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HELMET DUTY im Papermoon von Halberstadt

in Konzertberichte 2019 und älter 26.06.2019 18:34
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Helmet Duty (bei den Sommerhöfen) im Papermoon (22.06.2019)

Es ist vielleicht DAS Sommersonnenwochenende schlechthin. Zumindest hier im Harz und für meinen Geschmack: Sommersonnenwende, überall Fete de la Musique, Rathausfest in Wernigerode und die Sommerhöfe in Halberstadt. Überall steppen die Hexen zu jeder Menge saugeiler Musik. Von all den kulinarischen Freuden will ich erst gar nicht reden. Die Sommerhöfe in Halberstadt sind ein Vergnügen für alle Sinne. In der Altstadt öffnen sich die Tore zu rund zwanzig versteckten Hinterhöfen mit ihren zumeist zauberhaft schönen Fachwerk-Reizen. Bei überall freiem Eintritt lassen sich Gaumenfreuden jeglicher Art ausprobieren und eine breit gefächerte Musikpalette lädt zum Zuhören und Verweilen ein. Wer möchte, kann so durch die Nacht sowie Kneipen schlendern und sich mit Emotionen anreichern. Mein Ziel ist, wer hätte das gedacht, das Papermoon mit seinem lauschigen Biergarten, wo es sich so herrlich, auf nostalgischen Klappstühlen sitzend, verweilen lässt.

Für mich ist Bluegrass die urtypischste aller Varianten amerikanischer Country-Music mit Banjo, Fiddle, Mandoline und Gitarre sowie wahlweise auch Kontrabass. In den „Blauen Bergen“ von Kentucky aus verschiedenen Zutaten gemixt, hat Bluegrass bis heute viele Musiker inspiriert und sogar zu Weltruhm verholfen. Auch in meinem Regal steht das Vinyl der Nitty Gritty Dirt Band und andere Juwelen dieser Art Volksmusik. Im Papermoon spielen heute HELMET DUTY, drei Musikanten aus Leipzig, deren Ruf ihnen bis zu mir vorausgeeilt ist und mein Gehör erreicht hat. Die Sommerhöfe bieten mir nun endlich Gelegenheit, die drei live zu hören und mit dem abzugleichen, was man mir vorgeschwärmt hat.

Als ich mich der Bakenstraße nähere, höre ich schon an der Peterstreppe Musik, deren dumpfe Bässe so gar nichts mit Bluegrass gemein haben. Kann sein, dass ich mir deshalb einen Platz im Biergarten aussuchen kann, denn drinnen hämmert der brachiale Beat von Drums, Bass plus Gitarre und presst den Sound durch die Tür ins Freie. Es klingt, als dürften sich drei wilde Teenies, mit voll aufgedrehten Verstärkern, im Kinderzimmer austoben. Aber das empfindet Stefan Saffer, den man hierzulande wohl eher als Singer/Songwriter kennt, sicher ganz anders, während er kräftig in die Saiten greift. Egal, so ist Rock’n’Roll und ich kann die Motörhead-Blaupause (eine Weile) aushalten.

Etwas später gruppieren sich im gleichen Raum drei Musikanten um ein Gesangsmikrofon, greifen zum Bass, zur Mandoline sowie Gitarre und beginnen, leise zu singen. Es ist die uralte Ballade von „Duncan And Brady“, die ich von Meister Dylan zu kennen glaube. Der hat sie sicherlich auch nur übernommen, denke ich. Diese Musik fordert genaues Zuhören und deshalb gehe auch ich dort hinein, wo HELMET DUTY, vor dem Mikro, im Gesang und Spiel versunken, ihren Part des Abends beginnen und mit „Six Feet Under (The Cold Cold Ground)“ sofort die nächste Nummer hinterher schieben. Okay, denke ich, das kann ja ein fröhlicher Abend werden, mit lauter Mörder- und Todesballaden aus uralten Zeiten in den USA, wo sie sich, damals wie heute, ständig über den Haufen schießen. Simon, Tommi und Kevin, so die bürgerlichen Vornamen der drei „Helmpflichtigen“, zelebrieren die ersten Songs in allerfeinster harmonischer Stimmung und derart ernsthaft, dass man den Schalk zwischen jedem Song über ihren Schultern ahnen kann. Mit solcher Musik und ihren derben, typisch sächsischen Plaudereien haben sie mich schon jetzt eingekreist und der Abend beginnt gerade erst.

Es ist ein beinahe unwirkliches Bild in Zeiten digitalen Soundkleckerns, dass man Musiker live erleben kann, die einfach nur singen. Zwar in ein Mikrofon, wenn sie denn gerade rankommen, aber alles so völlig ohne diesen Superstar-Schnickschnack. HELMET DUTY, die drei „Helmpflichtigen“ aus Leipzig, brauchen nichts davon. Diese Musik klingt pur genau so, wie in jenen Tagen, als die Songs im Leben entstanden. Nur bekomme ich immer mehr den Eindruck, dass da auch drei Instrumentalvirtuosen in die Saiten greifen, dass es ein wahres Vergnügen ist, auch auf deren Finger zu schauen. Später werde ich im Gespräch erfahren, dass jeder von ihnen völlig unterschiedliche Erfahrungen aus Blues, Klassik und Jazz, „mit Akkorden, die es gar nicht gibt“ (O-Ton des Bassisten), in dieses Projekt „Helmpflicht“ einbringt. Es ist schlicht atemberaubend, was das Publikum zu sehen und zu hören bekommt. Viele, die durch die Sommerhöfe nur pilgern wollten, bleiben im Raum und davor kleben und sind von dem, was sie zu hören bekommen, sicht- und hörbar begeistert. Ein kluger Spruch sagt, dass es keine gute oder schlechte Musik gäbe, außer – die von HELMET DUTY. Die ist einfach nur geil!

Inzwischen ist die Dämmerung aufgezogen. Stefan Saffer fegt noch einmal mit ruppigem Blues-Rock den Raum leer. Bei seiner abschließenden Version des „Jumpin’ Jack Flash“ lässt sich einer der Gäste zu einer „getanzten“ Solo-Einlage hinreißen. Irgendwie beneide ich den Typen, der seinen Emotionen einfach freien Raum lässt und sie in Bewegung umsetzt. Ich hingegen klebe auf meinem Gartenstuhl. Meinen Arsch bekomme ich erst wieder hoch, als HELMET DUTY in ihr zweites Set starten und die Stimmung schnell wieder in staunende Begeisterung umschlägt. Drinnen ist jetzt kein Sitzplatz mehr zu bekommen, aber immer noch genug Platz für ein kleines Tänzchen, das ein Paar im engen Raum bei der Rockabilly-Nummer „ Long Black Shiny Car“ riskiert und dafür den Beifall der Musiker erhält.

Die Stimmung ist großartig und die Songs sind es auch. Dass KEVIN SCHMIDT (Gitarre, Banjo) SIMON DAHL (Mandoline, Gitarre) und TOMMI PIEPER (bass) eine Menge eigener Songs darbieten, fällt nur durch deren Ankündigung oder kleine Anekdoten auf. Von den traditionellen Songs unterscheiden sich die eigenen Lieder, wie „Winners And Losers“ oder „Sobriety“, weder im Sound, noch sonst irgendwie. Zu finden sind sie auch auf zwei eigenen Silberlingen, aber HELMET DUTY live und in Farbe beim Spiel zu erleben, ist unvergleichlich mitreißender und beeindruckender. Im Papermoon jubelt das Volk den Musikanten zu und mancher amüsiert sich über deren selbstironische Späße, die ohnehin nur live oder spontan richtig funktionieren. Ich bin jedenfalls zu vorgerückter Stunde begeistert von dem Konzert. Handgemachte ehrliche Musik ist für mich noch immer das Nonplusultra und wenn man anschließend am Tisch, mit einem Getränk in der Hand, noch locker plaudern und Autogramme einsammeln kann, hat der Musikliebhaber fast keine Wünsche mehr offen, außer den, sie mögen recht bald wieder hier einen ganzen Abend gestalten. Möglichst mit neuer CD und alter frischer Spielfreude.

Wenn dir das Leben einen Knüppel zwischen die Beine wirft, brauchst du etwas, woran du dich wieder aufrichten kannst. Bei mir ist das gute Musik. Sie ist mein Lebenselixier, von ihr kann ich nicht genug bekommen. Mit HELMET DUTY drang gleich die geballte Ladung davon in meine Ohren, ins Herz und meine Seele. DANKE Jungs, auch wenn der Simon eines meiner Signierfotos fröhlich (mit „Pimmel“) bekritzelt hat, komme ich trotzdem wieder und singe den „Don’t Care Blues“ mit Euch.

Angefügte Bilder:
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www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
zuletzt bearbeitet 26.06.2019 18:36 | nach oben springen

#2

RE: HELMET DUTY im Papermoon von Halberstadt

in Konzertberichte 2019 und älter 27.06.2019 05:35
von Kundi | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte

In Halberstadt ist immer etwas los, wie man sieht, liest und hört.
Amerikanischer Bluegrass und davon inspirierte Musik ist zwar nicht gerade meine Alltagsmugge, aber zu richtigen Zeit und am richtigen OOrt kann auch ich mich mit dieser Musik anfreunden.

Herzlichen Dank für Deinen Bericht, lieber Hartmut.

Gruß Kundi


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