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KIRSCHE & CO. 24.03.18 Eastclub Bischofswerda
KIRSCHE & CO. 24.03.18 Eastclub Bischofswerda
in Konzertberichte 2019 und älter 01.04.2018 18:21von Kundi • | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte
Mein Kumpel CEEDrik wird sich wohl ungläubig seine Scheinwerfer gerieben haben als wir am vergangenen Sonnabend in unmittelbarer Nähe des eastclubs parkten. Das war ja schon wieder so ein kurzer Ritt wie am vergangenen Wochenende. Wird der Typ hinter dem Lenkrad etwa alt? Bei so einer kurzen Strecke werden meine Motorpferdchen nicht mal richtig warm. Ceedrik, alter Freund aus Blech und Stahl, das ist nur ein Zufall, ich habe die Termine nicht gemacht.
KIRSCHE & CO. aus Thüringen wollten an diesem Abend in Bischofswerda rocken. Die Band hatte ich viel zu lange nicht mehr gesehen und sie nun sogar in unmittelbarer Heimatnähe zu erleben, konnte ich mir doch nicht entgehen lassen. Ich mag KIRSCHE & CO. Die Truppe ist nun auch schon seit mehr als 30 Jahren auf den Bühnen des Landes zwischen Werra und Oder-Neiße unterwegs. Ob open air, Dorfsaal oder Club - die Kapelle ist immer gerne gesehen. Bei den Fans hat sie sowieso einen riesigen Stein im Brett und das vollkommen berechtigt.
KIRSCHE & CO. erblickte 1987 das Licht der Welt nachdem Sänger Andreas "Kirsche" Kirchner bei der damals besonders in Kunden-, Tramper- und Blueser-Kreisen beliebten Band PASCH ausstieg und gleich noch Gitarrist Klaus Müller von Baczko mitnahm. Kirsche und Bandchef Wilfried „Willi“ Woigk gehörten zur Gründungsbesetzung von PASCH. Sie kamen damals von der ebenfalls in Thüringen beheimateten Band KARACHO. Bei letztgenannter Truppe spielte übrigens auch Kirsche's Schulfreund Mario Zink die Bassgitarre. Den Namen können wir uns gleich merken, denn auch der Basser ist nun schon mehr als zwei Jahrzehnte lang bei KIRSCHE und CO. Das gilt auch für Schlagzeuger Olaf "Otto" Köhler. Gelegentlich wird das Ensemble im Studio und auch bei Muggen außerdem vom PASCH-Keyboarder Ralf "Zappa" Iben verstärkt.
Bleiben wir noch mal ganz kurz bei PASCH. Ab 1988 führte Lothar "Lotix" Wilke (ehemals in der Band von JÜRGEN KERTH) ein Trio namens PASCH und er tut dies auch noch heute. Gründungsmitglieder sind bei der Frei-Mann-Combo nicht dabei. Seit dem Jahr 2014 gibt es jedoch auch wieder ausgewählte Konzerte von PASCH in ziemlich genau der Originalbesetzung vom Jahr 1986, also auch mit Sänger Andreas "Kirsche" Kirchner und Gitarrist Klaus Müller von Baczko. So sind gelegentlich 2 Bands aus Thüringen mit dem Namen PASCH unterwegs. So etwas Ähnliches kennen wir auch noch von RENFT und MONSTERS RENFT-Band in den neunziger Jahren. Sowohl bei PASCH als auch bei von KIRSCHE & CO. ist der Begriff Kult-Band mehr als berechtigt und auch angezeigt.
Diesmal habe ich auch mal etwas zum Abend zu meckern. Der Gig im Eastclub Schiebock begann mit mehr als 60 Minuten Verzögerung. Das ist schon nervig für auswärtige Fans. Außerdem war der Club trotz guter Werbung mit Plakaten in der Stadt und der Umgebung sowie der entsprechenden Bekanntgabe in Zeitungen und Internetmedien nur mäßig besucht. Für einen Muggenpilger, Konzertnomaden und Konzertgänger ist so etwas nicht nachzuvollziehen. Das vorhandene Bühnenlicht im Club ist außerdem auch nicht gerade der letzte Schrei. Der Drummer Otto zum Beispiel saß fast völlig im Dunkeln.
Mit einem Klassiker aus dem Jahr 1994 vom Album "Herz aus Stein" und einem echten Gassenhauer über unsere verflossene Jugendzeit heizten KIRSCHE & CO. den Besuchern gleich ordentlich ein. Selbstverständlich erkannten viele den Titel "Zonenzeit" wieder. Ich mag dieses Lied und sang es auch lauthals mit. Ich sing zwar nicht schön, aber mit Inbrunst.
Die thematisierte Rückschau von 2 (ehemaligen) Kunden auf die alten Tage setzte auch in meinen Kopf wieder Bilder und vergangene Erlebnisse frei. Es dauerte auch gar nicht lange und schon waren vorn in Bühnennähe Tanzbewegungen wahrzunehmen. Die härtesten Tänzerinnen und Tänzer schafften sich genauso lange vor der Bühne wie die Band ihre Instrumente und Stimme zockte.
KIRSCHE & CO. singen nicht von heiler Welt oder rosafarbenen Ponyhof und auch nicht von wir haben uns alle schrecklich lieb-Szenarien. Die Berg- und Talfahrten des Lebens, menschliche Irrungen und Wirrungen werden genauso besungen wie auch Missstände. Die Unbequemen und Unangepassten mit ihren Siegen und Niederlagen, mit ihren Hoffnungen und Zweifeln werden ebenso besungen wie du und ich. Die Themen sind voll aus dem Leben gegriffen. Kirsche stirbt als Texter nicht gerade an Magendrücken. Manche Sätze klingen etwas schnodderig oder ungehobelt, aber das ist kein Makel, sondern verständliche Alltagssprache. Wo ordentlich (wort-)gehobelt wird, fallen eben auch ordentlich (Wort-)Späne. Mir gefällt das.
Immerhin hat es die Kapelle bis dato inklusive Live-CD und DVD bis hin zur aktuellen Scheibe auf 14 ausführliche Veröffentlichungen gebracht. Das ist eine ganze Menge Material und das sind viele großartige Songs.
Obwohl KIRSCHE & CO. keine dieser „wir haben die wahre Botschaft“-Bands ist, kann man sich doch so einiges aus den Texten herausnehmen. Zum Beispiel, dass man nie aufgeben soll und nach jedem Lebenssturz wieder aufstehen und von vorn anfangen soll oder, dass man nicht alles mit sich machen lassen soll, sondern sich stattdessen wehren soll. Das klingt jetzt für Außenstehende sicher ein bissel nach großer Weltschmerz und alles ist ganz furchtbar in diesem Leben, aber viele Lieder aus dem großen Song-Füllhorn der Band KIRSCHE & CO machen auch Mut, geben Kraft und richten dich oder mich wieder auf, wenn es mal wieder ganz dicke kommt.
Der nächste Song "Wer sich nicht wehrt" (lebt verkehrt) war ein funkelndes Beispiel für die Extraklasse der Band und er bestätigt gleichzeitig das von mir zuvor geschriebene.
Gitarrist Klaus Müller von Baczko und Andreas Kirchner sind die Komponisten von KIRSCHE & CO. Ich denke, ihre kompositorischen Handschriften sind allererste Sahne und die Lieder sind deutlich als Ki. & Co.-Produkte zu erkennen.
KIRSCHE und CO. sind keine Hampelmann-Kapelle, sondern eine Rockband bei der die Mugge immer im Mittelpunkt steht. Das Musiker-Kleeblatt aus Thüringen fährt schon ein tolles Brett Musik und live kommt das besonders gut. Viele Veranstalter und Fans wissen, dass KIRSCHE und seine Bandgefährten einfach eine sichere Bank für gute Songs und für richtig abgehende Konzerte sind. In Bischofswerda konnten die Konzertbesucher eine um die andere Brise melodiebetonten, druckvollen und mitreißenden Deutschrock ohne Fisimatenten genießen. Das Soundgemisch klingt ungekünstelt, teilweise etwas ruppig, rotzig und dreckig. So haben wir es doch gerne, eine in die Beine gehende Mischung aus Rock, Alternative Rock und Punk in die vielleicht noch eine kleine Portion von diesem und jenen Stil untergepflügt wurde.
Die Musiker sind hörbar handfeste Kerle, sie haben ihre musikalische Sache und ihre Instrumente/Stimme ordentlich im Griff. Da kommt schon eine ordentliche Dröhnung an Tönen und Geräuschen rüber. KIRSCHE & CO. treten der Bequemlichkeit des eigenen Denkens und auch den Hörgewohnheiten von sanften Trallala ganz gehörig in den Arsch.
Da trommelt ein Olaf „Otto“ Köhler so kräftig und heavy, dass die Breaks fast wie Donnerhall klingen. Mario Zink spielt seinen Bass so, dass die Tieftöne einem förmlich in die Magengrube treffen. Diese Rhythmusfraktion liefert schon ein sehr Fundament, welches sehr deftig und schlüssig klingt.
Klaus Müller von Baczko bedient die 6 Saiten seiner Klampfen mit der Präzision und Schärfe eines Eierschneiders. Da kommt man sich schon manchmal vor wie an der Kreissäge, wenn die Töne so schneidend scharf durch den Raum fliegen. Seine Solos geben den Songs eine zusätzliche Würze. Aber der Mann hat auch die richtigen Fingerchen für die etwas leiseren Töne.
Ich mag auch die raue, leicht kratzige und kräftige Stimme. RIO REISER-Vergleiche spare ich mir jetzt mal, denn wir wissen doch, dass KIRSCHE mit seinen Mannen gelegentlich auch Konzerte mit Liedern von RIO und TSS gibt, dieses Projekt nennt sich JUNIMOND. Aber das eine oder andere Lied vom leider viel zu früh verstorbenen Song-König gibt es auch unter der KIRSCHE Und CO.-Flagge. In Bischofwerda gab es in der allgemein als Zugabe bezeichneten Nachspielzeit beispielsweise „Der Turm stürzt ein“ und die Ballade „Junimond“. Bei letztgenannter Nummer laufe ich gewöhnlich innerlich heiß, weil an dieser Nummer so viele Erinnerungen hängen und weil „Junimond“ in Frühjahr/Sommer des Jahres 1988 schon eine große Bedeutung für mich hatte.
Der namensgebende Song der 2013er CD „Bessere Zeiten“ ist ein richtiger Kracher und den Refrain musste ich einfach laut mitbrüllen: „Wir hatten doch alle schon mal bessere Zeiten“. Ja, so ein KIRSCHE & CO-Abend ist auch so etwas wie eine Therapiesitzung für vom Leben gebeutelte Menschen. Ganz ehrlich, wir hatten doch alle schon mal bessere Zeiten im Leben, schlechtere allerdings auch. Aber wir kämpfen die Kämpfe unseres Daseins weiter. Gute Mugge kann dabei helfen.
Die Band spielte in Bischofswerda einige Lieder von diesem 2013er Album wie „Das war nicht immer so“, „An die Wand“ und „Verdammte Sehnsucht“. Hervorheben möchte ich dabei „Jung und Frei“. Das ist wieder so eine schöne und dennoch auch streitbare Rückschau auf die Jugendzeit. „Es war mal ein Land am Ende der Welt… Wir lebten ein Leben, wie es uns gefiel und wir lebten anders als die Masse. Wir hassten die Spießer und ihre Moral…“ „Wir waren jung und fühlten uns frei. Der Rock’n Roll war immer dabei“. Einige Aussagen über die damaligen Zeiten habe ich damals allerdings so nicht geteilt. Ich stand eben nicht total kontra zur Gesellschaft und lebte ganz gerne in diesem Land am Ende der Welt. Warum soll ich das heute verschweigen oder verklären? Es war ebenso. Aber auch ich rebellierte gegen die Spießer, ihre Moral und gegen die ältere Generation inklusive ihren Regeln, Beschränkungen und Verboten.
Die aktuelle Scheibe von KIRSCHE & CO. heißt „Frei bist du nie“ und auch sie hebt sich deutlich von dem alltäglichen und reichlich in den Medien beworbenen Dudelkram ab. Vielleicht ist es sogar die bisher beste Scheibe der Band. Dass die Jungs von dem Material selbst auch überzeugt sind, merkte man bei dieser Mugge deutlich, denn sie hielten mit den Songs nicht hinter dem Berg, sondern sie hauten uns die neuen musikalischen Schmackofatzos mit ordentlicher Power förmlich um die Lauschlappen. Einige dieser Nummern wie „Schuld“, „Kein Liebeslied“, „Fallen wie ein Stein“, „Zwischen Glaube und Zweifel“; oder „Falkenstein“ gruben sich sofort in die Gehörgänge und wollten dort auch nach Stunden nicht wieder raus.
KIRSCHE hat wohl manchmal dieselben Probleme wie du und ich. Beim Anfang von „kein Liebeslied“ könnte er auch über einen meiner gelegentlich beschissenen Tage singen oder auch über deine:
„Ich stehe im Bad vorm Spiegel.
Doch was ich seh‘ gefällt mir nicht,
ein alter Sack im Pyjama mit Falten im Gesicht.
Die Nacht war beschissen, ich musste oft aufs Klo.
Ein Typ macht dumme Witze zu Scheißmusik im Radio.
Ich bin todmüde, fühl‘ mich mies und klein,
scheint heute nicht mein Tag zu sein.“
KIRSCHE verarbeitet das eben in einem Song und er macht aus der Misere noch einen guten Song.
Übrigens haben KIRSCHE und seine Mannen auf der neuen Platte auch ein neues Heimatlied platziert. Bei der Nummer wäre Herbert Roth blass geworden. Es heißt „Thüringen Polka“ und rockt wie die Hölle. Angenehmes Beiwerk war, dass KIRSCHE & CO: durch diese Nummer etwas mediale Präsenz in der Region gewannen.
(„Halt’s Maul und“)“Tanz mit mir“, „Immer noch verrückt“ und „Nie wieder“ waren noch einige der Klassiker, welche KIRSCHE & CO. uns auf den Setlisten-Gabentisch packten. Leider war mein Lieblingslied „Crazy People“ nicht darunter, aber was will die Band auch machen. Sie kann nicht alle Wunschlieder spielen. Aber wenn ich mir die relativ kurze Spielzeit von ungefähr 2 Stunden anschaue, hätte es für diese musikalische Verbeugung vor den seit Jahrzehnten treuen und reisenden Fans noch gereicht. Trotzdem war dieser Muggenstreich des Ensembles KIRSCHE & CO. in Schiebock alles andere als langweilig und lustlos. Zum Abschluss des Konzertes und dieses Berichtes noch ein Memo an mich selbst und anschließend ein Ratschlag für euch: Ich sollte meinen nächsten KIRSCHE & CO-Gig nicht wieder auf eine jahrelange Bank schieben. Wer von euch auch auf gute Mugge von hier steht und die Thüringer noch nicht kennt, sollte unbedingt einen Konzertbesuch ins Auge fassen.
Gruß Kundi
P.S: Die Fotos sind nicht gerade Extraklasse, aber bessere habe ich nicht. In solchen dunklen Kammern kommen mein schwarzes Knipskästchen und ich immer an unsere Grenzen.
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