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STERN COMBO MEISSEN live in der Peterskirche Leipzig
STERN COMBO MEISSEN live in der Peterskirche Leipzig
in Konzertberichte 2019 und älter 29.09.2015 19:17von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Stern Combo Meissen in der Peterskirche Leipzig (25.09.2015)
Das gibt es wohl auch nicht so oft in der Geschichte der Rockmusik. Eine Band feiert in diesem Jahr die 51. Wiederkehr ihrer Gründung und der heutige Frontmann der Kapelle, MANUEL SCHMID, erblickt erst reichlich zwei Dekaden nach dem offiziellen Gründungsdatum das Licht dieser Welt. Dass Musik diese Zeitdifferenz locker überbrücken und dann noch zu neuen Ufern führen kann, wird erleben, wer demnächst ein Konzert der Art-Rock-Legende aus Meissen besuchen sollte.
Die STERN COMBO MEISSEN hat so ziemlich alle wichtigen Strömungen dieser 51 Jahre, vom frühen Beat über Soul, Jazz- und Fusionsrock, Adaptionen und Konzeptwerke bis hin zum alltagstauglichen Mainstream-Pop mitgemacht. Ja sie hat sogar über weite Strecken prägend gewirkt. Seit geraumer Zeit kehrt sie nun wieder, so das Fühlen der treuen Fangemeinde, mit ihrem jungen Frontmann an den Keyboards und am Mikrofon zu ihrer unter Fans beliebtesten Phase, dem Klassik- und Art-Rock, erfolgreich zurück. Es gibt diese Generation Rockfans, die ihre Bands begleiteten, immer noch. Die sind beim Punk in den Spätsiebzigern mal kurz ausgestiegen, haben auf Disco-Sound, Rap, Techno und jungen Brit-Pop verzichtet, um nun endlich wieder bei ihrer Musik und ihrer Combo, einer schon etwas länger älteren Rock-Legende, in der ersten Reihe zu stehen. Deshalb fahre ich nach Leipzig, um mit ihnen gemeinsam bei einem Konzert dabei zu sein und dieser wundervollen Musik zu lauschen.
Daran, dass die Alte Peterskirche einst mitten im Stadtkern von Leipzig aufragte, erinnert heute nur noch die Petersstraße im Stadtzentrum. Sucht man heute die Peterskirche, muss man den Stadtring und den Verkehr darauf in Richtung Süden überqueren. Im Zentrum-Süd, wo enge Seitenstrassen ein Gewirr bilden, ragt der hohe Turm in den Himmel und sorgt dafür, dass man das Bauwerk trotzdem nicht aus dem Blick verliert. Im letzten Weltkrieg hat der sakrale sehr Bau gelitten und in den Jahren danach haben viele Bürger der Stadt dafür gesorgt, dass die Bausubstanz erhalten blieb. Inzwischen wird Stück um Stück restauriert und kulturelles Leben lockt viele Besucher hierher. Das Konzert der STERN COMBO MEISSEN an diesem Abend ist ein solches Highlight und ich stehe vor dem gewaltigen Mauern, bestaune die Architektur und freue mich auf die Klänge, die mich drinnen erwarten.
Zur Abendstunde, wenn andere auf bunte Bilder der Flimmerkiste lauern, steht besagter junger Mann, in dunkle Jeans und Lederjacke gekleidet, vor den bestens gefüllten Stuhlreihen dieser Kirche. Er geht noch einen Schritt zum Mikrofon hin und mit glasklarer Stimme singt MANUEL SCHMID dann die das Stück einführende „Promenade“ aus den „Bildern einer Ausstellung“ von Mussorgski. Er tut es, dieser Stätte und dem Stück angemessen, a-capella und betörend würdevoll. Ich glaube, das hätte sich der Komponist wohl nie träumen lassen, dass sein Klavierzyklus, zumindest in Teilen, dereinst in einem Gotteshaus gesungen vorgetragen würde! Jeder einzelne Ton füllt den ganzen Innenraum aus und verschmilzt außerhalb des Lichtkegels in der Höhe mit dem sakralen Gewölbe. In der ersten Reihe sitzend, läuft mir ein wohliger Schauer über den Körper. Was für ein Moment, wie einzigartig und wie wunderschön!
Aus dem Hintergrund der Lichtspiele wächst ein Rauschen und Summen, das sich zu einem ebenso mystischen wie faszinierenden Klanggemälde fügt. Die Band zelebriert „Das Alte Schloss“, das sie vor langer Zeit schon einmal im Programm hatte, nun wieder zu neuer prächtiger Schönheit. In diesen Minuten kann sich jeder selbst sein Zauberschloss im Kopfkino ausgestalten. Als wenig später eine Neukomposition, Manuel’s „Schloss Rockstein“ erklingt, käme der Uneingeweihte wohl kaum auf die Idee, welche Zeiträume und historische Epochen zwischen beiden Werken vergangen sind. Es ist wirklich ungemein beeindruckend, wie es die Band versteht, die neuen Lieder mit ihren eigenen, längst „klassischen“ Interpretationen, wie der „Nacht auf dem kahlen Berge“, zu verbinden und die wiederum, mit der weiter schreitenden „Promenade“ bis zum „Großen Tor von Kiew“ zu führen. Der gigantische Rundbogen, hinter dem sich der Altar der Peterskirche befindet, ist in bunte Farbenspiele getaucht. Dem emotionalen Gesang von MANUEL SCHMID, der dem „Großen Tor von Kiew“ eine völlig neue Dimension verleiht, folgt ein fasziniert lauschendes Auditorium Ton für Ton. In meinen Gedanken spiegele ich mir diesen Eindruck, den vollen Sound, die Stimmung und das Spiel der Lichter, in den alten Dom von Halberstadt, wo ich jetzt zu Hause bin. Wie erst würde sich dieses Werk, mit Chor und Orchesterklängen ergänzt, in die Innenarchitektur dieses erhabenen Bauwerkes fügen und erst recht dort klingen ….
Der tosende Applaus reißt mich aus wieder aus den Tagträumen, die mir diese Musik, die Bilder und der Wunsch, das nach Halberstadt zu holen, bescheren. Diese Kostprobe der Rock-Version lässt mich erahnen, wie sehr die Premiere des Gesamtwerkes, uraufgeführt in Grimma, auf jeden der Besucher gewirkt haben muss. Hut ab, meine Herren, und Kompliment dem Sänger und Keyboarder, der auch seine eigenen Ideen überzeugend in das Werk einfließen lässt!
Das kleine Opus hallt noch in mir nach, während die STERN COMBO MEISSEN mit dem Song „Was bleibt“ an ihren ehemaligen Mitstreiter Thomas Kurzhals erinnert, dessen Erbe nun MANUEL SCHMID mit viel Einfühlungsvermögen, aber auch seinem kreativen Enthusiasmus angetreten hat. In seinem Spiel klingen die bewährten Klassiker wie einst und dennoch, so scheint es mir, als hätten sie einen Quantensprung in die Moderne gemacht. „Die Sage“ erklingt wuchtig und mahnend zugleich und im roten Farbenspiel hat die Botschaft wieder eine aktuelle Dimension: „Rot, rot wie Blut, müsst werden jeder Stein, für alle Zeit Beweis des Unrechts sein.“ Kaum zu glauben, dass eine solche Nummer schon über drei Jahrzehnte auf dem Buckel hat, textlich noch immer aktuell ist und voll Power und Dynamik diesen Raum erfüllt.
Ganz anders, weil balladesk ausgelegt, klingt dagegen „Schnee und Erde“ aus der Zeit mit Andreas Bicking an den Tasten. Die Faszination der Melodie allerdings hat all die Jahre überdauert und erzeugt noch immer pure Emotionen. Mit „Kein einziges Wort“ erklingt aber auch eine neue Komposition von MANUEL, die sich nahtlos zu den Klassikern aus früheren Epochen fügt. Sein ideenreiches Spiel mit den Tasten auf den unterschiedlichen Keyboards ist es auch, dass die Zuhörer zu spontanen Applaus verleitet und allein schon beim Zusehen Parallelen und Assoziationen erweckt, die mancher vielleicht längst schon vergessen glaubte. Wer meinte, Art-Rock und anspruchsvolle Improvisationen wären längst out, wird gerade live eines Besseren belehrt. Diese Begeisterung und Kreativität ist auch bei der neuen Bandkomposition „Bleib stark“ zu spüren, die von einer, dem Funk entliehenen, rhythmischen Bassfigur dominiert und getrieben wird.
Das aktuelle Konzertprogramm der Combo spannt einen großen Bogen aus den frühen Jahren, über den „Weiten Weg“ (1979), eine Hommage an Thor Heyerdahl, über den „Stundenschlag“ (1985) und die „Lebensuhr“ (2011) bis zu den eben gehörten neuen Liedern. Die klingen modern und zeitgemäß, führen aber den hohen musikalischen Anspruch der Band weiter, wollen nicht banal sein. Ganz gleich, ob „Lebensblues“ oder „Zeder von Jerusalem“, die STERNE sind nah am Puls der Zeit und fügen gar den klassischen Strukturen eines Modest Mussorgski mit Respekt neue eigene Facetten hinzu, ohne in Ehrfurcht zu erstarren. Das nenne ich Kunst und zeitgemäß.
Diese Band ruht tief in sich selbst sowie in ihrer eigenen Geschichte. Sie sprüht vor Energie, Kreativität und Spielfreude, wovon die Besucher hier in der Peterskirche begeistert erzählen werden. Die jubeln bei der Bandvorstellung jedem einzelnen Musiker zu und genießen es, den Sound und Rhythmus vom „Kampf um den Südpol“ begeistert in sich aufzunehmen und mit staunenden Augen nehme ich zur Kenntnis, dass MARTIN SCHREIER, der Bandsenior, dabei wieder seinen ehemaligen Platz hinter dem Schlagzeug mit vollem Einsatz ausfüllt. Diesen Anblick hatte ich schon beinahe ausgeblendet. Respekt, alter Knabe!
Die abschließenden Minuten feiert das ausgelassene Publikum stehend. Das Innere der Peterskirche wird überall von Farbenspielen ausgeleuchtet, während „Eine Nacht“ und „Wir sind die Sonne“ vom Auditorium mitgesungen wird. Kaum zu glauben, dass der Altersdurchschnitt der heute Anwesenden locker dem Lebensalter der Band entspricht und die Hütte dennoch vor jugendlicher Begeisterung munter rockt. In meinen Gedanken zaubere ich noch einmal und stelle mir vor, dies hier könnte auch den Dom von Halberstadt geschehen. Ausgelassene Stimmung einer in die Jahre gekommenen Generation, die froh ist, ein Konzert sitzend zu erleben und dennoch am Ende stehend jubelt. Der Architektur alter Meister und den Mühen der Erbauer den nötigen Respekt zollend, dabei Musik von Mussorgski in zeitgemäßer Rock-Version genießend und, wenn alle Lichter auf Grün schalten würden, eine Band, einen Chor und ein Orchester mit Bravo-Rufen zu danken. So wie in Grimma, warum nicht auch in Halberstadt? Dafür würde ich mich hier gern noch einmal auf die Strümpfe machen, an Türen klopfen, reden und überzeugen. Versprochen!
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
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