Ich hatte am Sonnabend, den 20. Oktober 2018 in den frühen Abendstunden wieder mein kleines Muggenpilger-Ränzlein mit der Kamera geschnürt und knatterte anschließend mit meinem slowakisch-koreanischen Straßenschiffchen los zu neuen Konzert-Ufern. In der Altstadt von Pirna fand ich schnell ein Plätzchen und CEEDrik hatte für die nächsten Stunden Ruhe. Das letzte Stück des Weges legte ich auf Schusters Rappen zurück. Die Kleinkunstbühne Q24 empfing mich mit offenen Türen und dem durch das Abendkassenteam freundlich dargebotenen Guten Abend-Gruß. Für eine Handvoll Euros wechselte eine Eintrittskarte den Besitzer und ich durfte passieren.
Der Veranstaltungsraum füllte sich ziemlich langsam, aber stetig. Ausverkauft war der Laden trotz Teilbestuhlung aber nicht. Für die Anwesenden wurde es jedoch ein phantastischer Abend mit der Band MasterPeace und ihren ausgewählten BOB DYLAN-Songs.
Aber bis die musikalischen Töne über unsere Gedanken und Gefühle bestimmen würden, sollte es noch ein paar Minuten dauern. Man vertrieb sich die Zeit mit Gesprächen, der Getränkebesorgung oder dem Studium der aushängenden Konzertplakate.
Ein Mitglied des die Kleinkunstbühne Q24 betreibenden Vereins nutzte zunächst ebenfalls die Zeit, um dem Publikum Konzerte der nächsten Wochen schmackhaft zu machen. Dann stellte er mit kurzen Worten die Band des Abends vor und er zitierte dabei auch noch aus dem Bericht eines Konzertbesuchers aus dem Internet. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, denn es war wortwörtlich der Abschluss meines eigenen Konzertberichtes von der Mugge am 29. Mai 2015 in Dresden: „Leute, ich gebe euch mal einen Tipp und das völlig selbst- und kostenlos: Wenn ihr die Chance habt, MasterPeace zu erleben, nutzt sie. Hingehen, zuhören, genießen!“
Der Bandname MasterPeace ist gar nicht so weit von Masterpieces (zu Deutsch Meisterstücke) entfernt. Der Bandname MasterPeace ist ein sehr schönes Wortspiel, finde ich. Der Bezug zu Mister BOB DYLAN ist für einen Laien wie mich gar nicht so offensichtlich. Aber ich habe dafür aus den mir zugänglichen Materialien eine mögliche Erklärung überleg: Im Jahr 1978 erschien von BOB DYLAN nur in Japan, Neuseeland und Australien eine 3fach-LP(Langspielplatte) unter dem Titel "Masterpieces". Übersetzt bedeutet Masterpieces so viel wie Meisterwerke. Auf den 6 Albenseiten waren ja auch viele Hits und einige Raritäten des Meisters gepresst. Einige Lieder davon haben sich übrigens auch die MasterPeace-Musiker für ihr Programm gewählt. Mit Veröffentlichung von "Masterpieces" sollte 1978 DYLAN‘sTour durch Australien, Japan und Neuseeland in jenem Jahr wirksam vorbereitet/unterstützt werden. Diese Original- "Masterpieces"-Schallplatten sind heute übrigens begehrte Sammlerstücke.
MasterPeace ist nicht nur ein sehr schönes Wortspiel bzw. eine sehr schöne Wortneuschöpfung, sondern zugleich auch ein spezieller Hinweis für die Fans, denn gut die Hälfte des MasterPeace-Programms besteht aus DYLAN-Liedern, die auch auf „Masterpieces“ zu finden waren.
Die offensichtlich beabsichtigte Verwendung des Wortes Peace (Frieden) im Bandnamen gefällt mir gut und der Friedensgedanke passt auch gut zur Musik von BOB DYLAN. Irgendwie erinnert mich die Wortschöpfung MasterPeace auch an die berühmte „Make love, not war“-Anti-(Vietnam-)Kriegs-Parole der Hippies in den sechziger Jahren. Leider ist es heute noch so, dass auf der Welt Krieg, Hunger, Elend und Ausbeutung Leid über die Menschen bringen. Da kann man auch nicht oft genug den Frieden anmahnen.
Mit „It ain’t me babe“ stöberte die Band MasterPeace gleich zum Auftakt in den „Masterpieces“ von BOB DYLAN. Besagter Titel war der dritte Song auf Seite 6 des Dreifachalbums. In der ersten Konzerthälfte folgten noch weitere Stücke von der „Masterpieces“-Zusammenstellung wie „Dont’t think twice, it’s allright“, „Love minus zero/No Limit“; „All Along the Watchtower“ und „Ballad of A Thin Man“. Dazwischen waren noch Perlen wie „License to Kill“ versteckt.
Das Publikum war von Anfang an Feuer und Flamme bei dieser von einer stimmgewaltigen Dame und 4 musikalischen Spitzenkönnern zelebrierten DYLAN-Gala. Dieses international besetzte Star-Quintett namens MasterPeace gab den ganzen Songs ihren neuen und ganz eigenen Charme. Dazu trugen die musikalischen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Musiker, die geänderten Arrangements, zum Teil auch geänderte Tempi und die großartige Stimme von Steffi Breiting bei. Wir hörten handgemachte, ehrliche Rockmusik, die absolut zeitlos ist und die zum Beispiel auch dem ganzen üblen Synthiepop der 80er Jahre meilenweit voraus ist. Aber das alles erreichte die Herzen und Seelen der Zuhörer letztendlich nur, weil die Musiker selbst auch mit Herz und Seele agierten. Da störte es mich auch nicht weiter, dass die Lichtunterstützung an diesem Abend mangelhaft war. Das hatte ich hier auch schon etwas besser erlebt. Zur Teilbestuhlung spare ich mir aus Freundlichkeit mal einen Kommentar.
Steffi Breiting brillierte mit ihrer vollen und kräftigen Altstimme. Manchmal klang sie etwas rau, manchmal leicht rauchig, aber immer strahlte ihr Gesang auch menschliche Wärme aus. Apropos Wärme im Q24 tropfte bald der Schweiß von Musikern und Fans von der Decke. Die kleine Bude heizte sich tatsächlich ganz schnell auf.
Es war auch wieder ein Genuss dem Gitarristen Tobias „Tobi“ Hillig bei der Arbeit zuzusehen und vor allen Dingen zuzuhören. Tobi veranstaltete wieder ein 6-Saiten-Festival der Extraklasse mit traumhaften Solos, aber auch mit einem effektiven Mannschaftsspiel. Da war keine gespielte Note zu viel oder überflüssig. Der Mann mit den schlanken, schnellen Fingern ist mit und auf seiner Gitarre ja ein Muster an Spielphantasie, Kreativität und Effektivität.
Die beiden internationalen Herren, die das musikalische Geflecht von MasterPeace rhythmisch zusammenhielten und somit unauffällig lenkten, leisteten auch ganze Arbeit. Der schottische Drummer Jeff Allen und der japanische Bassgitarrist Kuma Harada agierten ruhig und punktiert. Diese zurückhaltende, unaufdringliche und trotzdem deutlich hörbare Rhythmusarbeit ist für den Sound der Band ganz wichtig. Ich habe selten so eine präzise Rhythmusgruppe erlebt. Dass Jeff und Kuma sonst mit Größen wie Mick Taylor (Ex-ROLLING STONES-Gitarrist) oder dem Ausnahme-Gitarristen Snowy White spielen, glaube ich wohl.
Nach der Pause ging es für das Ensemble und das Publikum wieder frisch ans Werk und zwar ans musikalische Lebenswerk von BOB DYLAN. „Masters of War“ erschien im Jahr 1963 auf dem zweiten Album des >Meisters, welches „The Freewheelin' Bob Dylan" hieß. Aber auch auf „Masterpieces“-Zusammenstellung war das Lied verewigt.
Wer hätte vor 55 Jahren gedacht, dass die Herren der Kriege im Jahr 2018 immer noch ihr Unwesen treiben und dass dieses Antikriegslied immer noch aktuell ist? MasterPeace spielte eine sensationelle und beherzte Version dies Liedes in deren Zentrum die Gesangsinterpretation von Steffi Breiting stand. Die blonde Sängerin steigerte sich mit ihrer rauen rock-, blues- und soulgetränkten Stimme richtig in das Stück hinein. Dabei setzte sie die Stimme wie ein Instrument ein. Nach einem leisen Beginn endete „Masters of War“ laut und kräftig. Durch dieses gestalterische Mittel kam das Anklagende des Liedes richtig zum Vorschein.Aber auch die instrumentale Bearbeitung grub sich tief in die Zuhörerseele ein. Man meinte förmlich den müden Marschtritt ausgelaugter und vom Krieg gezeichneter marschierender Soldaten zu hören.
Das nächste Meisterstück folgte mit „The Times They Are A-Changin‘“. Nach „Winterlude“ konnte Steffi ihre Stimme eine Weile schonen, denn ENGERLING-Altmeister Wolfram „Boddi“ Bodag übernahm für „Absolutely sweet Marie“ und Watching the Rivers flow“ die Rolle des Sängers.
Boddi als Musiker zu erleben, ist ja immer reine Sahne. Ob Gesang, Mundharmonika- oder Keyboardspiel – der Mann ist mit seinem Können und seiner Spielfreude immer eine sichere Bank. Mir gefiel es auch in Pirna, dass er die Lieder nicht einfach so herunterspielte, sondern sich hier und da bei einem Vor – oder Zwischenspiel an seinen Tasteninstrumenten auch ab und zu die Zeit zum Improvisieren nahm. Solche feinen Überraschungen mögen wir Fans doch.
Mit „Forever Young“ meldete sich die bezaubernde Steffi auf der Bühne zurück. Auch diese Ballade veredelte sie mit ihrer Stimme. Der eindringliche und feierlich anmutende Gesang kam einer bombastischen Hymne gleich. Wenn man das gehört und in sich aufgesogen hat, bleibt man fast automatisch im Herzen und im Geist für immer jung.
Der Titelsong von DYLAN’s elften Studioalbum „New Morning“ leitete allmählich den Ausklang des Konzertes ein. Vor der Ehrenrunde folgte aber noch „Rainy Day Woman“ vom Album „Blonde on Blonde“.
Es ist mehr als verständlich, dass das Publikum noch lange nicht genug hatte und stürmisch Zugaben forderte. Das MasterPeace-Geschwader zierte sich auch nicht lange und kam nach wenigen Augenblicke zur Bonusrunde zurück. Unter anderem sangen Fans und Band gemeinsam noch „Like A Rolling Stone“. Nach über 2 Stunden Spielzeit endete der musikalische Teil des Abends mit tosendem Applaus und begeisterten Pfiffen. MasterPeace hatte in Pirna ein phantastisches Konzert gespielt und viele neue Fans dabei gewonnen.
Gruß Kundi
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