Weiße Kaninchen und Rote Kraken (28.01.2015)
zum Ableben von Jefferson Airplane Gründer Paul Kantner (17.03.1941 – 28.01.2016)
Fragt man nach den wichtigsten Bands der 1960er und 70er Jahre, antworten wohl die wenigsten mit JEFFERSON AIRPLANE oder STARSHIP, weil unser Focus meist ein europäischer ist. Selbst beim Blick über den großen Teich kommen die wenigsten darauf, sich der Sternenschiffer zu erinnern. Dabei sind die von PAUL KANTNER, MARTY BALIN, beide Gitarristen und Sänger, sowie der faszinierend schönen GRACE SLICK als Frontfrau, zum Leben erweckten Sternenschiffer, sicher eine der wichtigsten Bands und Inspirationsquellen, die es jemals gab. Aus ihrer Melange von weißem Blues und psychedelischen Rockmustern entstand die Hymne „White Rabbit“ (Weißes Kaninchen), eine Adaption aus „Alice im Wunderland“ in Gestalt eines „Bolero“ nach dem Vorbild von Maurice Ravel. Zu finden auf dem Album „Surrealistic Pillow“ (1967) auf dem auch der „Plastic Fantastic Lover“, ein weiteres „zwielichtiges“ Spielzeug für Liebhaber zu finden ist. Mit dem Album „Red Octopus“ (Roter Krake), schufen sie 1975 ein in sich stilistisch geschlossenes Kleinod, das man durchaus auf einer Stufe mit den Eagles-Alben sehen darf und das durch das filigrane Spiel des Rockgeigers Papa John Creach mit Südstaatenflair veredelt wurde. Noch heute ist dieses Werk Orientierungspunkt für viele junge Musiker und Bands in aller Welt.
Musik vom STARSHIP mit PAUL KANTNER an der Gitarre und Mikrofon steht für mich in einer Reihe mit Größen wie den Grateful Dead oder Buffalo Springfield, sehr amerikanisch und kreativ. Selbst bei Nebenprojekten wie KANTNER, SLICK & FREIBERG’s „Baron von Toolbooth“ (1974) ist die stete Suche nach Ausdruck, der Botschaft wegen, nicht zu überhören. Solche Musik ist in sich sehr stimmig und das Zusammenspiel der Akteure ungemein ausgewogen, weil jeder der beteiligten Individualisten die Möglichkeiten in den Dienst einer Konzeption stellt. Zwar entstanden dabei nicht mehr die Lieder, die Anspruch auf Chartplatzierungen erheben, wohl aber den auf nachhaltigen Bestand. Dafür sollen die Musiker von Jefferson Airplane, nun leider ohne PAUL KANTNER, in diesem Jahr mit einem Grammy – Sonderpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet werden.
Dass sich viele Inhalte seiner Songs um das Thema Science Fiktion ranken, macht ihn für mich noch zusätzlich sympathisch und interessant. Er benutzte viele seiner Ideen als Metapher, um Dinge aus dem gesellschaftlichen Leben aufzugreifen und kritisch zu kommentieren, wie bei „Blow Against The Empire“ (1970) spannend zu erleben ist. Mit PAUL KANTNER verlieren wir schon wieder, einem immer schneller werdenden Takt folgend, eine weitere herausragende Ikone der Rockmusik. Zusätzlich habe ich persönlich so ein Gefühl, dass gar nicht so schnell junge und kreative Köpfe nachwachsen, wie alte Heroen uns, jeden kommenden Tag neu, verlassen. So wie es sich anfühlt, starten wohl die Vertreter einer großartigen Musikepoche mit ihren STARSHIPS langsam aber stetig in ein fernes Rockuniversum, wo sie sich auf einem riesigen „Surrealistic Pillow“ ausruhen werden oder wahlweise „Knee Deep In The Hoopla“ wild rocken können. Die Gitarre und Stimme von PAUL KANTNER werde ich jedenfalls gut heraushören und bei „Somebody To Love“ mitsingen können.