Wieder einmal fahre ich in die Rosenstadt Forst/Lausitz in den kleinen Pavillon „Kunst & Genuss“, der inzwischen mehr als ein Geheimtipp ist, wenn es sowohl um kulinarische als auch kulturelle Schmeckerchen geht. Diana Podlesch, die Chefin, hat sich vor einigen Jahren entschieden, ihr „eigenes Ding“ zu machen. Sie ist nicht nur eine anerkannte Rosenzüchterin und Floristin aus Leidenschaft, sie ist mehrfache Mutter, ausgebildete Sängerin, hat scheinbar alles im Griff - kurz: sie ist eine Seele von Mensch, die für eine sehr familiäre Atmosphäre sorgt. Und nicht nur die Gäste, sondern auch alle Künstler kommen gern wieder.
Nun waren also Christine Daehn und Thomas Natschinski mit ihrer musikalischen Lesung über Karat am 24.10.2015 zu Gast. Christine hat bisher 3 Bücher über Musiker geschrieben, deren Wirken sie schätzt, die sie gut kennt - und die sie mag: Thomas Natschinski, Karat, Ute Freudenberg. Jedes dieser Bücher hat eine andere Herangehensweise, andere Betrachtungsebenen, aber etwas ist allen gemein: Sachkenntnis und ganz viel Herzblut.
Der Pavillon war wieder komplett ausgebucht, freudige Erwartungshaltung, viele der Gäste begrüßen sich mit Handschlag. Ohne Verzögerung begrüßte die Chefin das Publikum und die beiden Protagonisten, die mit argen Stimmproblemen zu kämpfen hatten. Jaja, dieser Herbst...
Thomas begann am E-Piano mit dem Thema vom „Albatros“, Christine fand wunderschöne Worte zur Einleitung, Thomas zitierte den „König der Welt“ - und danach waren die beiden so gelöst, wie ich sie bisher bei keiner der vorherigen Lesungen erlebt habe. Christine nahm sich ab und an ein Blatt mit einer Episode aus dem Buch, ansonsten sprach sie frei, reagierte auf Zwischenbemerkungen aus dem Publikum, sparte nicht mit klaren Worten zur tagaktuellen Situation. Heiterkeit bei manchem Abschweifen: wir erfuhren zum Beispiel, wie Thomas zu seinem neuen Outfit kam, welche Rolle sein altes Fahrrad von beim Fotoshooting mit Karat spielte, dass es rote und grüne Fraktionen nicht nur in der Politik, sondern auch beim Konzert bin der Waldbühne gibt, und wie man sich einen Ort im Eichsfeld vorstellen muss - Thomas durfte hier die große, ruhende, alles überstrahlende Kirche darstellen. Über jeden Karat-Musiker und über Adele, die Managerin, gab es eine kleine Geschichte, mal nachdenklich, mal augenzwinkernd.
Und zwischendurch immer wieder Musik, gespielt und gesungen von Thomas Natschinski, der ja etliche Jahre bei Karat die Keyboards bediente. Besonders gefreut habe ich mich über „Und ich liebe dich“, nur mit Gitarre und Mundharmonika begleitet. Für „Kalter Rauch“ hatte Thomas ein sehr stimmiges Halbplayback arrangiert und produziert, am Ende kommt ja dieses Steve-Winwood-mäßige Sythesizer-Thema, klasse! Und bei der „Abendstimmung“ gaben wir alle den Chor - ganz so, wie ich es aus den Karat-Konzerten kenne. Am 21.11.2015 ist Karat in Cottbus, und vielleicht kann ich diesmal dabei sein... wenn ich nicht wieder selbst musikalisch unterwegs bin...
Natürlich zitierte Thomas Natschinski auch ab und an aus seinem eigenen Schaffen, erinnerte an das wohl schönste Liebeslied aus unserem ehemaligen kleinen Land, denn er hatte es für Gaby Rückert komponiert: „Berührung“. Die „Lila Fee“ aus seinem aktuellen Album „501“ und der Titelsong des Vorgängers „Weit, weit und wild“ ( was für ein toller Song!) wurden ebenfalls gespielt .
Gänsehaut hatten wir, als Christine vom dem unglaublichen Miteinander der Musiker beim Benefizkonzert für Holger Biege im Neu-Helgoland oder beim Eichsfeld-Festival in Duderstadt erzählte. Allein anhand des Erzählten wären wir gern dabei gewesen.
Ein Piano-Medley leitete uns schließlich zu den „Sieben Brücken“, und die geschulte Stimme von Diana, der Hausherrin, war gut zu hören. Wie jetzt - nach zweieinhalb Stunden ist schon Schluss? Das hätte gern noch eine Weile weitergehen können, denn Langeweile oder kalte Routine gab es hier zu keiner Minute...
Langer Applaus und ein neuer Rosenstock für den Garten in Eichwalde waren das verdiente Dankeschön an zwei Leute, die völlig authentisch sind, die ohne Verklärung, ohne Pathos und ohne Häme uns an wichtigen Passagen ihres Lebens teilhaben lassen.
Am Sonntag hatte Thomas Geburtstag. Ich habe ihm gratuliert und ihm aus gegebenem Anlass gleich doppelt Wünsche für beste Gesundheit übermittelt. Möge er noch viele zeitlos schöne Lieder schreiben und für uns noch lange „die Kirche“ darstellen, die Ruhe, Übersicht und Gelassenheit ausstrahlt.