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Puhdys 09.11.2015 in Marl - Gastbeitrag von Christian Reder mit Fotos von Frank Süßenbach

in Konzertberichte 2019 und älter 15.11.2015 20:04
von Kundi | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte

Diesen Bericht stellte uns Christian von www.deutsche-mugge.de zur Verfügung. Die Fotos stammen von Frank Süßenbach. Herzlichen Dank ihr beiden!

Nach Marl fährt man eigentlich nur, wenn man als Castroper sein neues Auto zulassen will. Ansonsten hat die Stadt nicht so viel zu bieten, was einen Ausflug dorthin rechtfertigen würde. Architektonisch gesündigt haben die Marler - ebenso wie die Castroper - auf ganzer Linie. Als wir am Montagabend in Marl aus dem Auto ausgestiegen sind, fiel sofort ein schönes altes Haus aus der Gründerzeit auf. Gleich in direkter Nachbarschaft, einen Steinwurf nur entfernt, hat man einen mehrstöckigen und grottenhässlichen Betonklotz hin gepflastert, der das kleine Haus daneben wie ein Nichts aussehen ließ und gegen den eine Transformatorenstation im Hochgebirge regelrecht Heimatgefühle in einem auslösen könnte. Hohe Architektenkunst neben einem Wohnsilo im übelsten 70er-Jahre-Stil. Bei dem Anblick kann man durchaus auch mal eine muntere Depression entwickeln. Zudem stellt man sich in Marl einen alten Zug verkehrt herum und mit den Rädern nach oben auf die Wiese, und nennt es dann Kunst. Unsereiner fragt sich beim Anblick als erstes, warum man die Unfallstelle hier nicht räumt, aber andere, mehr von Kunst verstehende Zeitgenossen, sehen das wohl anders. Wie dem auch sei ... Was Marl aber hat, ist ein wunderschönes Theater, in dem am Montagabend die PUHDYS zu Gast waren. Und das war ein echter Grund für einen Ausflug nach Marl.

Ein Konzert am Montagabend? Und dann noch auf halbem Wege ins Münsterland? Richtig gelesen. Auf dem Weg zum Konzert diskutierten wir noch im Auto darüber, ob das so eine gute Idee ist. Immerhin bekommt man den Ruhrgebietler so schon nur schwer vom heimischen Sofa gelockt, außer man zündet es ihm unter dem Hintern an. Und dann auch noch ein Konzert unter der Woche, wo man am anderen Tag wieder arbeiten muss? Aber die Befürchtung, wir würden später nur mit knapp 100 Leuten im großen Saal sitzen, wurde direkt nach unserer Ankunft im Theater zerstreut. Das Konzert war ausverkauft! Alle 800 Plätze waren vergeben, und das bereits seit Wochen. Das war die erste dicke Überraschung, der noch weitere folgen sollten. Im Foyer war der Fanartikel-Stand aufgebaut und das Haus bot dort außerdem Getränke an. Ein Blick in die Runde ließ mich feststellen, dass Konzerte hier wohl eher die Seltenheit sind. Kabarett und Comedy stehen hier - neben Theaterstücken - hauptsächlich auf dem Programm. Und prompt hatte ich auch schon etwas für mich entdeckt. Im Januar werde ich wohl wieder hier sein, wenn Hagen Rether sein neues Programm aufführt. Aber am Montag standen erst einmal die PUHDYS auf der Agenda und auf dieses Konzert hatte ich mich schon lange gefreut. Im letzten Jahr spielten sie ein paar Orte weiter, genauer gesagt in Coesfeld. Davon erfuhr ich dummerweise aber erst zwei Tage später, als das Konzert schon gelaufen war. Nun also Marl, was wegetechnisch für uns Castroper noch günstiger war. Mein letztes Konzert der PUHDYS hatte ich vor knapp 20 Jahren erlebt, damals noch mit Harry Jeske am Bass. Das war in Berlin und ich weiß heute nicht mehr, wo genau ... Danach hat es sich nicht mehr ergeben, die PUHDYS irgendwo nochmal live zu sehen. Immer war irgendetwas anderes. Die Spannung und Neugier war bei mir jedenfalls auf höchster Stufe und es konnte gar nicht schnell genug gehen, dass es 20:00 Uhr wurde.

Pünktlich um 20:00 Uhr klatschten die ersten Konzertbesucher und forderten den Konzertbeginn ein. Das Bild des ausverkauften Theaters mit den vielen Leuten war sehr beeindruckend. Und es waren nicht nur die in die Jahre gekommenen Fans, die den Weg ins Theater gefunden hatten, denn eine für mich überraschend große Anzahl junger Leute (Teenager) war ebenfalls gekommen, und ihrer gespannten Vorfreude und später gezeigten Textsicherheit beim Mitsingen konnte man ablesen, dass sie ganz sicher keine Freikarten gewonnen hatten. Die PUHDYS ließen sich auch gar nicht erst lange bitten und folgten den Forderungen ihres Publikums. Fast pünktlich betraten die acht Musiker die Bühne und Conrad Oleak eröffnete das Konzert mit einem Piano-Intro. Mit den Titeln "Was bleibt" und "An den Ufern der Nacht" startete die Band in ein über 20 Lieder umfassendes Best-Of-Programm, das es inhaltlich wie von der Darbietung her in sich hatte. Die nächste Überraschung des Abends war, dass Teile des Publikums bereits nach dem ersten gespielten Titel von den Sitzen aufgestanden waren, mitsangen und klatschten. Die PUHDYS zeigten sich vom ersten Ton an als Gemeinschaft mit kollektiver Spielfreude und spürbarer Lust auf ihren Beruf. Man könnte meinen, die Herren hätten inzwischen die Faxen dicke, nachdem sie in diesem Jahr schon so viele Konzerte gegeben haben, und man würde dies auch merken, aber da irrte sich der Skeptiker. Dieter "Maschine" Birr gab zudem den charmanten und durchweg humorvollen Conférencier, der das Publikum mit launigen Ansagen immer wieder zum Lachen brachte. Die "Perlenfischer" moderierte er z.B. als einen Song aus dem Jahre 1977 an, also aus einer Zeit, in der die meisten im Saal "noch nicht geboren waren". Schallendes Gelächter kam als Antwort für diese charmante Übertreibung zurück, das er wiederum mit dem Satz kommentierte, "Was denn? Ihr seht doch noch so jung aus, und es riecht hier nach Penaten-Creme." Auch die Einleitung zum Titel "Mein zweites Leben" würzte Maschine mit einer gehörigen Prise Humor. Er erzählte davon, wie das Lied entstanden ist. Maschine habe in seiner Geburtsurkunde den Hinweis entdeckt, "Sollten in Ihrem Leben Mängel auftreten, haben Sie das Recht auf ein zweites". Davon wolle er auch auf jeden Fall Gebrauch machen. Wie auch schon sein Kollege Meyer, der immerhin schon das dritte Leben habe, wie der Sänger meinte, und dessen erste Geburtsurkunde noch in Stein gemeißelt worden sei. Darum heißt es im Refrain des Stücks auch, "In 100 Jahren werde ich wieder hier stehen", und zu diesem Termin haben wir am Montag auch gleich von Maschine eine Einladung erhalten. Selbst die Musikervorstellungen machte der Frontmann mit viel Humor. Maschine klärte zuerst das Publikum darüber auf, dass man bei den PUHDYS ja eigentlich nur zu fünft sei, für die Akustikkonzerte aber drei junge Leute als Hilfe dabei habe ... "zum Koffertragen und Bierholen", wie er ergänzte. Man habe die drei Jungs von der Straße geholt und ihnen eine fundierte Ausbildung angedeihen lassen, und so stellte Maschine Conrad Oleak (p, akk), Nick Scharfschwerdt (perc, dr) und Andy Birr (g) vor. Letztgenannten als Teil von BELL BOOK & CANDLE und als Urenkel seines Opas. Andy zeigte dann mit der großartig gespielten Melodie von "Rescue Me" was er an der Gitarre so kann. Im zweiten Teil wurde dann der Kern der PUHDYS vorgestellt, und diese Bandvorstellung war nicht nur aus der komödiantischen Sicht etwas Besonderes. Jeder der fünf Musiker hatte dabei seine ganz besonderen Minuten. Maschine stellte Peter "Bimbo" Rasym vor, der mit einem hammergeilen Basssolo zeigte, warum er zu DDR-Zeiten einer der begehrtesten Bassisten des Landes war und noch immer ein erstklassiger Musiker ist. Anschließend kam Klaus Scharfschwerdt an die Reihe, der sein Schlagzeug verließ um vorn an der Rampe einen "Ausschnitt" aus der legenderen "TV-Show" zu geben - einem von zwei PUHDYS-Stücken, bei denen er als Sänger in Erscheinung trat. Es folgte die Vorstellung von Dieter "Quaster" Hertrampf, den Maschine den "Erfinder der Operette" nannte, was dieser dann auch gleich mit seinem nicht ganz ernst gemeinten Vortrag des Stücks "Schau einer schönen Frau nie zu tief in die Augen" (aus "Maske in Blau" von Armando Cellini) unter Beweis stellte. Für Quasters ganz eigenen "Moment" verließen sogar alle anderen Musiker die Bühne ... Sie kamen aber alle wieder zurück, um den ältesten in der Runde, Peter Meyer ("Er war schon bei der Entbindung von Inge Meysel dabei und der Schwiegersohn von Konrad Adenauer"), vorzustellen. Dazu wurde die Frage "Lebt denn der alte HolzMEYER noch" musikalisch gestellt und auch beantwortet. Quaster übernahm zum Schluss die Vorstellung von Maschine, den er als "Chef vom Papst" outete, woraufhin auch gleich ein lautes "Halleluja" vom Band eingespielt wurde. Es ging zwischen den einzelnen Songs auf der Bühne also ziemlich locker zu, was zum größten Teil auf Maschines Konto ging. Diese entspannte und lustige Stimmung übertrug sich aufs Publikum und dies - wie schon erwähnt - bereits beim ersten Titel.

Musikalisch ließ es die Band natürlich ebenfalls richtig krachen. Allein die Songauswahl (mit Intro und Outro waren es 27 Titel) hätte bunter nicht sein können. Die PUHDYS nahmen ihr Publikum mit auf eine Reise durch 46 Jahre Bandgeschichte und mischten dabei Songs aus der Anfangszeit ("Geh zu ihr", "Wenn ein Mensch lebt", "Lebenszeit") mit denen aus den 80ern und 90ern ("Ich will nicht vergessen", "Das Buch", "Königin", "Rockerrente") sowie Liedern aus den letzten Jahren ("Unser Schiff", "Die Welt ist ein Wunder", "Abenteuer", "Es war schön"). Natürlich wurde kein Hit ausgelassen, und die inzwischen schon zu Evergreens gereiften "Alt wie ein Baum" und "Lebenszeit" hatte man ebenfalls im Gepäck. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle das Stück "Bis ans Ende der Welt", das mit einem verlängerten und instrumentalen Mittelteil versehen wurde, und an dessen Ende Maschine und Peter Meyer die Plätze tauschten, damit das berühmte Saxophon-Solo von Meyer an der Bühnenkante zelebriert werden konnte. Das brachte das Publikum schier zum Ausrasten, als der immerhin schon über 70-jährige Musiker dort ins Horn bließ. Als Bonbon oben drauf pustete Peter Meyer noch das "Benny Hill Thema" in seine Kanne, was wiederum laute "Zugabe"-Rufe am Ende seines Spiels zur Folge hatte. Ebenso erwähnt werden muss die akustische Version des Hits "Geh zu ihr", das die Band mit einem Reggae-Part im Mittelteil versehen hat und bei dem sich das Publikum einmal mehr von den Sesseln erhob, um mächtig mit abzugehen. Dies war auch bei "Alt wie ein Baum" zu beobachten, bei dem Quaster anfangs gesanglich gar nicht zum Zuge kam. Das übernahm nämlich das Marler Publikum ziemlich lautstark. Einen ruhigen und eher besinnlich wirkenden Teil hatte das Konzert auch, als mit "Es war schön" der Titelsong des gleichnamigen Albums, der durch einen vierstimmigen Chor bestehend aus Maschine, Quaster, Meyer und Bimbo veredelt wurde, und "Hiroshima", das mit asiatischen Klängen eingeleitet wurde und bei dem zu Beginn Vater und Sohn Scharfschwerdt zusammen die Percussions bedienten, hintereinander gespielt wurden. Das waren auch tatsächlich die ruhigsten Momente im Publikum, die nur durch Beifall unterbrochen wurden. Ansonsten waren die Leute wie elektrisiert, sie waren textsicher, voller Bewegungsdrang (im Aufgang wurde sogar getanzt) und stellenweise komplett aus dem Häuschen. Man kann durchaus sagen, dass der Saal brodelte, und das ist keine Übertreibung! Wenn ich noch eine Besonderheit des Abends erwähnen darf, dann ist es der Vortrag des Stücks "Abenteuer", einem Song, den die Band als Dankeschön für ihr Publikum geschrieben und produziert hat. Am Ende dieses musikalischen Rückblicks standen die Musiker auf und verbeugten sich vor ihren Gästen im Saal. Mitten im Konzert und ohne Ankündigung. Ein Gänsehautmoment!

Das Konzert in Marl war eines der sogenannten "Akustik-Tour", bei der Quaster und Maschine lediglich auf akustische Gitarren zurückgreifen und die E-Gitarren in Berlin gelassen haben. Der Sound der Songs ist bei diesen Konzerten für meinen Geschmack aber wesentlich tiefer als bei den "Rock-Konzerten" und auch druckvoller, da mit den drei "jungen Unterstützern" viel mehr Möglichkeiten in den Arrangements vorhanden sind. Conrad Oleak, der hauptsächlich am zweiten Keyboard musiziert, greift bei "Alles eine Frage der Ansicht" und der "Rockerrente" zum Akkordeon. Nick Scharfschwerdt bringt mit seinem Spiel an den Percussion-Instrumenten ebenfalls mehr Farbe ins Spiel und auch Andy Birr verleiht dem Sound noch mehr Inhalt. Über die Qualitäten eines Klaus Scharfschwerdt an den Drums oder eines Bimbo am Bass muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Das hat ordentlich Bumms, was die beiden da abliefern, während Maschine und Quaster auf ihren jeweils sechs Saiten für die verspielteren Momente zuständig sind. Meyer zückte zudem beim Titel "Alles eine Frage der Ansicht" die Querflöte und Quaster setzte u.a. auch einen Vocoder ein. Zum Finale und dem Titel "Rockerrente" saßen alle Musiker - mit Ausnahme von Klaus, der trommeln musste - an der Bühnenkante und musizierten dort gemeinsam. Spannend zu beobachten war das "Duell" zwischen Peter Meyer am Keyboard und Conrad Oleak am Akkordeon, die sich im instrumentalen Teil die Bälle zuwarfen.

Als Zugaben, die das Publikum mit lautstarken Rufen, Trampeln und Klatschen mit Nachdruck und voller Einsatz einforderten, gaben die PUHDYS noch die "Eisbären" zum Besten und ließen den Abend dann endgültig mit "Das Buch" ausklingen. Hier wurden fleißig Feuerzeuge und Handydisplays geschwenkt. Zum Instrumentalstück "1984", das vom Band eingespielt wurde, winkten die fünf PUHDYS nochmal zum Abschied und verließen die Bühne. Zu diesem Zeitpunkt war ich komplett geflasht. Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht mit so einem von vorne bis hinten überzeugenden Konzert. Meine anfänglichen Befürchtungen habe ich in meinem Bericht ja schon erwähnt, aber keine davon wurde bestätigt. Ganz im Gegenteil! Die Band hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich mich um die letzten 20 Jahre und die Tatsache, sie nicht schon längst mal früher wieder besucht zu haben, inzwischen mächtig ärgere. So begeistert ich bin, so traurig bin ich dazu, denn das Konzert am Montag dürfte mein letztes "Solo-Konzert" der Band gewesen sein. Es ist nämlich definitiv Schluss, auch wenn schon Wetten darauf angenommen wurden, wann denn das Comeback gefeiert würde. Wie mir Quaster und Maschine selbst sagten, ist mit den Abschiedskonzerten im Januar und der letzten Teilnahme bei den Rock Legenden im Frühjahr 2016 definitiv Schluss. Klaus ergänzte noch, dass man zu den Rock Legenden auch nur überredet worden sei. Wenn danach der letzte Ton verklungen ist, sind die PUHDYS Geschichte. Und wenn man das Konzert am Montag als Grundlage nehmen soll, dann gehen sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und Schaffenskraft. Das hat überzeugt, das hat richtig Bock gemacht. Aber wir sehen uns wieder ... am 9. November 2115, also in 100 Jahren, wenn Maschine wieder hier stehen will. Ich nehme seine Einladung an.

An dieser Stelle noch ein dickes Dankeschön an Ina, Kai und die Band für die Einladung, das tolle "Rahmenprogramm", die Gastfreundschaft und diesen unbezahlbaren Abend!

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RE: Puhdys 09.11.2015 in Marl - Gastbeitrag von Christian Reder mit Fotos von Frank Süßenbach

in Konzertberichte 2019 und älter 15.11.2015 20:53
von Kundi | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte

Fotos Frank Süßenbach Teil 2

Gruß Kundi

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