Zeitangaben im Text, dass sie den unveränderten Stand von damals haben. Auch wenn dieser Bericht sich etwas unbeholfen liest und die Fotos ebenfalls nicht so toll sind, so sind es doch genau solche Erlebnisse, Gefühle und Eindrücke, die unbedingt zu meinem Muggenpilger-, Konzertnomaden und Konzertgänger-Leben gehören. Vielleicht mögen sich ja auch einige Leserinnen und Leser mit mir erinnern. das war übrigens die Veranstaltung, in welcher unsere Mary die ersten "Verrückten" von uns kennen lernte. Petra hatte da nämlich wieder großartig die "Werbetrommel" gerührt.
Im vergangenen Jahr feierte das älteste deutsche Plattenlabel AMIGA seinen 60. Geburtstag. Das wurde mit vielfältigen Veröffentlichungen und Aktionen gefeiert. Unter anderem wurden mehrere AMIGA-Boxen veröffentlicht. Einen großen Anteil an der jüngeren AMIGA-Geschichte hat Jörg Stempel.
Dieser Mann hat viel zu erzählen und das tut er auch ausgiebig auf Tour in verschiedenen Städten bei Talk-Abenden mit Gästen.
Am 15.04.2008 fand eine dieser Veranstaltungen in der sächsischen Landeshauptstadt statt. Bei trüben, regnerischen Wetter machten wir uns auf den Weg ins Societaets-Theater Dresden. Die grobe Richtung war uns ja klar, aber es dauerte dann doch eine Weile das versteckt gelegene Theater zu finden.
Als wir dort eintrafen, waren nur wenige Gäste gekommen. Darunter waren aber dankenswerterweise einige liebe Bekannte.
Es mögen am Ende etwa 40 zahlende Besucher gewesen sein, welche die Veranstaltung besuchten. Ob es am miesen Wetter lag oder daran, dass es an einem Wochentag war? Ich habe keine Ahnung, aber wer nicht dort war, hat echt etwas verpasst.
Auch wenn der Staat DDR untergegangen ist, unsere Erinnerungen und Lebensläufe sind es nicht. Das gilt auch und ganz besonders für die Musik unserer Jugend. Es sind Lieder, welche uns geprägt haben und die uns auch lebenslang begleiten.
Hier kommen AMIGA, Jörg Stempel, Thomas Putensen und diese Talkshow-Reihe ins Spiel. Das Jahr 2007 war ja das Jubiläumsjahr. Es galt 60 Jahre AMIGA zu feiern. Stempel und Pute reisen seit vergangenen Jahr durchs Land und präsentieren mit wechselnden Gästen diese interessante Talkshow mit Musik.
Die staatliche Schallplattenfirma AMIGA war das Label, welches Tanz- und Unterhaltungsmusik auf Tonträgern (anfangs nur Schallplatten, in späteren Jahren auch bespielte Musikkassetten) veröffentlichte. Im Gegensatz zu den heute üblichen CDs, welche digitale Tonträger sind, waren Schallplatten analoge Tonträger. Weil ich die Wikipedia-Definition von Schallplatte so putzig finde, schiebe ich sie hier gleich mal als Zitat ein: „Eine Schallplatte ist eine in der Regel kreisförmige und meistens schwarze Scheibe mit einem Mittelloch, deren beidseitige Rillen als analoge Tonträger für Schallsignale dienen.“ Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Schallplatte
AMIGA wurde im Jahr 1947 vom bekannten Arbeitersänger Ernst Busch gegründet. 1954 wurde das Label verstaatlicht und Bestandteil des VEB Deutsche Schallplatten Berlin. AMIGA existierte eigenständig bis 1994. Heute gehört die Marke AMIGA zu Sony Music Entertainment (zuvor BMG). BMG hatte damals nach etwas mehr als ein Jahr den Kaufpreis für den AMIGA-Backkatalog schon wieder rein. Unter diesem Markennamen wurden und werden die Tonträger aus DDR-Zeiten wiederveröffentlicht und das sehr erfolgreich.
Als Experte, Bewahrer und Verwerter dieses Erbes hat sich Jörg Stempel verdient gemacht. Er begann seine Karriere zu DDR-Zeiten bei AMIGA/VEB Deutsche Schallplatten und er arbeitet auch heute noch in AMIGA-Angelegenheiten mit Sony Music Entertainment zusammen. Dieser Mann kann viel erzählen und einiges erzählt er uns in seinen Talkshows.
Der Abend begann mit einem Einspieler von der Konserve. Zur Einstimmung erklangen die legendären Sputniks. Dann nahm Mister AMIGA, also Jörg Stempel, auf der Bühne Platz und begann locker über AMIGA und seinen damit verbundenen Lebensweg zu plaudern.
So erfuhr man zum Beispiel für welchen Preis AMIGA damals an BMG verkauft wurde und dass der Kaufpreis sich unheimlich schnell bezahlt gemacht hat (siehe ein paar Zeilen weiter oben). dabei wurde der weitaus größere Teil des Verkaufs- und Gewinnerlöskuchens wieder im Osten gemacht. In den alten Bundesländern interessieren viele unserer Schätze keinen, von den schon zu DDR-Zeiten im Westen bekannten Bands wie PUHDYS, KARAT, CITY usw. mal abgesehen.
Ebenso interessant war es zu hören, was es mit der Auflage, der bei AMIGA erschienen Lizenzausgabe der BAP-LP "Vun drinne noh drusse" auf sich hatte. Das Album ging in der DDR öfter über den Ladentisch als die Lizenzvereinbarung vorgab. BAP-Frontmann und Kopf Wolfgang Niedecken sagte dazu mal sinngemäß, dass er die DDR-Ausgabe der LP "Vun drinne noh drusse" nach der Wende gefühlt 800 000 Mal signiert hat.
Auch plauderte Jörg Stempel über die Nachwende-Zusammenarbeit mit Manfred Krug, aus der 3 CDs hervorgingen.
Die Talkshow war kurzweilig und unterhaltsam. Stempel plauderte locker, charmant und kompetent über sein AMIGA-Leben. Dabei hatte ich mehr als ein Aha-Erlebnis. Klar ist aber auch, dass der Mann uns (noch?) nicht alles verrät. Für einige Wahrheiten ist die Zeit sicher noch nicht reif. Aber ohne Stempel hätten wir in den letzten Jahren wohl so manche CD mit AMIGA-Mugge nicht erwerben können. Er hat einfach das Wissen und das Gespür, welche Musiker/Alben bei uns noch ankommen, weil er auch hier im Osten groß geworden ist.
Die Show wurde musikalisch von Thomas Putensen am Klavier begleitet. Viele von uns kennen ihn vor allem als Schauspieler aus dem DEFA-Film „Ete und Ali“ aus dem Jahr 1985. Er spielte damals an der Seite von Jörg Schüttauf (in der Rolle des Ete) den Ali. Dabei ist er auch ein sehr guter Musiker, der zum Beispiel auch durch Interpretationen von Pionierliedern aus der DDR Furore machte.
Treffsicher wählte Pute im Societätstheater bekannte Melodien aus dem untergegangenen Land vor unserer Zeit aus. Es war schnell zu merken, dass er damit den Nerv seiner Zuhörer genau getroffen hatte. Das Publikum war bereit und willens, sich auf die musikalische Zeitreise entführen zu lassen.
Spätestens als Putensen bekannte Kinderlieder wie "Uns're Heimat" und das "Matrjoschka-Lied" ("Wie ein Brot so dick und rund, wie die Blumen lustig bunt...") interpretierte, war das Eis auch beim letzten Gast gebrochen. Textsicher wurden diese Lieder mitgesungen. Dabei hatte sicher jeder seine eigenen Erinnerungen.
Putensen ist der geborene Entertainer, pfiffig und schlagfertig lieferte er sich mit Stempel den einen oder anderen humorvollen Schlagabtausch. Das machte mir als Zuhörer richtig Spaß.
Musikalisch breit gefächert spielte er an diesem Abend auf dem Klavier unter anderem Stücke von Silly, Pankow, Manfred Krug und auf Zuruf aus dem Publikum zum Beispiel die Titelmelodie des DEFA-Filmes "Solo Sunny", welches im Original damals von Regine Doberschütz gesungen wurde. Mit seiner humorvollen Art, seiner markanten rauchigen Stimme und seinem explosiven Klavierspiel begeisterte Putensen nicht nur mich.
Als Talk-Gast hatte sich Jörg Stempel an diesem Abend keinen geringeren als den gebürtigen Dresdner Hans-Jürgen „Jäcki“ Reznicek eingeladen. Für den geborenen Dresdner Reznicek war das ein Heimspiel und entsprechend wohl fühlte sich der Ausnahme-Bassist auch in dieser Runde. In lockerer Atmosphäre plauderte man abwechselnd über den Lebensweg von Jäcki und über die AMIGA-Geschichte. Selbstverständlich gab es dabei auch diverse Schnittpunkte.
Reznicek ließ sich auf das humorvolle Wortgeplänkel mit Jörg Stempel ein und fast nebenbei erfuhr man sehr viel aus dem Leben eines erfolgreichen Musikers, der übrigens auf vielen, vielen AMIGA-Alben den Bass einspielte.
So erfuhren wir, dass Jäcki seine ersten Schritte in Lockwitzer Schülerbands unternahm. Außerdem wurden die vielen weiteren Karriere-Stationen Reznicek's etwas näher beleuchtet, angefangen von der Klaus-Lenz-Bigband, über die Vroni Fischer Band und die daraus entstandene Band 4 PS, EAST BLUES EXPERIENCE bis hin zu seinen bekanntesten Stationen, die da PANKOW und SILLY heißen.
Völlig vorbei gegangen an mir ist beispielsweise damals, dass Jäcki Reznicek einige Jahre Bassist bei King Køng, der Alternativ-Band um Farin Urlaub (ja, genau der von "Die Ärzte") war. Reznicek braucht und liebt die Abwechslung, deshalb arbeitet er gerne mit anderen Künstlern, wie zum Beispiel Barbara Thalheim oder Joachim Witt zusammen.
Außerdem ist er Professor an der Hochschule für Musik "Carl-Maria von Weber" in Dresden und hat schon einige Basslehrbücher geschrieben und veröffentlicht.
Jäcki erzählte auch über seine jahrelange Zusammenarbeit mit der Firma Warwick, die bisher darin gipfelte, dass Jäcki Reznicek einen eigenen Bass entwerfen durfte, der exklusiv und nummeriert bei der Firma für schlappe 5000 bis 7000 Euro (je nach Ausstattung) bestellt werden kann. So ein Signature-Instrument erhält nicht jeder Musiker. Es ist eine hohe Auszeichnung und eine Ehre, so ein Instrument entwerfen zu dürfen. Reznicek besitzt den Bass mit der Nummer 1, die Nummer 0 steht bei Warwick. Dieses Instrument kann in der Firma bestellt werden und wird dann sofort für den jeweiligen Auftraggeber gebaut.
Stempel kitzelte gekonnt die Informationen aus Jäcki heraus und hatte auch sichtlich Spaß daran. Außerdem band er das Publikum ständig in die Talk-Runde ein und reagierte sofort auf die Fragen aus dem Publikum heraus.
Ein weiteres Highlight war das Liederraten, welches Thomas Putensen mit Jäcki Reznicek veranstaltete. Er schlug eine Taste auf dem Klavier an und Jäcki sollte raten, um welchen Beatles-Klassiker es sich dabei handelt. Außerdem hat "Pute" es sogar geschafft, Jäcki an der einen oder anderen Stelle zum Mitsingen zu bewegen.
Nach rund 2 Stunden war die unterhaltsame Geschichtsstunde leider schon vorbei.
Doch alle 3 Protagonisten des Abends standen den Gästen dann noch für ein nettes Gespräch und/oder Autogramm zur Verfügung.
Es lohnt sich auf jeden Fall, so eine Veranstaltung mit Jörg Stempel und Gästen zu besuchen.
Gruß Kundi
RE: Talkshow mit Musik zu 60 Jahren AMIGA am 15. April 2008 im Societätstheater zu Dresden
in Konzertberichte 2019 und älter 13.06.2020 19:47von Mary • | 327 Beiträge | 726 Punkte
Genau DORT habe ich Euch, den "Club der Verrückten" vom Bühnenrand, kennen gelernt. Dank Petra wurde ich ein Teil von Euch
Warum ich vor allem dort war, ich verehre Jäcki, den Dresdner Bassprofessor...
und wie er zu seinem ganz persönlichen Bass kam, habe ich natürlich festgehalten. Wenn auch in furchtbarer Qualität.
Ich setze den Link hier ein und weiß, Kundi muss wieder eingreifen. Tut mir leid, ich krieg das nicht hin.
Das Video wurde am 14. Juni 2020 gegen 00:01 Uhr durch Admin. Kundi ordnungsgemäß eingebunden
"Ihr lacht weil ich anders bin. Ich lache, weil Ihr alle gleich seid."
Kurt Cobain
RE: Talkshow mit Musik zu 60 Jahren AMIGA am 15. April 2008 im Societätstheater zu Dresden
in Konzertberichte 2019 und älter 14.06.2020 08:20von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Auch ich war damals schon Mitglied bei den "Glorreichen Sieben" und habe mir nach der Veranstaltung die Signaturen von Jäckie, Pute und Stempel ins Doppel-Buch "60 Jahre Amiga" schreiben lassen, in dem auch ein Foto von POND (mit mir) von 1979 zu finden ist. Zehn Jahre später war ich dann bei "70 Jahre Amiga" in Bernburg dabei und habe dort nach langer Zeit endlich wieder einmal die Lütte begrüßen dürfen. - "Where have all the good time gone" (Kinks)??
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