#1

KLOSTERBRÜDER & Gäste - Christiane Ufholz & Hans die Geige

in Konzertberichte 2019 und älter 23.11.2014 16:39
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Klosterbrüder & Gäste rocken heimisches Gemäuer
21.11.2014 in der Alten Feuerwache Magdeburg

Über allem schwebte so ein Mythos, den Fans von Stadt zu Stadt, weitergetragen haben. Man erzählte sich, dass die Musiker, in Mönchskutten gekleidet, vor jedem Konzert einen Sarg auf die Bühne tragen würden, aus dem dann der Sänger heraus steigen würde. Die Kutten würden fallen und das Konzert beginnen. Obwohl ich damals keinen traf, der es selbst erlebt hatte, hielt sich der Mythos über all die Jahre hinweg. Selbst dann noch, als die KLOSTERBRÜDER schon längst den Namen ihrer Heimatstadt angenommen hatten und die Band im April 1980 in Plessa, mit Gastmusiker Hans „die Geige“ Wintoch, auf unserer Bühne stand. An die Antwort auf die Frage mit dem Sarg kann ich mich heute nicht mehr erinnern und erneut zu fragen, habe ich vergessen. Lass’ dem Mythos seinen Weg gehen, ich mag ihn. Der weitere Verlauf ist bekannt und mit etwas Glück kann man die „alten Brüder“ manchmal noch live erleben. Wenn dann noch, wie anno 1980, der Rockgeiger mit auf so eine Bühne steigt und Christiane Ufholz als Gast dabei ist, kann ich einfach nicht widerstehen. Ich will sie sehen und hören!

Falls es je Kutten gab, sind sie beiseite gelegt. Die beiden Lichtgestalten der KLOSTERBRÜDER tragen jetzt lange schwarze Ledergewandung. DIETRICH KESSLER und HANS-JOACHIM „HaJo“ KNEIS haben sich, von einigen Formfehlern abgesehen, kaum verändert und präsentieren noch immer den gelebten Rock’n’Roll in voller Pracht. Beide drängen sich, das akademische Viertel voll ausschöpfend, durch die gut gefüllte Hütte und genießen das Händeschütteln und Schulterklopfen der Fans in ihrer einstigen Heimatstadt. Die Atmosphäre ist freudig entspannt und die beiden Gäste, CHRISTIANE UFHOLZ und HANS die GEIGE, sind zu Späßen und Plaudereien aufgelegt. Drei Herren stehen die Lachtränen in den Augen. Die Gute-Laune-Stimmung, die ich schon vor dem Konzert genießen kann, wird auch über den ganzen Abend dem Konzert einen selten gewordenen Stempel aufdrücken: Es lebe der Spaß, das Bier und der Rock’n’Roll – no Verkrampfing!

Die KLOSTERBRÜDER starten den Abend mit einer Reminiszenz an ihre schwierigen Jahre. „Untreue Freunde“ wurde zwei Ehemaligen „gewidmet“, die sich damals in Richtung NO55 (Gisbert Piatkowski) und SILLY (Rüdiger Barton) abgesetzt hatten. Die Meute vor der Bühne nimmt den Rhythmus auf und der Refrain wird lautstark mitgesungen. Keine Aufwärmphase, das Auditorium steht unter Volldampf und die „Brüder“ auf der Bühne genießen es, hier mit uns auf eine Zeitreise zu gehen. Es geht in die 1970er Jahre, als DIETRICH KESSLER zum Saxophon greift und gemeinsam mit JÖR BLANKENBURG, den alle nur „Matze“ nennen, das bekannte Riff von „Walkin’ In The Park“ vom Stapel lässt. Ich habe Gänsehaut, weil HaJo KNEIS seine Stimme spielerisch über den Boogie der Rhythmusgruppe gleiten lässt und sich am Jodeln versucht. Das Schlagzeug von BERND SCHILANSKI stampft durch die alte Nummer und ANDREAS KUHNT peitscht den Groove in die vier dicken Saiten seiner Bassgitarre. Nur Colosseum selbst beherrschen das noch besser. Natürlich darf, wenn es um die alten Helden geht, das legendäre „ Locomotive Breath“ mit dem Flötenspiel nicht fehlen. Hinter mir tobt die Generation der 70er und direkt vor mir steppt der Bär. Klasse!

Aus dem eigenen Notenheft lassen die KLOSTERBRÜDER ihr „Kalt und heiß“ folgen und garnieren den Song mit einem Intro nach dem Motiv von „Bouree“. Jethro Tull lassen Grüßen. Von nun an beginnt die Zeit der Gäste, denn HANS die GEIGE kommt für eine mitreißende Solo-Einlage bei „Vorsicht Glas“ auf die Bühne. Der jagt den Bogen über die Saiten und erinnert mich tatsächlich live-haftig an jenes Konzert vor fast 35 Jahren, als wir uns persönlich kennenlernten.

Mit CHRISTIANE UFHOLZ betritt der personifizierte Ost-Blues die Bühne. Wenn die jetzt, beginnend von den Butlers bis zu Klunker, aus dem Nähkästchen plaudern, statt zu singen, würde, dann wäre der Abend sicher gelaufen. Die UFHOLZ hat all das erlebt, das sie nun im Blues besingt: „My Life Is A Boogie“. Die Nummer aus dem gleichnamigen Album (1977) von Inga Rumpf, bringt die Bühne zum Schwingen und das Auditorium zum Jubeln. Sie kann es noch immer und wie! Sie lebt jeden Ton aus, drängt sich förmlich in den „Hoochie Coochie Man“ und macht den alten Dixon zum „Coochie Girl“, das sie über die Bühnenbretter tanzt. Als sie dann noch „I Feel Good“ von James Brown abfackelt, brennt im Saal die Luft und überall swingen die Hüften den Rhythmus mit. Verdammt, was waren das doch für schöne Zeiten mit so viel fantastischer Musik!

Vor uns auf der Bühne steht eine betagte Herrenriege und mitten in der Meute eine, die den Jungs einhetzt und immer noch eine Kleinigkeit mehr aus Gitarre, Saxophon und Geige herauszukitzeln weiß. Wir erleben die pure Lust am Spiel, die urwüchsige Power von Boogie & Soul und das alles in Gestalt dieser unscheinbaren Lady, die sich noch immer ehrlich dem Blues hingibt. Den Höhepunkt bildet der „Stormy Monday Blues“, den die UFHOLZ und HaJo gemeinsam auf uns loslassen. Es ist wirklich wie in jenen Jahren, als man noch auf die Bühne ging, um sich selbst kräftig zu amüsieren und auch seine Fans daran teilhaben ließ. All zu oft ist das leider schon verloren gegangen, doch das Feuer an diesem heißen Abend knistert und lodert unüberseh- und hörbar. DANKE CHRISTIANE.

Mit stampfenden Rhythmus und in einen dezenten Keyboard-Teppich gebettet, startet der „Orient Express“, eine Komposition von DIETRICH, in die Nacht hinein. Die orientalische Melodie windet sich, immer wieder neu, über das Rhythmusgeflecht und ist mit solistischen Einlagen gespickt. Die Herren stehen unter Volldampf, obwohl uns „Matze“ einen von Brille und Tabletten zu erzählen versucht. Und wenn schon! Alle lachen wir gemeinsam und singen auch den Chorus von „Was wird morgen sein“ aus voller Kehle mit. Wir schwelgen in gemeinsamen Erinnerungen und schwitzen unsere Klamotten zu den Akkorden von „Fieber“ feucht.
Eigentlich sollte jetzt Schluss sein, doch der Karren rollt und der Boogie glüht. Es ist noch einmal der richtige Moment für CHRISTIAN UFHOLZ, die sich in dieser Stunde in Hochform präsentiert und der man die Freude im Gesicht ablesen kann. Es ist einfach ansteckend, wie sie uns das „Rock Me, Baby“ in den Saal brettert und ihre Kollegen zu instrumentalen Ausbrüchen verleitet. Selten habe ich so viel Spielfreude auf einer Bühne erlebt und noch seltener ist so viel Energie übermütig versprüht worden.
Scheiß auf Rockerrente und Rocklegenden, ich will Power und keine Choreografie für Rentner. Ich will kantige Gitarrenläufe, wie die von „Matze“, und den „Mercedes Benz“, von der UFHOLZ gesungen. Sie gibt uns die Janis und zwei-, dreihundert Hände klatschen den finalen Rhythmus dazu. Und wieder bin ich mittendrin und der Rentner in mir jubelt vor Freude!

Eigentlich sollten Ordensbrüder ja Gelassenheit ausstrahlen. Ich kann aber nur vor Glück und Freude strahlende KLOSTERBRÜDER und aufgekratzte Gäste in einer Meute zufriedener Fans erblicken. Kann schon sein, dass wir ein wenig in die Jahre gekommen sind, aber noch immer tragen wir jenen Stolz vor uns her, der unser Anderssein auszeichnet: Klamotten, Haare, Ringe und die unbändige Lust, nur nicht gleicher als gleich zu sein oder noch schlimmer, ruhig werden zu wollen. Es bleibt alles anders und der Boogie lebt weiter. Dank unsereiner und einem Mythos namens KLOSTERBRÜDER.


Noch mehr Fotos gibt es hier: http://www.mein-lebensgefuehl-rockmusik....von%20Magdeburg

Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 23.11.2014 16:40 | nach oben springen

#2

RE: KLOSTERBRÜDER & Gäste - Christiane Ufholz & Hans die Geige

in Konzertberichte 2019 und älter 23.11.2014 17:28
von PMausM | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte

Also ich hab den lieben Hartmut heute früh schon rund erneuert , er weiß, warum.
Jedenfalls haben wir erst vorgestern 17.00 Uhr mit bekommen, was in Magdeburg läuft. Hatte ja kurz vorher andere Karten gekauft. Jedenfalls meine Meinung, wir haben was verpasst.
Ob wir sie als Dreierpack (KLosterbrüder, Ufholz und den Hans) jemals so wiedersehen werden, bezweifle ich. Diese Chance gab es nur ein Mal.

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#3

RE: KLOSTERBRÜDER & Gäste - Christiane Ufholz & Hans die Geige

in Konzertberichte 2019 und älter 23.11.2014 17:40
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Ich wiederhole mich auch hier gern noch einmal: Wenn die halbe „Fanwelt“ sich medial auf die angeblich drei „Großen“ fokussieren lässt, um fast jedes Ihrer Konzerte für viel Geld zu bejubeln, dann blendet so mancher naturgemäß die angeblich „Kleinen“ aus.

Genau diesen Vorgang habe ich still beobachtet und, wie so oft, mein eigenes Ding bevorzugt. Die KaPuCitys kann ich mir immer noch, wenn mir nüscht besseres einfällt, antun. Die Sache in Magdeburg ist durch und ich hab’ sie in aller Ruhe und völlig entspannt genossen . Mache ich bestimmt bald wieder.

Angefügte Bilder:
Klosterbrüder 237.JPG

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#4

RE: KLOSTERBRÜDER & Gäste - Christiane Ufholz & Hans die Geige

in Konzertberichte 2019 und älter 24.11.2014 05:01
von Kundi | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte

Lieber HH,

ich glaube, dass es bei vielen Musikliebhabern nicht unbedingt etwas mit den 3 "Großen" zu tun hat. Es ist auch heute noch ziemlich schwer einen umfassenden Überblick über Muggentermine zu bekommen.
Da geht schon mal der eine oder andere Termin durch die Lappen. Allerdings ist es mit dem Internet schon besser als damals zu Zeiten von Zeitung und Mundpropaganda, heute ist es eher ein Luxusproblem. Außerdem liegt die Domstadt Magdeburg nicht bei jedem Fan um die Ecke.

Ich habe Deinen Bericht sehr gerne und mit großem Interesse gelesen. Vielen Dank dafür.

Gruß Kundi


zuletzt bearbeitet 24.11.2014 05:01 | nach oben springen

#5

RE: KLOSTERBRÜDER & Gäste - Christiane Ufholz & Hans die Geige

in Konzertberichte 2019 und älter 24.11.2014 15:16
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Mein lieber mein Kundi,

wir haben ganz sicher jeder seine eigenen Perspektiven und Erfahrungen. Das ist unbestritten. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da haben wir uns öfter gegenseitig darüber direkt informiert, WANN und WO denn etwas außerhalb des Üblichen etwas stattfindet. Da wir inzwischen alle auch auf sehr unterschiedlichen Wegen unterwegs sind, ist das ein wenig verloren gegangen. Eine Lösung für das "Problem" weiß ich aber auch nicht und das mit den Entfernungen ist relativ, wie Du aus eigener Anschauung und eigenem Erleben weißt.


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