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STAMPING FEET in Blankenburg
STAMPING FEET in Blankenburg
in Konzertberichte 2019 und älter 01.07.2019 17:20von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Stampfende Füße – (k)ein Konzertbericht (28.06.2019)
(oder Rock-Rentners Wochenendeausflug zum Tummelplatz der Blankenburger Altstadt-Jugend)
Im benachbarten Blankenburg gibt es einen Tummelplatz. Der heißt wirklich so und ist in der Altstadt zu finden, als Fußgängerzone. Wahrscheinlich, so meine Idee, treffen sich da Leute wie ich. Sie sitzen gemütlich auf Bänken, schauen den netten Damen hinterher und reden vom Rock’n’Roll, so nach dem Motto: „Weißt du noch? Das waren noch Zeiten!“ Ein Rentner, sagte man mir, solle den „Ruhestand“ genießen, zumindest so lange, bis er seine Rentenbeiträge wieder rein hat. Das kann dauern, sagt mir ein weiterer Blick auf meine Kontoauszüge. Es ist Freitagabend und in Blankenburg findet gerade ein Alt-Stadt-Fest statt. Also ein Fest in der Stadt für die Alten, oder so?
Zur Tagesschauzeit bummle ich gemächlich dem Tummelplatz entgegen. Möchte dort ein paar andere Alte treffen. Von oben leuchtet Schloss Blankenburg, mit den von der Sonne angestrahlten Mauern, in die Stadt hinunter. Am Tummelplatz steht eine Bühne, mit dem Rücken zur Straße, und seitlich davor Tische, Bänke und Buden für Bier und Fressalien. Also setze ich mich zu den Leuten, Junge wie Ältere, und beobachte, wie sich das Areal langsam füllt. Von der Bühne donnert viel Lärm und Bumm Bumm. Trotzdem versuche ich, ein Gespräch anzufangen und fange Wortfetzen wie „Stampfenden Füße“ aus Berlin auf. Mein erster Gedanke: Marschmusik, mit Pauken, Trompeten und Sching-Tarassa-Bumm. Es wird scheppern, denke ich, noch lauter als jetzt gerade. Doch warum ist dann so viel „junges Gemüse“ hier?
Plötzlich hört die Beschallung auf und die Leute jubeln. Hab’ ich was verpasst? Drei knackige Kerle mit Knüppeln in den Händen stürmen zur Bühne und dann wird es wieder laut. Die hopsen herum, rennen wie wild hin und her, sie springen und „stampfen mit ihren Füßen“ und kloppen dabei hemmungslos auf den Trommeln und Becken herum, die links und rechts an Gestellen aufgebaut sind. Es ballert wie bei einem schlimmen Gewitter mit Orkanböen und Donner. Alles geht dermaßen schnell, dass ich gar nicht so viel gucken kann, wie’s passiert. In meiner Jugend gab es mal ein „Schlagzeuglied“, „They’re Coming To Take Me Away, Ha-Ha“, aber das klang viel langsamer, als dieses Kloppen und Hauen und Tanzen mit „stampfenden Füßen“! Nee, diese Jugend heutzutage! Was denen alles ein- und gefällt? Und die vor der Bühne, die Jugend und die kleenen Kinder, die machen ooch noch mit! Ich trinke erst mal ’nen Schluck.
Hinten auf der Bühne sitzt einer am Schlagzeug. Vorn links steht ein Musiker und trommelt, ohne eine Miene zu verziehen und der drahtige Kerl rechts, mit so einer Mütze auf dem Kopp, hüpft ständig hin und her, trommelt auf alles, was ihm in die Quere kommt und ruft ständig in sein Mikrofon hinein. Die unten rufen dann zurück. Für mich und mein Alter ist das ein ziemliches Durcheinander und Chaos. Als wäre das nicht schon genug, klettert jener mit der Mütze, sie nennen ihn BASTI, am Stahlmast hoch, der das Bühnendach stützt. Das ist gefährlicher Leichtsinn, aber aus dieser Höhe kann er natürlich viel besser erkennen, wer alles gekommen ist und ihnen zuwinken: „Hallo!“. Dafür ist er ziemlich clever.
Wieder unten und auf der Bühne, trommelt er auf ein großes Regenfass, auf dem, wahrscheinlich vom letzten Regen, noch Wasser steht. Das spritzt vielleicht, kann ich Euch sagen! Da muss ich lachen und die Mädchen vor der Bühne kreischen vor Freude. Fast wie damals bei den Beatles und den Sputniks, aber die hatten ja auch noch elektrische Gitarren und die vermisse ich. Heute wird „nur“ getrommelt manchmal auch gesungen. Zum Beispiel ein Lied von den Puhdels, das sie als Mahnung vor schlimmen Zeiten nach dem Klimawandel gemacht haben. Dann werden nämlich auch die Eisbären verschwunden sein und keiner kann sie mehr finden. Deshalb singen die Drei mit den „stampfenden Füßen“ ganz laut „Hey, wir woll’n die Eisbären sehn!“ und die vor der Bühne machen „Oh, Oh, Oh, Oh, Oh“. Mehr kann man dazu auch nicht sagen, als „Oh“ und da hat Opa Maschine aber einen Klopper gebastelt. Wer hat eigentlich Anspruch auf das viele Geld, wenn die „Eisbären“ in Blankenburg besungen werden?
Dafür ist jetzt aber richtig Stimmung auf dem Tummelplatz, doch auf der Bühne scheint irgendetwas kaputt oder verklemmt zu sein. Der linke Trommler, ich glaube, der heißt SVEN, setzt sich einen Helm und eine Brille auf. Dann nimmt er einen Trennschleifer zur Hand und plötzlich spritzen die Funken im hohen Bogen bis zur Bühnendecke. Ganz schön gefährlich, denke ich, und kein Feuerlöscher zu sehen. Zum Glück ist der Schaden bald behoben, die Funken fliegen nicht mehr und der SVEN sieht glücklich aus. Noch mal Schwein gehabt! Vor lauter Freude springt der BASTI von der Bühne runter, mitten in das Publikum, klatscht die Leute ab und hüpft mit ihnen um die Wette. Das macht Spaß und auch ich staune, wie geschmeidig der Musiker von der Bühne springen kann, ohne sich weh zu tun. Respekt!
Inzwischen ist die Stimmung richtig gut. Sogar einige Rentner, die an meinem Tisch saßen, haben sich unter die jungen Leute gemischt und hopsen mit. Mir ist das leider verwehrt, ich habe Hüfte und muss Bilder knipsen. So kann ich auch erleben, wie der BASTI ein kleines Mädchen auf seine Bühne holt und ihr zeigt, wie man trommelt. Der Kleinen steht die Freude ins Gesicht geschrieben, da oben spielen zu dürfen. Als sie wieder runter kann, hat sie ein Paar Trommelstöcke als Geschenk in der Hand. Da freut sich die Mama, denn zu Hause ist jetzt bestimmt viel mehr Stimmung. Gleich danach ist BASTI schon wieder unten und spielt „Wen ich mag, kriegt’n Klatsch auf’n Po“ mit den Leuten. Mal von Hand, mal Po and Po und alle machen mit, weil es wieder lustig ist.
Während Trommler SVEN und der Schlagzeuger, der heißt RONNY, kräftig weiter kloppen, hat sich der BASTI eine kleine Handtrommel geschnappt. Die klemmt er trommelnd zwischen seine Beine und kurz darauf wirft er sie in die Luft. Alle staunen, weil es so schnell geht. Den Kleinen am Bühnenrand hält er das Instrument hin und dann trommeln alle, die da vorn stehen, fröhlich drauflos. Der Typ hat aber auch ein Talent, Leute zu animieren, sie aus ihrer staunenden Lethargie zu erlösen und alles Drumrum auszublenden. Auch ich habe, trotz monatlicher Rentenzahlungen, richtig Freude am Geschehen hier auf dem Tummelplatz. Meine Erinnerungen an frühe Tage lassen glatt Hüfte und Rücken vergessen und dieses Trommelgewitter fühlt sich frischer an, als manches Konzert einer (Ost)Rock-Legende, die karate wieder im Land unterwegs ist.
Irgendwie bin ich dem Einfall dankbar, der mich zum Tummelplatz gelockt, statt in eine riesige Arena mit musikalischer Rentnerbetreuung getrieben hat. Der Tummelplatz ist eine schöne Alternative und einige Leute in meinem Alter stehen mittendrin, bewegen sich je nach Stimmung und haben gerade ihr allerschönstes Dauergrinsen aufgesetzt. Während BASTI vor der Bühne noch einmal seine Runden dreht, mit Jung und Alt einen Hip-Hop-Ringelreihen tanzt, freut sich der Rockrentner, die TV-Glotze (wieder einmal) ignoriert und seinen „Ruhe“Zustand genossen zu haben. BASTI, SVEN und RONNY mit den „Stampfenden Füßen“ haben mir einen „unruhigen“ Abend beschert, mir viel Vergnügen bereitet und meinen Blutkreislauf stabil gehalten, obwohl ich „nur“ zugeschaut und geknipst habe. Mir geht’s gut!
Morgen werde ich wieder meine Kontoauszüge anschauen und ahnen, dieser Zustand wird noch ganz lange, trotz Rentenerhöhung, andauern. Das Leben ist zu kurz, um es für schlecht gemachte Musik zu verplempern. Heute war Tummelplatz, mal schauen, was morgen oder kommendes Wochenende sein wird. Der Sommer hat doch gerade erst begonnen.
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
RE: STAMPING FEET in Blankenburg
in Konzertberichte 2019 und älter 02.07.2019 21:38von Tina mit Hut • | 329 Beiträge | 742 Punkte
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