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BIG COUNTRY live - das Konzert in Dresden

in Konzertberichte 2019 und älter 24.05.2013 18:41
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

In einem großen Land – mit Big Country bei Tante Ju ( 23.05.2013 )

In der populären Musik kommen und gehen die Modeströmungen und Spielarten wie die Jahreszeiten im Laufe eines Kalenderjahres. Manchmal geschieht es sogar, dass sich bestimmte Dinge wiederholen, ohne das es die nächste Generation als Wiederholung erkennt. Wir alle meinen zu wissen, dass in den 1980er Jahren der Punk tobte, New Wave glitzerte und alles mögliche andere auch unter dem Signum „Intependend“ als neu auftauchte. Solche Trends und Moden kommen und gehen auch wieder, nur manche Bands eben nicht, die zufällig in solche Zeiten hinein gegründet wurden. Die simple Erklärung ist dann meist, dass die mit den Modemätzchen jener Epoche eigentlich gar nichts am Hut hatten. So eine Band aus Schottland war BIG COUNTRY, die eigentlich weiter nichts machten, als deftigen Rock ebenso deftig und unkompliziert mit Folk zu verbinden. Viele Melodien ihrer Lieder folgen schottischen Traditionen, kopieren deren Stilistik und nur der Rhythmus, auf dem das geschieht, ist moderneren und zeitgemäßer, aber dennoch weder Punk, noch Wave oder was auch immer, sondern schlicht und einfach Rock’n’Roll. Damit waren BIG COUNTRY den Simple Minds und U2 näher, als der Masse all jener, die zu Beginn der 1980er Jahre in England „neue Welle“ waren.

Als ihr Debut - Album „The Crossing“ erscheint, gehörte ich zu den Glücklichen in diesem „entfernten“ Land, die das brandneue schottische Original ihr eigen nennen durften. Die Platte von meinem Freund David drehte und drehte sich auf meinem Plattenteller, denn was STUART ADAMSON & Co. auf dieser Scheibe ablieferten, hatte und hat das Zeug für die Ewigkeit. Seither ist zwar nicht ganz eine Ewigkeit vergangen, aber dreißig Jahre sind im Leben eines Menschen nicht gerade ein Pappenstil und deshalb bin ich sehr froh, fast dreißig Jahre später, nach dem Erscheinen des Vinyls, doch noch die Chance zu haben, BID COUNTRY nah und richtig live zu erleben.
Zwar gab es im Vorprogramm der Rolling Stones, das war im Mai 1998 und das Ticket kostete satte 144,00 DM, schon mal eine Begegnung, aber das Berliner Olympiastadion ist eine ganze Dimension größer, als die Tante Ju in Dresden, wo man direkt vor der Bühne stehen kann. Damals in Berlin war die Bühne und damit die Band optisch weit weg und das Erlebnis, die Band von STUART ADAMSON live zu hören, nicht sehr intensiv unter vielleicht 70.000 Leuten.

Inzwischen ist von der Originalband nur noch die Hälfte am Start. STUART ADAMSON schied 2001 freiwillig aus dem Leben und TONY BUTLER, der langjährige Bassist, zog sich im vergangenen Jahr aus dem Musikzirkus zurück. Von Beginn an dabei ist noch immer BRUCE WATSON, der mit dem unverwechselbaren Spiel seiner Gitarre, durchaus ähnlich dem von Charlie Burchill von den Simple Minds, den Stil der Band bis heute prägt. Hinter dem Schlagzeug sorgt noch immer MARK BRZEZICKI, einer der besten Drummer Englands, gemeinsam mit dem ehemaligen Bassisten der Simple Minds (!), DEREK FORBES, für den typischen Drive der Band. Ergänzt wird das aktuelle Line-up vom Sänger MIKE PETERS (ex -The Alarm) und JAMIE WATSON, der Sohn von BRUCE, als zweiter Gitarrist. In dieser Besetzung kamen sie nach Dresden, um ihr neues Album „The Journey“ vorzustellen.

Es war von Beginn an der erwartete Orkan, der lautstark, heftig und ungeschminkt von der Bühne herunter dröhnte, wie aus den schottischen Highlands. Kein Zweifel, BIG COUNTRY und ihr typischer Gitarrensound sind wieder da und um das zu zeigen, begannen sie geschickt symbolisch mit „Return“ (Rückkehr) von ihrem neuen Album. Bei diesem Gitarrengewitter ist kein Unterschied zu den früheren Songs wie „Thousand Stars“ oder „Harvest Home“ zu hören, die sie anschließend zum Besten geben. Mittelpunkt der Show ist der Sänger MIKE PETERS, der es gut versteht, den älteren Stücken wieder Leben einzuhauchen und so, völlig ohne Pathos, auch an seinen Vorgänger am Mikrofon zu erinnert. Seine Stimme hat das gleiche Timbre und der Mann lebt jede Note mit seinem ganzen Körper vor dem Mikrofon aus. Um den Hals hängt seine Gitarre, auf die er, deutlich lesbar, „Dresden“ gekritzelt hat.

Dem Mann an der Lead-Gitarre, BRUCE WATSON, ist jede solistische Einlage ein Grund, quer über die Bühne zu tanzen oder seine Bandkollegen mit kleinen Späßen und Posen zu locken. Mal steht er an der Seite seines Sohne JAMIE, mal wieder geht er zum Schottenrock tragenden Mann am Bass, um dann wieder ein Blick zum Schlagzeug hin zu schicken. Dem alten Haudegen sieht man die Freude am Spiel mit der Band in jedem Moment an.
Von der neuen Scheibe bekommen wir den Titelsong „The Journey“ zu hören und das etwas ruhiger gehaltene Stück „Hurt“, ehe es mit „Look Away, Look Away“ aus früheren Jahren wieder richtig von der Rampe donnert, damit der Chor der Anwesenden den Refrain laut mitsingen kann. Die Band ist jetzt voll in Fahrt. Ein guter Zeitpunkt für eine knallenden Solo-Einlage mit dem Bass. DEREK FORBES stellt sich dafür vorn an die Kante und dann singen die vier Saiten ihr eigenes Ständchen, getrieben von seinen flinken Fingern, währen wir davor stehen, staunen und toben. Das schnelle Tempo des Bassisten übernimmt die Band, um ein weiteres neues Stück, „Home Of The Brave“, vorzustellen.
BIG COUNTRY scheint mir in bester Spiellaune zu sein, obgleich das vor diesem kleinen Häufchen begeisterter Fans, die genug Platz zum Toben haben, nicht unbedingt zu erwarten ist. Trotzdem, in seiner Spiellaune lässt BRUCE WATSON schon auch mal seine Gitarrensaiten am Mikrofonständer entlang gleiten. Auf dem absoluten Höhepunkt der Auswahl neuer und älterer Stücke gibt es dann endlich das ersehnte „Fields Of Fire“ und beinahe scheint es, als wäre ADAMSON irgendwie mit auf der Bühne.

Irgendwann hält es den Frontmann nicht mehr auf diesen Brettern. Er steigt über die Treppe nach unten und versucht, gemeinsam mit seinen Fans – es sind einige Schotten anwesend – im Chor zu singen und mit ihnen, bei „Lost Patrol“, Spaß zu haben: „Yeah, Yah Yeah, Yha Hoo – One, Two, Three, Four - we saved our souls, we broke our promises.“ Da sind die meisten vorn an der Rampe völlig aus dem Häuschen, sie singen und tanzen mit denen da oben mit, während die Gitarre über dem Chorgesang ihr Solo spielt. Mike ist mitten unter seinen Fans und inmitten der Fans ein kleines Mädchen, das sogar mit an seiner Gitarre spielen darf.
Mit „Hail And Farewell“ wird es ruhig, beinahe besinnlich. Der Abschied wird eingeleitet. Eine schöne balladeske Nummer, bei der BRUCE seine Gitarre noch einmal ausgiebig singen lassen kann, ehe dann der endgültige Abschied mit „In A Big Country“ eingeleitet ist. In die letzten Akkorde hinein holt MIKE PETERS das kleines Mädchen zu sich hoch auf die Bühne. Für ein gemeinsames Gruppenfoto stehen und hocken dann die Herren mit der Kleinen auf der Bühne, ehe sich dann jeder der Musiker einzeln von den, mitunter sehr weit angereisten Fans, verabschiedet. Schön, heftig und dynamisch war der Abend und außerdem gut geeignet, mal all den irdischen Unsinn aus der Birne zu blasen.

Danach ergibt sich für mich die Gelegenheit, mit zwei der angereisten Schotten über Rock’n’Roll, Big Country und Simple Minds ein wenig mehr zu reden, denn die Zeit nach dem Konzert zieht sich, aber ein kleines Stück Vinyl von mir braucht unbedingt die Unterschrift von MARK BRZEZICKI. Der Mann hat bei vielen Studioaufnahmen mitgewirkt und ungezählte Projekten und Platten mit seinem Spiel veredelt. Zwei davon, Procol Harum’s „Prodigal Stranger“ und Roger Daltrey’s „Under A Raging Moon“, trage ich am frühen Morgen nach Hause, um sie signiert, wie die ebenfalls signierte LP von BIG COUNTRY, wieder in das Regal zu stellen. Das musste einfach sein, wenn einer aus einem ehemals „Broken Promise Land“, ein BIG COUNTRY besuchen kann und dort auch noch so viel Spaß mit sattem Rock’n’Roll, gewürzt mit schottischem Folk hatte. Wir sehen uns – in der Tante Ju.

Für mehr schaut bitte hier: http://www.mein-lebensgefuehl-rockmusik....%20in%20Sachsen

Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 24.05.2013 18:42 | nach oben springen

#2

RE: BIG COUNTRY live - das Konzert in Dresden

in Konzertberichte 2019 und älter 25.05.2013 08:48
von Kundi | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte

Es gab mal eine Zeit in einem untergegangenem Land, da war BIG COUNTRY in aller Munde. Das war im Juni 1988 als es in Berlin-Weißensee "Brot und Spiele" für die musikhungrige Jugend der DDR gab. Ich hing die ganze Zeit am Fernseher und habe mir alle Konzerte angeschaut, die von der Friedenswoche der FDJ gesendet wurden. Bryan Adams, Fischer-Z, Marillion, Rainbirds, Heinz Rudolf Kunze, James Brown und andere spielten in Berlin. BIG COUNTRY hat mich damals auch begeistert. Insbesondere die dudelsackmäßigen Gitarrenklänge von "in a Big Country" hatten es mir angetan. Ehrlich gesagt, hatte ich die Band später nicht mehr so verfolgt. Unsere Bands wie CITY, No 55, oder Die Zöllner wurden bei dieser Veranstaltung damals ganz schon verheizt. Das war bitter.

Ich hatte als Musikfan damals Hoffnung, weil 1987/88 wirklich viele Stars in der DDR spielten und ich hoffte, dass ich bei solchen Muggen auch mal dabei sein konnte. Bob Dylan bei 750 Jahre Berlin und Joe Cocker in Dresden fallen mir da noch ein und natürlich der Boss, der am 19.07.1988 das größte Konzert gab, welches die DDR je sah. Ich habe beim Springsteen-Konzert vor dem TV-Gerät gekniet und war fassungslos vor totaler Begeisterung. Offizielle Zahlen sprachen von 160 000 Zuschauern.Es waren wohl aber sogar deutlich mehr.

Danke für diesen Ausflug zu BIG COUNTRY.

Gruß Kundi


zuletzt bearbeitet 25.05.2013 08:49 | nach oben springen

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RE: BIG COUNTRY live - das Konzert in Dresden

in Konzertberichte 2019 und älter 25.05.2013 09:34
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Für unser Forum und für den Beitrag von Kundi bin ich mal in die analogen Abgründe meiner (Papier)Archive hinab gestiegen, um den entsprechenden Flyer der Konzerte, von denen Kundi schreibt, heraus zu kramen.

Mir geht’s wie Kundi. Die meisten Konzerte habe ich damals vor der Glotze verfolgt. Einiges allerdings auch live erleben dürfen und das war gigantisch. Uns alle hat damals die Liebe zur Musik dorthin getrieben und eher nicht die Idee, irgend einer Symbolik Ausdruck zu verleihen. Das geht mir heute immer noch so - vor der Wahl reden sie anders, als danach – egal, wer da ein Konzert gegeben hat.

Angefügte Bilder:
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