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BLUES-REISE mit KERTH am 17.10.14 in der Alten Feuerwache zu Magdeburg
BLUES-REISE mit KERTH am 17.10.14 in der Alten Feuerwache zu Magdeburg
in Konzertberichte 2019 und älter 18.10.2014 18:59von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Blues-Reise mit Jürgen Kerth (17.10.2014)
„Ich war noch niemals in New York“ (Udo Jürgens) und durch Magdeburg bin ich bisher nur ein einziges Mal gefahren. Das war kurz nach der Wende und in meiner Erinnerung klebt eine holprige Betonpiste mitten durch die Stadt fest. Viele Jahre später fahre ich, eine neue Umgebung langsam erobernd, wieder nach Magdeburg. Diesmal zweispurig auf der B81 direkt in die Stadt hinein und endlich „mal wieder verrückt sein und aus allen Zwängen fliehn“, singt Udo Jürgens am Ende. Ganz so schlimm ist es bei mir nicht, aber Lust auf eine Mugge mit JÜRGEN KERTH habe schon eine ganze Weile wieder.
Im Stadtteil Sudenburg verlasse ich die Piste, um wenige Momente später hinter dem Ambrosiusplatz meinen Blechfreund abzustellen. Der wuchtige Bau der Ambrosiuskirche steht direkt an der Straße mit dem fließenden Verkehr. Den Platz vor dem Kirchenhaus hat sich, zumindest an diesem Abend, die Jugend lautstark erobert. Die beiden hohen Türme werden links von einer Pizzeria und rechts von der „Alten Feuerwache“, einem ehemaligen Depot der Florianjünger, flankiert. Hier will ich hin und warte, bis man mir Einlass gewährt. Die Zeit bis zum Beginn verbringe ich in angenehmer Gesellschaft und auf diese Weise mit einem „Intensivlehrgang über die Geschichte von Sudenburg“ und den heimlichen Mittelpunkt Deutschlands. Mein Kopf allerdings ist nur mit halben Sinnen dabei. Er wartet auf KERTH.
Der kommt pünktlich, und ohne die obligatorische rot gestreifte Jacke, auf die Bühne. Der Bluesmann, ganz und gar im Jeans-Outfit, hat seinen Sohn STEFAN KERTH für den Bass mitgebracht und sich für den Rhythmus RONNY DEHN von Silly ausgeborgt. Eine knappe Begrüßung des Erfurters und schon erklingt „Komm herein“. Da ist er wieder, der besondere Klang einer Gitarre, den man schon mal nach längerer Zeit des Wartens vermissen kann. Auch „Komm zurück“ erklingt in altbekannter Weise und dann lässt der Thüringer Blueskönig den „Blues vom Blues“ folgen. Spätestens jetzt hat sich das Trio warm gespielt und RONNY DEHN beginnt dem Meister, mit Breaks und dem Groove des Bassisten im Hintergrund, ein treibendes Fundament unter sein Gitarrenspiel zu legen. So, wie schon vor Dekaden, tritt KERTH mit seiner „Einen“ jetzt nach vorn und lässt die Saiten schwirren. Keine Gitarre klingt so, wie diese und der Mann da vor mir weiß das und formt den Klang ganz nach Belieben und Stimmung.
Blues ist die Sprache der Seele und Rock’n’Roll die Energie, die alles speist. Das demonstriert der alte Klassiker „Around And Around“, der jetzt in die gut gefüllte kleine Halle knallt. JÜRGEN KERTH drückt der Nummer von Chuck Berry einmal mehr seinen unverwechselbar eigenen Stempel auf und lässt die Saiten seiner Gitarre dreckig-rotzige Riffs in die wogende Menge schleudern. Man(n) schwingt seinen Körper im Rhythmus, einige tanzen selbstvergessen und andere stehen an der Seite und genießen einfach nur das Spiel.
Der Mann da vorn auf der Bühne ist Kult und solche wie ich nennen ihn liebevoll ein lebendes Fossil. Er ist aus jener Musikergeneration gewachsen, die auf der Suche nach eigener musikalischer Erfüllung nicht weniger, als sich selbst fanden und wir mit ihnen unsere eigene Identität, mit allem Für und Wider jener Jahre. Kein Wunder, dass wir den „Blues von zwei falschen Freunden“ genau so selbst gelebt haben, während uns der JÜRGEN den Soundtrack dazu lieferte. Das kann ich auch in diesen Minuten wieder fühlen. KERTH spielt seine eigene Musik und lässt so ganz nebenbei, quasi als Gruß der Zeiten von damals, ein Zwischenspiel von „Samba Pa Ti“ einfließen und schon fühle ich mich der Faszination der 1970er wieder erlegen. Es ist einfach nur wunderbar und emotional, wie daraus die „Frühlingsmelancholie“ wird, deren fließende Melodie KERTH mit gleicher Intensität, einem „weißen Boot“ auf den Meereswogen segelnd vergleichbar, Ausdruck verleiht, sie fliegen, sich treiben lässt und, ähnlich wie Santana einst, daraus ein zartes Klanggeflecht zaubert, das sich selbst überlagert und den Hörer mit seiner Vielfalt betören kann. Ich kenne keinen hierzulande, der mit dem Erbe von Chuck Berry, Fleetwood Mac und Santana gleichermaßen einfühlsam umgehen kann, aber stets er selbst dabei bleibt. Deshalb liebe ich seine Musik und mag diesen ehrlichen Typen.
Natürlich lässt KERTH die wilde „Martha“ auftreten und lässt sie rocken. Wieder versinkt der Gitarrist in sein Spiel und aus seinen Saiten blitzen „Race With The Devil“ der Curvitz Brüder hervor und für Momente auch die „Black Night“ der Purpurrocker. Einer der großen Momente des Abends ist der Klang der „Gloriosa“, der Ruhmreichen, aus dem Erfurter Dom, der KERTH ein rockendes Denkmal in Blues gesetzt hat. Beim Spiel verschmilzt der Mann vor mir wieder mit seiner „Einen“, die schon so lange bei ihm ist. Er verleiht ihr die Leichtigkeit des Swing, die Urwüchsigkeit des Rock und wenn man mag, kann man den einzigartigen Klang der Glocke darin hören. In dieser einfühlsamen Hommage an seine Heimat erkennt man den feinen Beobachter ebenso wie im „Blues von der grauen Maus“ und vom Liebenlernen „Stück um Stück“. Von diesem Talent schöpft auch Sohn STEFAN KERTH, der einer alten Nummer von Ray Charles mit deutschen Worten einen neuen Inhalt verpasst hat und über den Abend hinweg mit seinem exzellenten Bass-Spiel zu glänzen weiß. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass vom Trio heute eine besondere Energie ausgeht, denn RONNY DEHN verleiht den Beiden die Frische des Neulings und den anderen Druck spürt man den ganzen Abend über. Einen Besuch bei KERTH kann man auch deshalb empfehlen, weil er sich immer mal wieder mit anderen Gästen und neuen Konstellationen umgibt, die seine Musik bereichern und Spannungen entstehen lassen.
Da klingen selbst die scheinbar eingefahrenen Klassiker vom „Helmut“ und der „Jungen Mutti“ ganz neu, bekommen einen zeitgemäßen Schliff und der „Geburtstag im Internat“ gerät zu einer schier ausufernden Party etwas in die Jahre gekommener Zeitgenossen, in die hinein das Trio nahtlos „Get Back“ von den Beatles einfließen lässt. Solche Crossover-Momente sind das Salz in der Suppe, die den Musikliebhaber immer wieder neu erfreuen. Man fühlt sich von „Martha“, „Helmut“ und „Gloriosa“ auf eine Reise mitgenommen, bei der jeder die Stationen und Sehenswürdigkeiten schon kennt, aber sich immer wieder neu über deren Schönheit freuen kann. Für mich selbst weiß ich in dieser nächtlichen Stunde wieder einmal, dass ich dabei sein werde, solange es diese Reisen noch gibt. Erst wenn der Letzte der Geschichtenerzähler, Bluesmänner und grauen Rocker verstummt ist, will oder werde ich es auch tun. Bis dahin allerdings werden „Helmut“, „Ernst Lustig“ und „Brunhilde“ weiter meine wilden Geschwister sein, denen ich Respekt und Liebe schenken werde und JÜRGHEN KERTH gehört sowieso zu dieser, meiner Familie.
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
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