Mission Bühnenrand - Das private Muggenpilgerforum mit Herz und Verstand

Draußen vor der Tür wartete nicht nur CEEDrik auf mich, sondern auch ein neues Muggenpilgerabenteuer. Wieder mal war ich etwas spät dran, deshalb hieß es für mich auch flinke Hufe zu machen. Ich schwang mich sodann elegant auf den Fahrersitz meines blechernen Kameraden und los ging es. Gegen die Wärme half nach wenigen Minuten die Klimaanlage. Den elektronischen Fahrwegvorbeter brauchte ich an diesem Abend nicht, denn ich bewegte mich über den Großteil der Fahrstrecke auf bekannten Terrain.

Das Fahrziel hieß Lohmen. Die 3000 Seelen-Gemeinde im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wird nicht umsonst auch Tor zur Sächsischen Schweiz genannt, denn die Hauptverkehrsstraße des Ortes heißt Basteistraße und führt genau dorthin und weiter in den Nationalpark Sächsische Schweiz. Ich durchquere Lohmen an jeden Arbeitstag 2 Mal. Diesmal war es halt ein etwas erfreulicherer Anlass.
In Lohmen scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Es gibt einen Faschingsclub, Sportvereine, einen Volkschor, Geflügelzüchter- und Rassekaninchenverein, die Freiwillige Feuerwehr, Jäger und noch viele andere Gelegenheiten, Orte und Anlässe seine Freizeit mit anderen Menschen zu verbringen. Die Lohmener feiern viel und gern gemeinsam. Da gibt es zum Beispiel die Faschingszeit mit ihren Veranstaltungen, das Steinbrecherfest (Steenbrecherfest), öffentliche Veranstaltungen der Freiwilligen Feuerwehr (traditionelles Eisbeinessen und Tanz), den historischen Weihnachtsmarkt und die verschiedenen Partys des Motorradclubs Lohmener Biker.

Die Motorradfahrer sind nun schon seit 15 Jahren in ihren Verein organisiert. Dieses Jubiläum wurde am letzten Juni-Wochenende 2019 ordentlich gefeiert mit allem, was das Motorradfahrerherz begehrt. Das Festprogramm konnte sich sehen lassen, denn es bot eigentlich für jeden etwas: eine Ausfahrt in die nähere Umgebung, Bikerspiele, Musik live und von Konserve an zwei Abenden, Strip-Show und die Versteigerung eines restaurierten Mopeds Simson S 50 B für einen guten Zweck. Natürlich war für feste Nahrung und Getränke in allen Varianten bestens gesorgt und das zu humanen Preisen.
Selbstverständlich blieb auch genug Zeit für „Benzin-Gespräche“ und ordentliche Party. Auswärtige Motorradfahrer konnten gleich auf dem Vereinsgelände zelten und übernachten. Die bombastischen Feten und die Gastfreundlichkeit der Lohmener haben sich in Deutschlands Bikerkreisen längst herumgeschwiegen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es mittlerweile sogar Stammgäste aus Bayern beim Lohmener Motorradfest gibt.

Der Verein Lohmener Biker e.V. hat ein eigenes Klubgelände. Das ist riesig groß, hat eine spannende Geschichte und liegt versteckt ein einem verschlafenen kleinen Tal namens Herrenleite. Zum Glück haben die Organisatoren des Bikertreffens in Lohmen alles ordentlich ausgeschildert, so dass man die letzten Kilometer idiotensicher zum Ziel geleitet wurde.

In der Herrenleite wurde früher unter anderem Sandstein abgebaut. Deshalb gab es auch eine Bahnstrecke, welche die Steine zur nächsten großen Bahnstation nach Pirna transportierte. Diese Strecke wurde 1998 stillgelegt. Heute existiert in der Herrenleite noch ein vereinsbetriebenes Feldbahnmuseum, welches einen Teil der Strecke nutzt.

Aber auch das Vereinsgelände der Biker ist nicht ohne und hat eine wechselvolle Geschichte zu bieten. Während des zweiten Weltkrieges wurde hier eine Mineralölanlage oder – lagerstätte betrieben. Auch nach dem Krieg wurde bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein in der Herrenleite Benzin/Schmierstoffe produziert bzw. gelagert.

Dann übernahm die Nationale Volksarmee das Objekt. Viele Jahre war es Treibstofflager. In den 80er Jahren wurde hier durch Spezialbaukräfte des VEB Schachtbau Nordhausen eine Bunkeranlage errichtet. Die Älteren unter uns erinnern sich sicher an diese Zeit, denn da lief der Kalte Krieg auf Hochtouren. Das Bauen von Bunkern hatte damals Konjunktur. In ihrer Paranoia dachten Militärs und Politiker, dass solche Anlagen sie vor einen möglichen Atomkrieg und seinen Auswirkungen schützen würden. Dieser Bunker beherbergte fortan Material wie Feldküchen, Munition, Pionier- und Fernmeldetechnik. Au die Bundeswehr nutzte die Anlage noch einige Zeit.

Die Lohmener Biker erwarben im Jahr 2007 das gesamte Gelände inklusive Bunker und haben seit dem eines der spektakulärsten, geschichtsträchtigen Grundstücke der Gegend.

Das Bikertreffen war sehr gut besucht. Viele Zweiradpiloten hatten auch gleich das Angebot zu zelten rege genutzt. Die Leute waren alle gut drauf. Man kam schnell miteinander ins Gespräch und es war insgesamt eine richtige Wohlfühlatmosphäre. Lohmens Biker haben schon viel auf dem Gelände getan. Mir gefiel besonders die selbst gebaute Bar mit dem großen Sitzgruppenbereich und die aus massiven Holz gebaute Bühne.

Übrigens war schon der Standort der Bühne sehr malerisch. Genau vor einer hohen Felswand standen die Bretter, die die Welt bedeuten. Das hohe Felsgestein wurde zusätzlich noch mit Scheinwerfern in Szene gesetzt. Das hatte wirklich Chic und Klasse. Da konnte man das relativ schwache Bühnenlicht schon verkraften.

Außerdem gab es in der Bar für aus der Hand einer lieben Kollegin sogar eine Flasche des besten Bieres der Welt: nämlich ein Freibier. Herzlichen Dank dafür, liebe Ina.

So jetzt kommen wir mal zu ostdeutscher Heavy Metal-Mathematik, denn die wird uns zur ersten Band des Abends führen. Wer kann mit folgender Gleichung etwas anfangen? PENT + TITAN = PENTAN. Ich denke, dass das hier den wenigsten Usern etwas sagt. Ich löse darum das Rätsel auf.

PENT und TITAN waren in den 80er Jahren zwei aufstrebende und recht bekannte Metal-Bands. Damals gab es hierzulande ja dutzende Gruppen, welcher sich der härteren musikalischen Gangart verschrieben hatten. Bands wie BIEST, MERLIN, FEUERSTEIN, MCB, SPLITT, PLATTFORM (später PLATVORM), COBRA, MEPHISTO, FORMEL 1 schickten sich damals an den Durchbruch nach oben zu schaffen. Bisher dahin standen von der harten Zunft da oben ziemlich einsam nur Bands wie PRINZIP und BERLUC.

TITAN und PENT kamen beide aus Pirna. Wie andere Bands zerfielen die Gruppen Ende des achten Jahrzehntes des vorigen Jahrhunderts nach Ausreise bzw. Republikflucht von Mitgliedern. Vor 15 Jahren fanden sich Ex-Mitglieder von PENT und TITAN in der neuen Band PENTAN zusammen. Das ist doch auch ein Grund zum Feiern. Also feiern heuer die Lohmener Biker und auch PENTAN ihr 15jähriges Jubiläum. Die Band rockte an diesem Wochenende übrigens nicht zum ersten Mal für die Motorradfreunde in Lohmen.

Man könnte jetzt noch in den Bereich der höheren Heavy Metal-Mathematik wechseln und die Ungleichung PENTAN ist nicht gleich SAXIOROR vertiefen. Das will ich aber jetzt nicht tun. Zwei PENTANer, die auch schon zu TITAN-Zeiten gemeinsame Sache machten, sind seit den 90er Jahren auch gemeinsam bei den Black Metallern SAXIOROR aktiv. Das sind Kai-Uwe Schneider (Gitarre, Gesang) und Matthias „Eschi“ Eschrich (Gitarre). 2019 feiert SAXORIOR ihre musikalische Silberhochzeit.

Aber bleiben wir mal schön bei PENTAN und ihrer Mugge in dieser schönen Sommernacht in der Lohmener Herrenleite. Das knallte schon ordentlich, was die Kapelle musikalisch abfeuerte. Die Band coverte Songs aus der guten, alten Zeit des Heavy Metal. Und das tat sie ausgesprochen gut. Endlich konnte ich mal wieder ordentlich lärmende Mugge mit gelegentlich verzerrt klingenden Gitarren ( Frank Lehmann und und Matthias „Eschi“ Eschrich), fetten Gitarrensolis, einem donnernden Schlagzeug-Gewitter (Thomas „Lorry“ Lorenz) und einen druckvollen Bass (Rico Kaps) live hören, der wie seine Vorbilder zwar relativ einfache, aber sehr effektive und in die Magengrube fahrende Basslinien spielte.

Die Musiker waren sichtlich angetan davon endlich wieder rocken zu dürfen. Sie waren mit Feuereifer bei der Sache. Da spielten echte Metalfans ihre Lieblingslieder für ihr Publikum. Es gab von PENTAN wirklich ordentlich was auf die Ohren. Die alten Metal-Haudegen haben es eben immer noch drauf.

Frontmann Kai-Uwe Schneider heizte den Kuttenträgern und Metalfreaks in Lohmen mit Gesten, Blicken und Sprüchen immer wieder ein. Dabei marschierte er über die ganze Bühne und nutzte auch immer wieder deren kleinen Laufsteg. Beeindruckend stimmgewaltig sang und brüllte er sich scheinbar federleicht durch das Set.

Seine Bandkollegen trieben das Metalfieber der Zuhörermeute besonders durch ihre Instrumentenbeherrschung immer höher. Wer als Mittfünfziger und gelegentlicher Freund härterer Mugge bei der Songauswahl keinen Freudenkoller bekam, dem war nicht mehr zu helfen.

PENTAN spielte haargenau das Songmaterial auf das wir früher in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts als junge Burschen schon abfuhren. Was damals schon geil klang, ist heute immer noch siedend heiß und so eine volle Dröhnung nimmt man gerne mal mit, wenn sie so leidenschaftlich und handwerklich gut wie von PENTAN zelebriert wird. Da muss man nicht mal lupenreiner und ausschließlicher Metaller sein.
Wenn die klassischen Melodien von Tschaikowskis „Slawischen Marsch“ und Bethovens Klavierstück „Für Elise“ auf der Stromgitarre erklingen, dann ist gewöhnlich die deutsche Metal-Legende ACCEPT mit ihrem Hit „Metal Heart“ nicht weit. Ich mag diese UDO DIERKSCHNEIDER-Combo und ihre Songs aus den Frühzeiten wie „Fast As A Shark“, „Princess Of The Dawn“, Restless und Wild“ oder „Balls To The World“ seit Jahrzehnten und freute mich natürlich tierisch etwas davon an diesem Abend zu hören. Es war einfach herrlich anzuhören, wie Eschi Eschrich diese allseits bekannten (Klavier-)Töne „Für Elise“ auf der verstromten Gitarre intonierte. Ich glaube, da feierten meine Lauschtüten ihren Höro(-h-)rgasmus des Abends.

Aber die PENTANer packten noch andere Nummern aus meiner persönlichen Hitliste auf den musikalischen Gabentisch dieses Gigs und so schallten munter viele allseits bekannte und beliebte immergrüne Heavy Metal-Songs aus den Boxen. Das ging von Whole lotta Rosie“ aus der YOUNGschen AC/DC-Schmiede über „Ace of Spades“ vom unvergessenen LEMMY und seiner Band MOTÖRHEAD über „Seek an Destroy“ vom METALLICA-Debutalbum „Kill ´em All“ bis hin zu JUDAS PRIEST.

Nach einer Umbaupause brachte eine „verrückte“ Combo aus Berlin ganz andere Töne unters Volk. Die BLIND BANKERS sind ein Trio und sie nennen ihre Art Musik listig-frech und mit einem gewissen Augenzwinkern Bullshit Rock’n Roll. So einen Bullshit wie sie in Lohmen spielten, lasse ich mir aber gerne gefallen.


Eigentlich ist die Musik der BLIND BANKERS ganz einfach zu beschreiben. Sie suchen sich bekannte Songs aus, die mal gut und auch schon mal etwas weniger gut sein können, werfen diese in ihre persönliche Lieder-in Bullshit-Songs-Umwandelmaschine und das Ergebnis knallen sie dann den Hörern frech um die Ohren. Mit diesem Rezept und ihrer Show kommen die BLIND BANKER auf jeder Fete gut an.

Aber erst mal muss ich die Kapelle hier ordentlich öffentlich zusammenfalten. Von der Band hört und liest man öfter den Slogan „schlechte Mucke noch beschissener gemacht. Liebe Leute, bei Mugge mit „ck“ geschrieben, verblitzt es mir jedes Mal unangenehm die Augen. Das Wort Mugge kommt doch ursprünglich von der ostdeutschen Wortschöpfung musikalisches Gelegenheitsgeschäft (gegen geringes Entgelt). Mugge ist einfach die Abkürzung davon. Wo bitte kommt in musikalisches Gelegenheitsgeschäft ein „k“ vor? Ja. Ich weiß, dass auch die Schreibweise mit „ck“ mittlerweile oft verwendet wird, aber das interessiert mich nicht. Das war es jetzt aber schon mit meiner Klugscheißerei.

Wenn die richtigen Männer zusammen Musik machen, dann reichen manchmal die Gesangsstimmen, zwei Gitarren (eine E-Gitarre und eine Akustikklampfe) sowie ein Schlagzeug aus, um eine riesige Rockparty vom Zaun zu brechen. Genauso ist das bei den BLIND BANKERS.

Was die Männer aber auch alles durch den Bullshit-Fleischwolf drehten ist eigentlich ein Kapitel für sich. Das ging beim alten Seemannslied „The Drunken Sailor“ los. Bei diesem Shanty hatte das Publikum den Refrain „Hooray und up the rises; … earlie in the Morning“ selbstverständlich kräftig mitzusingen. Auch der Country-Schlager „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“ von GUNTER GABRIEL wurde fachgerecht verwurstet. Bei der Nummer habe ich besonders laut mitgegrölt. Ob mich mein Chef gehört und vor allem erhört hat? Das wird die Zukunft zeigen ;-)

Auch die großen Hits der Neuen deutschen Welle wurden in Lohmen einer Bullshit- Rock’n Roll-Radikalkur unterzogen. JOACHIM WITTs „Goldener Reiter“, der GRAUZONE – „Eisbär“ und HUBERT KAHs „Sternenhimmel“ verschlechterten sich dabei aber keinesfalls.Ob NINA HAGENs „Du hast den Farbfilm vergessen“ oder „Highway to Hell“ von AC/DC bei den Bullshit-Rockern von den BLIND BANKERs ist alles erlaubt, was gefällt.

Das Ergebnis kann man gar nicht so richtig in eine gängige Schublade einordnen. Zumindest mir würde das schwerfallen. Ich meine, unter anderem Einflüsse von Rock, Pop, Schlager, Country, Folk und Volkslied in dem kompletten umgewandelten Liedgebräu zu erkennen.

Der Frontmann Jörg „Kirk de Burgh“ Thiele, Schlagzeuger Daniel „Danny“ Kownatzki und Gitarrist Frank Wellfair rockten bis die Fetzen fliegen. Sie machten dabei vor nichts und niemandem halt, am wenigsten vor sich selbst. Wer sich selbst so schön auf die sprichwörtliche Schippe nimmt und das mit so einer Mugge verbindet, muss nicht nur ein gesundes Selbstbewusstsein und viel Phantasie haben, sondern sein Handwerk auch verstehen. Das trifft auf die erfahrenen Musiker der BLIND BANKERS zu.

Der Frontmann Kirk de Burgh spielte unter anderem Mitte der neunziger Jahre bei KNORKATOR und später mit Drummer Danny beim Kultduo THE NIX. Seit Jahren ist er auch Mitglied der Alternative Metalband SUB DUB MICROMACHINE (kurz SDMM).

Frank Wellfair kennen wir von DR. KINSKI UND SEINEM SALONORCHESTER. Er hat auch schon bei der lauten DR. KINSKI SCHOCKTHERAPIE die Saiten strapaziert. Er ist ein alter Hardrocker, der schon in den 80er Jahren erste Erfahrungen sammelte. Ich bin überzeugt, dass er auch viele Songs, die PENTAN zuvor spielte, aus dem Stehgreif hätte mitspielen können.

Die 3 Burschen mischten das Treffen der Lohmener Biker ordentlich auf. Dabei verbreiteten sie Frohsinn und Freude. Ich habe mich köstlich amüsiert bei den neckischen Songspielchen der BLIND BANKERS. Trotzdem strich ich gegen 01:00 Uhr die Segel, denn ich wollte ja nicht in der Herrenleite übernachten. Da spielten die drei „Wahnsinnigen“ aber noch

Zusammenfassend bleibt für mich festzustellen, dass die Lohmener Biker großartige Gastgeber waren. Die gesamte Atmosphäre und das Umfeld haben mir super gefallen. Den Veranstaltungsplan des Motorradvereins behalte ich ab jetzt im Blick. Mal schauen, was die Biker in der Zukunft so musikalisch zu bieten haben. Die Bands PENTAN und BLIND BANKERS haben ordentlich gerockt. Beide Gruppen würde ich zu gegebener Zeit auch gerne wieder live erleben.

Gruß Kundi

Fotos PENTAN Teil 1

Fotos PENTAN Teil 2.

Gruß Kundi

Fotos PENTAN Teil 3.

Gruß Kundi

Fotos BLIND BANKERS Teil 1.

Gruß Kundi

Fotos BLIND BANKERS Teil 2.

Gruß Kundi

Fotos BLIND BANKERS Teil 3.

Gruß Kundi