Am frühen Abend des 1. Juni 2019 zeigte das Thermometer noch fast 30 Grad Celsius als ich den Platz des Kutschers hinter dem Lenkrad meines treuen Reisebegleiters CEEDrik einnahm. Das Unterbewusstsein flüsterte „du bist doch bekloppt bei dieser Hitze auf Muggenpilgertour zu gehen. Eine frische Brise Seeluft und ein wohltemperiertes Hopfenkaltgetränk im Schatten würden dir bei dieser Hitze guttun“.
Doch ich ließ mich von diesem unterbewusstseinsgesteuerten Faulheitsteufelchen nicht vom geplanten Weg abbringen. Ich startete den Motos und steuerte erstmal Richtung Freiheit geradeaus und dann nach links Richtung Hoyerswerda. In der GUNDERMANN-City Hoyerswerda war Altstadtfest und dort stand eine Bühne, welche auch auf bekloppte Bühnenrandmissionare wie mich wartete. Die auf den Spuren SANTIONOs segelnden Shanty- und Folkrocker von NORDSTERN hatten dort ihr musikalisches Schiff für diesen Abend vertäut. Das war eine gute Gelegenheit, um mit den NORDSTERN-Piraten und ihrer Musik wieder mal ordentlich auf Beutezug zu gehen und in musikalische Party-See zu stechen.
Der sonnige Marktplatz war bei meinem Eintreffen schon sehr gut besucht, die Biertischgarnituren waren ausgelastet und die Durstigen labten sich an den kühlen Getränken, welche an entsprechenden Getränkewagen bzw. Ständen gegen Bares fleißig ausgeschenkt wurden. Ein Gehopftes gönnte ich mir auch und der anregende und belebende Gerstensaft rann in der Folge in kleinen Schlucken gemütlich die Kehle hinunter.
Die Band war derweil fleißig mit letzten Aufbau- und Soundcheckmaßnahmen beschäftigt. Trotzdem war auch noch Zeit für das eine oder andere Hallo und kurze Gespräche. Über die Winterpause hat es bei der Band personelle Veränderungen gegeben. Moritz Schulze (Keyboards, Akkordeon) hat die Band auf eigenen Wunsch verlassen. Da NORDSTERN immer häufiger auch auswärtige Auftritte hat, die bisweilen auch zu zwei oder drei Tagen Abwesenheit von daheim an Stück führen, konnte er Bandhobby und Beruf nicht mehr vereinen. Also musste er schweren Herzens abmustern.
Moritz ist ja Firmeninhaber eines Fest- und Veranstaltungsserviceunternehmens. Zu PUHDYS-Zeiten eifrigen Hutberg-Pilgern wird vielleicht der Name Bier-Schulze noch etwas sagen. Der Berg der Lessingstadt Kamenz wurde nicht umsonst von uns auch der heilige Berg der PUHDYS-Fans genannt. Mit seiner Firma gestaltete er auch einige Jahre die Bewirtung der Gäste bei den Hutberg-Muggen. Ich habe da auch manchen Taler gelassen.
So ganz lässt Moritz aber auch jetzt nicht die Finger von der Musik, denn einige kleinere Projekte führt er weiter. Er wird sich in seiner knappen Freizeit mit Bandoneon und Akkordeon der Folklore und dem Musizieren mit Kindern widmen.
Sein Nachfolger bei NORDSTERN ist übrigens Tilo, der im vergangenen Jahr schon mehrmals als Gitarrist bei den Oberlausitzer Piraten-Rockern aushalf. Er hat sich dabei im Kreis der Musikerkollegen sehr wohl gefühlt, heuert nun dauerhaft an und freut sich auf die Herausforderung als Keyboarder.
Diese ganzen Neuigkeiten erfahre ich aus dem Mund von Moritz Schulze selbst, der trotz seines Ausstiegs bei diesem Konzert anwesend war und der Truppe damit den Rücken stärkte. Mir zeigt seine Anwesenheit aber auch noch, dass diese Trennung tatsächlich einvernehmlich und im Guten erfolgte. Danke bis hierher, lieber Moritz und viel Erfolg bei allem, was du künftig tust, lieber Moritz.
Die Bühne war übrigens im bekannten maritimen NORDSTERN-Look (angedeutete Schiffsaufbauten aus Holz mit eingelassenen kleinen Lichtern) im Hintergrund) gestaltet. Schlagzeug und Keyboard wurden links und rechts auf dem vermeintlichen Oberdeck postiert. Dazwischen war auch ein Platz, den die anderen Musiker während der Mugge gelegentlich auch als Podest benutzten. Ein Anker am linken Bühnenrand und ein Rettungsring mit der Aufschrift NORDSTERN am rechten Bühnenrand vervollständigten das Seefahrtsbild.
Die eingespielte Anfangsmelodie mit maritimen Tönen, Lauten und Geräuschen kündigte ein neues Muggenpilger-Livereiseabenteuer mit NORDSTERN an, mein erstes in diesem Jahr. Dann zog die NORDSTERN-Besatzung auf und übernahm das Schiff für die nächsten drei Stunden.
Mann und Maus auf der Bühne sowie Mann und Maus auf dem Marktplatz unternahmen nun geneinsam eine freudbetonte, stimmungsvolle musikalische Kaperfahrt. Unter der Führung von Käpt’n Andy und 1. Offizier Harry wurden alle Noten-Segel gehisst und es ging muggenmäßig volle Fahrt voraus. Andy und Harry sind ein famoses Führungsteam. In der Politik nennt man so etwas Doppelspitze. Bei NORDSTERN live funktioniert das Duo allerdings bestens.
Sie nehmen allerdings auch jeden Mann von der Besatzung und jeden Passagier vernünftig mit. Sie bauen aber auch mit aller Kraft und mit vielen eigentlich selbstverständlichen Mitteln wie freudbetonten Ansagen, Blickkontakten, auffordernden Handbewegungen und Ausflügen an den Bühnenrand eine enge Verbindung zu allen beteiligten auf und pflegen dieses unsichtbare Band den ganzen Abend über. Andy kämpfte sich sogar durch die Publikumsreihen und heimste so weitere Sympathiepluspunkte für sich und NORDSTERN ein.
Emsig und pausenlos wie die die Schaufelräder eines Raddampfers bewegten sich Arme und Beine des Schlagzeugers Martin Fox. Er trieb damit die Crew und das gesamte Seefahrtsmusikunternehmen NORDSTERN damit ordentlich an. Basser Matthias Liehn unterstützte den Antreiber mit einer soliden und das Rhythmusfundament verstärkenden Tieftonerzeugung. Er baute so zusätzlichen Druck auf, um NORDSTERN ordentlich auf Rockpartykurs zu halten.
Selbstverständlich bediente sich die Band, die auf den Spuren SANTIANOs wandelt, reichlich aus der SANTIANO-Seemanns- und Seefahrtsliederkiste. Mit „Könnt ihr mich hören“ vom aktuellen Album „Im Auge des Sturms“ wurde der erste Schatz aus der Kiste geborgen und den Hoyerswerdaer Landratten um die Ohren gehauen. Diese mitreißende, klassische Rocknummer mit dem schönen und einprägsamen Refrain weckte gleich viele müde Lebensgeister auf den Biertischbänken und im Laufe der Mugge wurden es immer mehr.
Der anfangs recht leere Platz unmittelbar vor der Bühne füllte sich auch zusehends.
Wer die Band schon öfter gesehen hat, wird dort, wie ich auch, viele bekannte Gesichter gesehen haben. NORDSTERN hat hier in der Umgebung von Hoywoy – Wittichenau – Oßling - Bernsdorf bis rüber nach Königsbrück und in die Bautzener Richtung schon eine beachtliche und stabile Fangemeinde. Darunter waren auch in Hoywoy wieder die Linedancer aus Königsbrück. Diese Anhänger der Musik, Tanzfiguren und –schritte des Wilden Westens drehen auch gerne bei NORDSTERN ihre Runden.
NORDSTERN ist eine sehr fanfreundliche Band. Die Jungs kümmern sich sehr um ihre Basis. Sie gehen rund um die Mugge auf die Leute zu, sagen mal kurz Hallo oder quatschen, wenn Zeit ist, auch mal über Gott und die Welt mit den Fans. Bei den Männern spürt man einfach, dass ihnen das enge und fast familiäre Verhältnis zu den Fans eine Herzensangelegenheit ist.
SANTIANO wird ja Anfang November 2019 ein MTV-unplugged-Doppelalbum veröffentlichen (die Konzerte und die Aufzeichnung fanden am 10. Und 11. Juni statt) und ab Frühjahr 2020 damit touren. Ich denke, man darf gespannt sein, ob es den Shanty-Rockern gelingt, ihre Songs auch im dezenteren unplugged-Gewand unverwechselbar und mitreißend-rockig zu präsentieren.
Doch in diesem Schrieb geht es ja um die musikalische und erfolgreiche Kaperfahrt von NORDSTERN am 01. Juni beim Altstadtfest in Hoywoy.
Schon nach wenigen Minuten war „Land in Sicht!“ und der Song endete, wie bei NORDSTERN gewohnt, mit dem entsprechenden Ausruf von Geiger Harry Kraut.
Aus der angesprochenen SANTIANO-Seemanns- und Seefahrtsliederkiste wurden noch Schätze von allen bisher erschienen Alben wie „Sturmgeboren“, „“Marie“, „Der Alte und das Meer“, „Ihr sollt nicht trauern“ oder „Likedeeler“ gehoben und der mitfeiernden Fangemeinde präsentiert.
Gitarrist Conrad Hentsch sorgte mit seinem heißen E-Gitarrenspiel und den entsprechenden Solos für das richtige Rocker-Feeling, welches durch die von Harry Kraut gespielte zweite E-Gitarre gelegentlich verstärkt wurden. Conny ist ein Leadgitarrist, der auf Mätzchen verzichtet und sich voll in den Dienst der Band stellt.
Der Frontmann Andy nahm zusätzlich gelegentlich seine Akustikgitarre zu Hilfe. Auch das tat dem Sound gut, denn Abwechslung belebt die ganze Mugge zusätzlich.
Der neue Keyboarder Tilo machte seine Sache ganz ordentlich. Er scheint eher der ruhige Typ zu sein. Vielleicht braucht er aber auch nur ein paar Gigs zur Eingewöhnung. Geben wir ihm mal ein paar Wochen Zeit, dann werden wir schon sehen, wohin die Seereise der NORDSTERN mit ihm geht.
Trotz der Hitze heizten die NORDSTERNe die Stimmung auf dem Markt weiter an.
Dazu trug nicht unwesentlich Harry mit seiner Geige bei, denn er setzte mit dem Viersaiten-Streichinstrument die deutlichsten Folk- bzw. auch Folklore-Akzente. Die Violine gab ja schon seit jeher den CITY-Nummern „Flieg ich durch die Welt“ und „Am Fenster“ die richtige Würze. Der Geiger kleidete mit seinem Geigenspiel die eigentlichen Whistle-/Flötentöne bei GUNDIs „und musst du weinen“ wieder in ein neues musikalisches Gewand. Das gefällt mir ausgesprochen gut, noch dazu an diesem Abend in GUNDI-Town Hoywoy.
„Aloha heja he“ von Altmeister Achim Reichel sowie „ihr sollt tanzen“ von LUNA LUNA setzten zum Ende hin bei allen Anwesenden auch noch mal Reserven frei. 3 Stunden Party mit NORDSTERN bei diesem Wetter können ganz schön schlauchen. Aber jede Minute davon hat Spaß gemacht und so mitreißend soll ein Konzert dieser Art ja auch sein.
Nach der stürmisch geforderten Ehrenrunde, bei der dann der Schweiß wiederum
in Strömen floss, blieb mir nur noch die Flucht in CEEDrik’s klimaanlagengekühltes und schützendes Blechkleid. Bei der anschließenden gemütlichen Heimfahrt fuhr mein Körper Blutdruck und Adrenalin allmählich wieder in bekömmlichere Bereiche.
Bis zum nächsten Mal sage ich nun jedoch NORDSTERN ahoi.
Gruß Kundi
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