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Liedanei 25.04.15 Kunsthof Mockethal in Pirna
Liedanei 25.04.15 Kunsthof Mockethal in Pirna
in Konzertberichte 2019 und älter 01.05.2015 10:42von Kundi • | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte
"Sie haben ihr Ziel erreicht. Das Ziel befindet sich rechts" meldete die Frauenstimme meines Navigationsgerätes am 25. April 2015 gegen 18:30 Uhr. Eingegeben hatte ich daheim die Adresse 01796 Pirna, Am Rundling 20. Ich war also bereits das zweite Mal diesen Monat im bzw. am Kunsthof Mockethal. Nun hatte ich auch endlich die für mich passende Fahrstrecke aufgeklärt. Künftig kann ich bei Ausflügen hier her auf die klugen Ratschläge der Frauenstimme meines modernen, elektronischen Fahrwegerklärers verzichten. Manchmal geht mir das Ding sowieso auf den Zeiger, aber in Wirklichkeit ist dieser optisch erklärende und dazu noch sprechende Fahrsteckenerklärer doch eine ganz hilfreiche Angelegenheit.
Phanta Rhei, wie der gepflegte Altgrieche zu sagen pflegte. In unserer Muttersprache bedeutet das in etwa alles fließt, alles ist in Bewegung oder auch alles ist in Wandel.
Das fiel mir beim Anblick des Kunsthofes spontan ein, denn in den zurückliegenden Wochen seit meinem letzten Besuch hat sich hier schon wieder einiges getan. Zuerst viel mir die neuerrichtete "Carport-Bühne" auf. Sie war zwar noch nicht ganz fertig, aber an diesem Abend sollte sie erstmals Musikern für eine Freiluftmugge als Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Das war an der aufgebauten Technik usw. deutlich zu erkennen. Im Gegensatz zu den Nachbarn des kunsthofgohlis (khg) scheint die hier ansässige Bevölkerung nichts gegen gelegentliche open air-Gigs auf dem Kunsthof Mockethal zu haben. Das Wetter spielte auch toll mit und so erlebte ich ungeplant das erste Freiluftkonzert des Jahres. Die Saison ist also nun offiziell eröffnet.
Hinter den Besitzern Ute und Jens Nitzsche steht ja auch noch der Verein TonArt e.V. und in diesem Verein engagieren sich auch einige Musiker aus der Region. Das finde ich gut und spannend. Ich habe sowieso das Gefühl, dass von dieser kleinen Kunstenklave im Pirnaer Ortsteil Mockethal noch so manches zu erwarten ist. Gastfreundlich sind die Betreiber, das bisherige und derzeit noch geplante Kulturprogramm ist auch nicht von schlechten Eltern und Pirna kann so eine kulturelle und einladende Wohlfühloase in der fast dörflichen Lage Mockethals ganz gut gebrauchen.
Es ist für mich ja auch eines der hervorstechenden Merkmale beider bisher in diesem Bericht genannter Kunsthöfe, dass sich Musiker aus der Region auf vielfältige Weise in die Kunsthöfe bzw. die Vereine einbringen. Damit meine ich nicht "nur" Auftritte, sondern auch Vereinsmitgliedschaften, Arbeitseinsätze und/oder Besuche von Veranstaltungen anderer Künstlerkollegen an diesen Orten. Man hat als interessierter Musikfan so auch oft Gelegenheiten mit den Aktiven mal in Ruhe und abseits des eigenen Muggenstresses ins Gespräch zu kommen. An diesem Wochenende war es zum Beispiel Francis D.D. String mit dem ich entspannt plaudern konnte. Nebenbei betätigte er sich auch noch hervorragend als Standbetreuer für einen Versorgungsstand.
Doch kommen wir zur musikalischen Attraktion des angenehmen Frühlingsabends im Kunsthof Mockethal. Schon die künstliche Wortschöpfung Liedanei als Bandname erregte bei mir im Vorfeld Aufmerksamkeit und Neugier. Als ich dann noch die Bandbesetzung und die Instrumentierung mitbekam, war mein Interesse vollends geweckt.
Liedanei - das klingt für mich wie eine Zusammensetzung aus Lied und Kumpanei. Der Bandname erinnerte mich ein wenig an die Folkgruppe Liederjan. Ich weiß aber nicht, ob das unbedingt Absicht war. Lied erklärt sich ja von selbst. Kumpan bedeutet sinngemäß laut Duden so viel wie Kamerad oder bei bestimmten Unternehmungen auch Mittäter. Den Faden wollen wir gleich weiter spinnen zum Wort Kumpanei. Dazu sagt das bekannte Nachschlagewerk, dass Kumpanei eine Gemeinschaft von Kumpanen und/oder ein kameradschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl bzw. Freundschaft unter Kumpanen bedeutet. Kumpan und Kumpanei sind eigentlich für mich sowohl negativ als auch positiv belegbar. Ich interpretiere Liedanei für mich als Zusammenschluss befreundeter Musiker zum Zwecke des (öffentlichen) Musizierens.
Das Konzert von Liedanei begann ganz unspektakulär und relativ zeitig, nämlich lange vor 20.00 Uhr. Das ist man als Muggenpilger oder Konzertnomade ja fast gar nicht mehr gewöhnt, denn die Mehrzahl der Konzerte beginnt heute ja oft 21.00 Uhr. Mich erinnerte das an meine Jugendzeiten als Konzerte von bekannten Bands in der Bautzener Stadthalle mit dem offiziellen Namen Festsaal Hotel Stadt Bautzen( im Volksmund nach dem alten Namen Krone genannt) 1 Mal im Monat wochentags immer mit einer anderen bekannten Rockband zu erleben waren. das waren staatlich/gesellschaftlich organisierte Veranstaltungen, die die der ostdeutschen Rockmusikszene auch mal in die ostsächsische Provinz führten. Ich habe dort damals viele Künstler gesehen von BERLUC bis zur WEGNER. Diese Muggen begannen auch meistens 19.00 Uhr oder 19.30 Uhr. Damals Ende der 70er Jahre waren diese Konzerte oft noch sitzplatzgebundene Veranstaltungen. Aber ich verstricke mich schon wieder viel zu sehr in nebensächlichen Gedanken. Ich werde wohl nie ein seriöser Kritiker…, aber das ist meiner bescheidenen Meinung nach auch gut so.
Übrigens hatten die eingemieteten Feriengäste des Kunsthofes an diesem Abend die besten Plätze. Sie konnten das Konzert ganz bequem drei Meter über der Erde von ihrer Terrasse aus verfolgen. Das nenne ich doch mal einen praktischen Urlaubsplatz mit Kulturanschluss.
Auf der Bühne agierten die 4 Leute von Liedanei und ich ließ mich sehr schnell und sehr gerne von dem musikalischen Flechtwerk, welches aus den Instrumentenklängen von Akustikgitarre, 2 Geigen und einem Cello sowie dem Gesang handgeknüpft war, einhüllen.
Ich würde die Musik als feinsten Folk bis Folkrock mit einem ordentlichen Zuschlag aus der Liedermacherwerkstatt einordnen. Durch die massive Streicherkomponente entstand so ein richtiger Wohlfühlsound. Diese handgemachte und ehrliche Mugge sagte mir vom Anfang an zu.
Wer steckt denn nun hinter Liedanei? Wer waren bzw. sind die ausführenden Musiker dieser Band. Da wäre an erster Stelle Uwe Kotteck zu nennen. Es sind ja seine Lieder, die Liedanei spielt. Zum Teil haben die Songs schon 30 Jahre auf dem Buckel, aber sie haben einfach Klasse und sie sind sogar zeitlos, was man auch bei diesem Konzert schnell merkte. Texte mit Tiefgang und Sinn, die irgendwie ehrlich, bodenständig und verständlich klingen werden mit eingängigen, ja sogar die Ohren, Hirne und Seelen der Hörer einschmeichelnden Melodien umhüllt. Obwohl der Inhalt der Lieder und auch die Zwischentexte / Ansagen viele Probleme, Misstände der großen, weiten Welt und des persönlichen Mikrokosmos aufgreifen, ist auch eine gewisse Leichtigkeit beim Hören zu spüren. Auf jeden Fall haben die Lieder, die Musiker und ganz besonders auch Uwe Kotteck mich nicht kalt gelassen.
Uwe Kotteck ist seit vielen Jahren als Musiker aktiv und in der Dresdner Szene bekannt wie ein bunter Hund. Ich möchte sogar sagen, er ist mittlerweile im Großraum Dresden verwurzelt. Solo oder mit Band als Joe's Daddy spielte er in den bekannten Liveläden wie dem Pub Tir Na Nog, der Gaststätte "Zum Gerücht" in Laubegast, in der Buchbar, im Kunsthof Gohlis usw. Mit der reisenden Tir Na Nog-Bühne war er auch immer wieder bei diversen Stadtfesten zu erleben. Ebenso als Session-Musiker ist er bekannt. Dass der Mann ein zugereister Ex-Leipziger ist, möchte ich nur am Rande erwähnen. Kotteck macht sich seine eigenen Gedanken über "Gott" und die Welt. Viele davon kann ich sehr gut verstehen und nachvollziehen. Er singt nicht geschwollen oder um den berühmten heißen Brei herum, sondern glaubwürdig, treffend, nachvollziehbar und vor allem fassbar. Dabei muss der Mann gar nicht mal großes Showtheater machen. Er zieht die Leute einfach mit seinen Liedern und durch seine unaufgeregte, ruhige und direkte Art in seinem Bann. Das nennt man wohl auch charismatische Ausstrahlung.
Am Cello und bei einem Lied an der Akustikgitarre erlebten wir Rüdiger Weisheit. Ich erlebte ihn erstmals im Jahr 2012 bei der Band Torpedo Laubegast. Witzig finde ich, dass wir beide unabhängig voneinander in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Zeiten mit einem gemeinsamen Bekannten Musik gemacht haben. Ich finde übrigens, dass der Einsatz des Cellos der Folk-(Rock-)Musik sehr gut zu Gesicht steht, denn es bringt andere zum teil sogar überraschende Klangbilder hervor.
An den beiden Geigen schafften sich Jana Porst und Geralf Hadlich. Auch da durften wir einige Hörüberraschungen erleben. Diese fließenden, warmen Geigentöne, das etwas tiefere Brummen des Cello spielten zeitweise fast gegen die Akustikgitarre, aber nur fast. Am Ende vereinigten sich alle Instrumente sowieso wieder zu einem Netzwerk von Tönen.
Die Musiker gönnten sich und auch dem Publikum ungefähr zur Halbzeit auch eine kurze Pause. So konnte man das bisher gehörte erstmal verarbeiten und kurz sacken lassen. Selbstverständlich war auch eine Bratwurst vom Grill für die Hungrigen und Erfrischungsgetränke konnten auch wieder geordert werden.
Ich richte mein Augenmerk jetzt aber noch mal kurz auf die gesungen und gesprochenen Worte von Uwe Kotteck. Auch wenn mir viele seiner Lieder noch ziemlich unbekannt waren und man beim erstmaligen Hören auch nicht alle Aussagen und Nuancen eines gesungenen Textes voll inhaltlich aufschnappen kann und schon gar nicht gedanklich abspeichern kann, haben sich doch einige irgendwie in meiner Erinnerung schon eingegraben.
Ich bin mir auch nicht so sicher, ob die einzelnen Lieder, die ich jetzt beispielhaft erwähnen werde, wirklich auch so heißen, wie ich sie bezeichne. Aber das ist auch gar nicht mal so wichtig. Fakt ist, dass ich wirklich begeistert war von der Musik.
Mein absoluter Favorit war das Lied " Der Phönix". Diese Legende vom Feuervogel, der sich selbst verbrennt um aus seiner eigenen Asche wiederaufzuerstehen ist schon Jahrhunderte alt und fasziniert die Menschen, auch mich, immer wieder aufs Neue. Uwe hat es verstanden ein hammermäßiges auf diese Legende fußendes Lied zu schreiben. Mich hat dieser Kotteck-"Phönix" sofort und mit einer vollen Wucht innerlich getroffen, wie man sie ganz selten beim erstmaligen Hören Songs erlebt. Woran das liegt kann ich nur erahnen oder mutmaßen: die Melodie selbst spricht mich schon mal gefühlsmäßig an. Sie gräbt sich schnell in die Gehörgänge und gräbt sich schnell tiefer. Außerdem sind das Thema der Legende und die Verknüpfung mit dem realen Leben sehr interessant und ansprechend. Der Text ist weiterhin sehr poetisch, bildhaft und verständlich. Eigenartig ist für mich, dass sogar ganze Verse gleich bei mir hängen blieben (man möge mich jetzt bitte nicht gleich festnageln, wenn es nicht der komplette Text ist und meine Wiedergabe auch nicht ganz wortgetreu ist):
"Wie ein Adler stolz und schön steigt er auf, du kannst in sehen.
Geboren aus der Asche einer längst erloschenen Glut zeigt er uns einen Weg aus der Dunkelheit.
"Die Asche aus der er stieg war einst ein Feuer hell und warm. Es war das Feuer, welches in uns brannte und durch Falschheit und Verrat erstickt wurde."
….
Du, steh wieder auf,… spür' deine Kraft … auch du bist ein Phönix".
Das Lied vom "Phönix" kann in manchen Lebenssituationen sicher Trost spenden und Mut machen.
Das "Kerzenlied" ist mir besonders in Erinnerung geblieben, weil Kotteck in der Ansage dazu auch von den brennenden Kerzen bei den Montagsdemos im Herbst 1989 auf dem Leipziger Ring erzählte. Er war dort dabei. Mir gingen da auch ganz seltsame Gedanken durch den Kopf, ob denn die Blütenträume aller damaligen Demonstranten reiften. Ganz sicher war das nicht so. Aber wie Kotteck auch sagte, hatten sie Gründe auf die Straße zu gehen. Genau wie auch heute Menschen Gründe dafür haben. Das Demonstrationsrecht ist ja auch ganz wichtiges Grundrecht nach dem Grundgesetz und auch ein Zeichen der Freiheit.
Auch wenn man die Gründe der Demonstranten nicht immer verstehen kann oder teilen möchte. Hier ist aber auch die Politik gefordert mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sich ihrer Probleme auch anzunehmen, aufzuklären usw. Aber diese Baustelle verlasse ich jetzt mal lieber schnell, sonst wird dieser Konzertbericht nie fertig.
Ein weiteres Lied hieß schlicht "LE", was ja die vielen Leuten geläufige Abkürzung für Leipzig ist. Kotteck ist ja geborener Leipziger und er philosophierte kurz über die Unterscheide von Leipzig und Dresden.
"Vater - ich vermisse dich" - da kann ich Uwe Kotteck nur aus ganzen Herzen zustimmen.Mir geht es nämlich auch so mit Sicher gehört der Tod auch zum Leben, aber manchmal ist es unheimlich schwer ihn zu verstehen und das wird auch 5 Jahre später nicht besser. Ich vermisse Dich, Papa!
Mit dem Thema "(Soldaten-)Pflicht" beschäftigte sich auch ein Titel und der war ziemlich berührend. Ich würde sogar sagen, dass er ziemlich anklagend in Richtung der Politiker ging, die Soldaten in den Krieg schicken und dabei von der Pflicht der Söhne der Nation sprechen. Oft bleibt von ihnen nur ein (wertloser) Orden auf einen Tisch als Erinnerung an den gefallenen Sohn zurück.Der Titel "Die Eitelkeit" nahm in diesem Jahr auch an der Wertungssendung Wahllokal bei rockradio.de teil und schlug sich dort auch ganz tapfer. Der Songwriter Kotteck hatte sich zu Nine-Eleven (11.September 2001 - Terroranschläge auf die Zwillingstürme in New York und das Pentagon) auch so seine Gedanken gemacht und diese zu einem Lied verarbeitet.
Weitere Lieder hießen beispielsweise "Wellenreiter", "Frei zu fliegen, wenn man fällt"" oder beschäftigten sich mit Erinnerungen an die Kinderzeit ("Wie lange ist das her").
Der Gig war zu keiner Sekunde langweilig und das Publikum war sehr aufmerksam.
Liedanei war als Gesamtpaket wirklich Klasse. Das bekamen die Künstler am Ende auch mit herzlichen Beifall und der Bitte um Zugaben hautnah zu spüren bzw. gedankt. nach der Ehrenrunde konnte man noch ganz entspannt etwas abhängen, quatschen und das Konzert nachwirken lassen. Mich trieb es dann aber ziemlich schnell wieder auf die Piste. Eigentlich wollte ich noch zu einem anderen Konzert fahren. Ich war aber so voll mit Eindrücken, Bildern und Emotionen, dass ich den Gedanken verwarf und gemächlich heimwärts rollte. Im Ohr summte der Kotteck-Phönix sein Lied…
Hier ist noch Kundis kurzer Rat in jeder Lebenslage als Schlusspunkt:
Wer die Band noch nicht kennt, sollte mal nach Liedanei googeln, nach Videos in der Tube suchen und nach Möglichkeit eines ihrer Konzerte besuchen.
Ich denke, ihr werdet das nicht bereuen
Gruß Kundi
P.S. weitere Fotos folgen noch
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