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Crosby, Stills & Nash - im Gewitterregen der "Jungen Garde"
Crosby, Stills & Nash - im Gewitterregen der "Jungen Garde"
in Konzertberichte 2019 und älter 21.06.2013 19:22von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Crosby, Stills & Nash – Gesangsakrobatik im Gewitterregen ( 20.06.2013 )
In meiner Jugend habe ich wahnsinnig viel und gern Musik gehört, denn es gab tatsächlich so etwas wie ein Überangebot exzellenter Künstler und Bands, das ich heute so sehr vermisse. Gern erinnere ich mich an die amerikanischen BYRDS und ihre vom Folk, Country und Rock inspirierten Songs, die so einzigartig waren. Die Lieder der englischen HOLLIES waren stets von oft eingängigen Melodien und besonderen Ideen geprägt und BUFFALO SPRINGFIELD kreierten schon sehr früh komplexe Songs mit überraschenden Harmonien. Allen drei Gruppen jener Jahre ist gemeinsam, dass ihr Klangbild von außergewöhnlichen Musikerpersönlichkeiten geprägt wurde, deren Wirken sich letztlich nicht nur auf die Bands, sondern weit darüber hinaus nachvollziehen lässt. Wenn dann solche Stars gemeinsam daran gingen, ein Projekt zu starten, konnte man, wie im Falle von zum Beispiel CREAM in England, sicher sein, auch außergewöhnliche Musik dargeboten zu bekommen. Genau das traf für die 1968 im Hause von „Mama“ Cass Elliott (siehe: Mamas & Paps) gegründete Formation zu, die sich anschickte, Rockgeschichte zu schreiben: CROSBY, STILL & NASH.
Ihr Auftritt beim Woodstock-Festival im heißen Sommer 1969 ist legendär und vor allem ihr zweites Album „Deju Vu“, bei dem das Trio erstmals durch NEIL YOUNG zum Quartett erweitert wurde, ist ein anerkannter Meilenstein und etablierte die vier Herren David CROSBY, Steven STILLS, Graham NASH und Neil YOUNG als stilprägende Rock-Gruppe, deren Einfluss man bis heute leicht nachspüren kann. Falls der Begriff vom Superstar eine Berechtigung hat, sollte man ihn im Falle dieser Herren unbedingt anwenden, denn ohne deren Musik, hätte die Rock-Historie eine gewaltige Lücke.
Auf dem Weg zur „Jungen Garde“ in Dresden presst mir die stickige Sommerschwüle den Schweiß aus allen Poren. Zwar sind, versteckt hinter den hohen Baumwipfeln, sich auftürmende Wolkenberge zu entdecken, aber wer gibt schon bei diesem Wetter etwas auf Wolken? Der Wetterbericht jedenfalls hatte gemeint, Sachsen und Brandenburg würden an diesem Abend locker trocken bleiben. Genau so bin ich auch ausstaffiert und alle, die in die „Garde“ hinein wandern, auch. Als Horde langsam in die Jahre kommender Hippies und älterer Blumenkinder, könnte man meinen. Hier fühle ich mich wohl, während mir das erste Getränk beim Schwitzen hilft. Aus den Boxen dröhnt Instrumentalmusik aus jener Zeit, als (wir) Hippies noch jung waren.
Nachdem der finale Akkord von „A Day In The Life“ verklungen ist, betreten sie, beinahe pünktlich, die Bühne der „Jungen Garde“ und GRAHAM NASH begrüßt alle mit dem obligatorischen „Hallo Dresden!“. Dabei kommen viele, so wie mein Freund und ich, gar nicht aus der Stadt. Ich nehme es mit einem Lächeln, denn der vertraute Sound aus einem „Deja Vu“ (1972) erreicht meine Ohren und so stehe ich da vorn und grinse den CROSBY mit seinem schlohweißen Haar an, das der Wind um seinen Kopf wirbelt. Die drei Gitarren, plus eine vierte im Hintergrund, zirpen und scheppern und man spürt deutlich, im Vergleich zum Crosby & Nash - Konzert im Oktober 2011 im Berliner Admiralspalast, dass die Gitarre von STEVEN STILLS den Sound kompakter und deutlich rockiger macht. Die Harmonien von „Carry On“, wie man den Sound aus „Deja Vu“ seit Jahrzehnten kennt, strömen in die von hohen Bäumen gerahmte Arena und den drei Sängern vor mir ist die Freude in ihre Gesichter geschrieben. STEVEN STILLS tritt vor zur Bühnenkante und unter dem lauten Jubel der Massen, dürfen wir sein erstes Solo des Abends genießen. Weitere werden folgen.
Wir bekommen den stampfenden „Marakesh Express“ zu hören und erinnern uns alle gemeinsam an „Long Time Gone“ und damit an unsere bewegten Jugendjahre. Inzwischen ist die schwüle Luft beinahe mit Händen zu fassen und GRAHAM NASH lässt sich zynisch zu der Bemerkung hinreißen, ein amerikanischer Präsident hätte gesagt, dass es ja keine globale Erwärmung gäbe. Sprach’ es, setzt sich an sein Piano und lässt aus den Tasten mit „ Our House“, die nächste zauberhafte Nummer aus „Deju Vu“, erklingen.
Wenn STEVENS STILLS auf der Bühne steht, sollten Melodien von BUFFALO SPRINGFIELD nicht weit sein. Es ist schon erstaunlich, dass sich die typischen Klänge der Bands jener Jahre noch immer so wahnsinnig frisch und auch irgendwie stolz anfühlen und „Bluebird“ ist ohnehin eine Hymne, wie sie nur selten geschrieben wurden. Seine Stimme klingt, so meine ich zu hören, inzwischen etwas rauer, was ich durchaus als angenehm empfinde. Sein Spiel auf der Gitarre ist über jeden Zweifel erhaben und wie zur Bestätigung folgt die nächste Solo-Einklage vorn am Bühnenrand. Es fühlt sich an, als wäre noch immer „Summer Of 69“, wie ihn Brian Adams besingt. Inzwischen sitze ich wieder mitten im Auditorium und fühle mich sauwohl bei dieser Musik.
Langsam senkt sich der Abend über das Rund, die Luft ist schwül und vielleicht auch von den Emotionen aufgeheizt und genau in diese, von Erinnerungen und Gefühlen dominierte Stimmung, erklingt „Teach Your Children“. Es wäre Zeit, die kleinen Lichter zu schwenken, sich in den Armen zu liegen oder einfach nur, so wie ich, den verinnerlichten Refrain mitzusingen. Herz, was willst du eigentlich mehr?!
Die drei Herren ihrerseits gönnen sich „a short breack“, doch irgendwie muss das irgendwer da oben völlig missverstanden haben. Die dicken dunklen Wolken sind jetzt genau über dem Areal der Anlage und hinter den Bäumen, die sich heftig im Wind wiegen, sieht man schon das Leuchten der Blitze. Erst noch vorsichtig, dann immer heftiger, beginnt es zu regnen. Ich bin gewappnet, ziehe die Kunsthaut über und dann beginnt es wirklich wie aus Eimern und Badewannen zu schütten, was eine Stimme aus dem Hintergrund zu der Ansage verleitet, wir mögen bitte warten, uns unterstellen und wenn alles vorüber wäre, würde das Konzert fortgesetzt. Entsprechend die Reaktionen der Dresdner und Gäste, die ja allesamt mit viel Wasser ganz gut umzugehen verstehen. So bleibt den Musikern und den drei Superstars da vorn nichts weiter, als den Gig bei strömenden Regen, so wie damals im Schlamm von Woodstock, fortzusetzen.
Einstmals gab es hierzulande eine Combo namens Alexanders und im Radio konnte man deren schöne Ballade von der „Hoffnung“, mit der Stimme von Herbert Dreilich, hören. Heute Abend nun endlich auch live und in Farbe das Original „Helplessly Hoping“ von CROSBY, STILLS & NASH, das ebenfalls aus dem Sommer 1969 stammt. Was für ein Gefühl, die drei alten Barden dieses so sehnsuchtsvoll und schwermütig klingende kleine Liedchen singen zu hören. Sie können es noch immer und beinahe würde ich meinen, noch besser.
Gemeinsam graben sie auch die alte Dylan-Nummer „Girl From The North Country“ aus und durch den Regenvorhang und meine beschlagenen Brillengläser hindurch wirkt das Szenario gerade wieder wie ganz weit weg, fast unwirklich. Nur die nassen Füße und das plätschernde Wasser behindern meine Tagträume ein wenig , in die hinein GRAHAM NASH ein neues Lied, inspiriert von religiös motivierten Selbstverbrennungen im fernen Osten und Asien, ankündigt. Der Song „Burning For Buddah“ hat einen brandaktuellen Text und schließt klanglich nahtlos an die Klassiker an, von denen sie mit „Almost Cut My Hair“, gesungen von DAVID CROSBY, sogleich einen folgen lassen. Auch der Titelsong der „Deju Vu“ erklingt und all die Melodien kommen mir vor, als hätten sie diese vier Jahrzehnte gar nicht auf dem Buckel. Sie sind wunderschön anzuhören, sind zeitlos gültig und außerdem noch immer Messlatte für vieles, was man uns heute als Musik vorsetzen möchte. Deshalb kommt bei mir heute auch immer weniger wirklich an.
Das Regenfinale von Dresden, bei dem man die Musiker nur noch durch nasse Bindfäden, die vom Himmel zu hängen scheinen, erkennen kann, bildet, sofern der Regen meine Birne nicht aufgeweicht hat, die Rock-Suite „Judy Blues Eyes“, die sie dereinst aus bestimmten Gründen der Sängerin Judy Collins gewidmet hatten. Es ist das tosende Finale der Stimmen und fein gesponnenen Harmonien. Wir erleben das finale Solo des Gitarristen STEVEN STILLS, der seiner Akustik-Klampfe Töne entlockt, die nicht aus diesem Leben zu kommen scheinen. Was für ein Klang, was für ein Groove und welch wunderschönen Inspirationen stecken in diesen Momenten. Wenn diese Gitarre und die perfekte Vokalakrobatik von CROSBY, STILLS & NASH eine Melodie formen, wird meist eine Hymne daraus. Gefühlt und dem Regen trotzend ist dieser Abend ein einziges Opus, allerdings und gerade wegen des Regens, viel zu kurz. Da hätten die in den Pfützen sich wiegenden Körper durchaus noch zwei oder drei Songs mehr vertragen können und die Herzen der oft weit angereisten Fans erwärmen dürfen.
Vor der Bühne wiegt sich im strömenden Regen ein Meer von Köpfen. Die meisten ohne Schirm und Plane und deshalb, wie die beiden Ladies vor mir, pitschenass, aber glücklich. Wer diese Tour verpasst hat, muss wohl sehr viel Glück haben, wenn er dieses Erlebnis der Superlative, kühlende Regendusche inbegriffen, noch einmal haben möchte. Der glasklare Harmoniegesang der drei Veteranen ist und bleibt unerreicht, ihre Stimmen passen zueinander, wie der berühmte Deckel zum Topf. Es ist Musik für die Ewigkeit und vor allem sind die beiden Stimmen von GRAHAM NASH und DAVID CROSBY so etwas wie der Ausdruck gesanglicher Perfektion, einfach nur zum Heulen schön. Das konnte mir selbst die Regenflut im zweiten Konzertteil nicht vermiesen. Ich war dabei und Punkt.
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