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JORIS HERING BLUES BAND - "Zwei Null Dreizehn"

in CD-, DVD- und Buchveröffentlichungen 18.05.2014 08:32
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Joris Hering Blues Band – „Zwei Null Dreizehn“ (2013) 17.05.2014
(Live aufgenommen in der Kiste Berlin und im Medicom Music Club Weimar im Jahre 2013)

01 Hoochie Coochie Man (W.Dixon)
02 Süße
03 Ain’t Superstitious (W.Dixon)
04 Texas Flood (L. Davis/ J. Scott)
05 Cabin Down Below (T.Petty)
06 Puppe
07 Katze
08 Folsom Prison Blues (J. Cash)
09 Regen
10 Wunderschön
11 Feierabend
12 Good Morning Little School Girl (F. McDowell)
13 Der Mann von Nebenan

Die Rock-, Blues- und Folklandschaft hier im Osten ist noch immer groß und sehr weit und voller Abwechslungen. Selbst wenn man sich täglich dort herumtreibt, kennt man noch lange nicht alle Möglichkeiten und Spielarten. Vor Überraschungen ist man nie sicher, wenn man all die scheinbar etablierten „Großen“ einmal völlig außen vor lässt. Deren Potential für Außergewöhnliches schwindet proportional mit dem Wachsen der Chancen auf Chartplatzierungen und mehr Umsatz. Ausnahmen bestätigen natürlich diese “Regel“ und einige von ihnen kenne ich. Aber die „Kleinen“ haben noch immer den Hunger und den Ehrgeiz, weit über Grenzen zu gehen oder ihr eigenes Ding verwirklichen zu wollen. Wenn man dann aus heiterem Himmel mit dem fertigen Ergebnis solcherlei Drängens und unkonventionellen Musikzierens konfrontiert wird, staunt man immer wieder über deren Qualität und Einfallsreichtum. Das ist mir erst neulich passiert und schon etwas länger wartete auch eine CD der JORIS HERING BLUES BAND darauf, in Ruhe meine Gehörgänge passieren zu können und als ich endlich Zeit und Muse hatte, „Zwei Null Dreizehn“, nach dem Jahrgang, in dem sie entstand, in einem Rutsch zu hören, war ich wieder einmal positiv überrascht:

Satt und trocken knallt der Sound der Gitarre über dem stampfenden Rhythmus von Bass und Drums. Schon die ersten Akkorde dieses Live-Mitschnitts packen den Hörer und das auch noch mit einem Klassiker von Willie Dixon und kein geringerer als Muddy Waters verhalf dem „Hoochie Coochie Man“ zu Weltruhm. Und noch heute kommt niemand, der sich ernsthaft dem Blues verschreiben will, am Mann mit seinen „beiden Leidenschaften“ vorbei. Damit ist auch sofort klar, welcher Spielweise hier der Vorzug gegeben wird und genau so rotzig kommt der Sound der Gitarre, als das dominierende Instrument, auch rüber. Das klassische Dreiergespann Drums, Bass und Gitarre wühlt sich kraftvoll durch die Vorlage des Altmeisters und strickt daraus lustvoll ein eigenes Teil. Insbesondere der Mann an der Gitarre, JORIS HERING, fügt mit lockerer Hand seine eigenen Facetten hinzu, ohne das Original mit irgendwelchen Spielereien zu erdrücken. Ebenso geradlinig werden die Emotionen ausgespielt, wenn die „Süße“ erklingt: „Du fühlst dich gut und ich mich nicht.“ Diese Botschaft umspielt die Gitarre und gibt den textlichen Bildern einen klangvollen Ausdruck, so dass man sich beim Hören selbst das Bild von der „Süßen“ aus dem Alltag holen kann. Ein altes Thema von JORIS HERING in eine endlose Geschichte voller Blues gepackt und gut erzählt: „Für dich ist es Spaß und mich macht es krank.“ So knapp und prägnant, wie die Worte gesetzt sind, so tief greift auch der Sound der Band. Ein kleines Sahneschnittchen in 5:25 Minuten gebündelt.

Mit „Ain’t Superstitious“ schiebt die JHBB noch einen weitere Vorlage von Willie Dixon nach, um auch diesen Blues instrumental auszuweiten und nach eigenem Gefühl zu verfeinern. Trotz der Länge von 8:40 Minuten gelingt es dem Gitarristen, mit expressivem Spiel die Spannung über diesen weiten Bogen zu halten und noch auszubauen. Nur hätte ich mir vom Live - Publikum für diese Leistung einen Zwischenapplaus gewünscht. „Texas Flood“ beschreibt den verzweifelten Versuch eines Mannes, vom fernen Texas aus sein Mädchen an das andere Ende der Strippe zu bekommen, während es draußen wie aus Eimern gießt. Diese Nummer aus den 1950er Jahren wurde durch das das Album mit gleichem Titel von Stevie Ray Vaughan weltweit bekannt. In diesem Falle nutzt JORIS HERING das Stück, um es nach seinen Vorstellungen leben und klingen zu lassen. Die 7:45 eignen sich bestens, das Spiel der Gitarre zu genießen.
Beim Hören der Tom Petty – Nummer „Cabin Down Below“ aus dem Album „Wildflowers“ kommt bei mir sogar ein wenig Canned Heat –Gefühl auf, denn über einem stampfenden Boogie lässt der Mann seine Gitarre 4:00 Minuten lang rocken und singen. Mit der Geschichte über eine „Puppe“ hat sich HERING ein scheinbar eigenwilliges Thema für einen Blues ausgesucht: „Aber ich zeige dir dann, was man mit Nadeln noch so machen kann.“ Im Laufe der 8:15 Minuten entwickeln sich die Stimmungen. Mal wild und auch mal zart lockt der Gitarrist die Töne aus den Saiten, um mit der Frage nach dem Haar die Story überraschend aufzulösen und ihr plötzlich eine unerwartete Wendung zu geben. Der Kenner freut sich außerdem über ein geschickt eingefädeltes Hendrix-Zitat. Ebenso genüsslich habe ich den Blues über eine „Katze“ aufgesogen. Ein swingendes Liebeslied, das wie ein geschmeidiger Cat-Walk in Blues verpackt ist.

Ein Zitat der „Nashvilles Cats“ (John Sebastian) leitet den „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash ein und ein weiterer Altmeister kommt zu Ehren. JORIS HERING macht aus diesem Country-Blues Stück um Stück einen deftigen Boogie, verfremdet ihn respektvoll und noch dazu verdammt gut sowie mit viel Spielraum für seine Gitarre. Wie man sich im „Regen“ an einem trüben Tag fühlen kann, darüber gibt es einen stimmungsvollen Slow-Blues, bei dem man sich treiben und einweichen lassen kann. Das Stück ist etwas für Genießer sanfter Melancholie, die das Spiel einer Gitarre hier entstehen lässt. Zur Abwechslung geht es dann mit „Wunderschön“ musikalisch wieder deftiger zur Sache. Textlich hat der Gitarrist wieder passende Worte gefunden, um eine Alltagsgeschichte aus einem anderen Blickwinkel zu erzählen, die er mit seinem Instrument wieder abwechslungsreich ausmalt und mit 3:15 ist das Teil außerdem knapp und knackig, wie so manche Wunderschöne.
JORIS HERING erweist sich auch in „Feierabend (ich befrei’ mich vom Dreck)“ als einer, der in der Sprache des Alltags die passenden Worte in Bildern zu fügen vermag, um sie dann von seiner Gitarre weiter erzählen zu lassen. Nach diesen 4:20 Minuten ist das Konzertprogramm eigentlich am Ende angelangt. Jemand sagt: „Feierabend“ und dennoch bekommt man, wie live üblich, mit „Good Morning Little School Girl“ auch prompt noch Nachschlag. Der erinnert mich an einen anderen Großen aus meiner Gitarrengilde, der „Ten Years Before“ in ähnlicher Weise die Saiten zupfte. Die JHBB lässt es rocken und rollen, wie man es bei diesem Klassiker erwarten kann (und macht damit einen alten Sack glücklich). „Der Mann von Nebenan“, „Ich glaub’, er hieß Manfred.“, schließt diesen Konzertmitschnitt und gibt dem Hörer noch einmal Gelegenheit, sich tief in eine der typisch traurigen Alltagsgeschichten zu begeben, die das Leben manchmal auch schreibt, über die aber keiner spricht. Daraus einen solch emotionalen und ehrlichen Blues zu stricken, finde ich toll, ihn an das Ende der CD zu stellen, nötigt mir Respekt ab, denn so bleibt beim Hörer nicht nur der Nachklang von einem fesselnden Blues zurück, sondern vielleicht auch das Nachdenken darüber.

Nach dem Hören dieser CD schießen mir eine Menge Gedanken durch den Kopf, vor allem aber spüre ich Glück und Dankbarkeit, auf den Silberling gestoßen worden zu sein. Mir wurde so die Begegnung mit einem Musiker möglich, der ganz offensichtlich den Blues hat und außerdem in der Tradition derer zu stehen scheint, die Blues einst typisch ost-deutsch werden ließen und dies heute immer noch als Deutsche in ihrer Sprache tun. Davon zeugt diese Einspielung in überzeugender Weise, ohne dabei zu verleugnen, wo jeder für sich seine Vorbilder sieht, um ihnen nachzueifern. JORIS HERING macht das mit seiner Blues Band und vermittelt dabei das Gefühl von Frische und Ehrlichkeit. Deshalb hebe ich seine eigenen deutschen Texte in besonderer Weise hervor, weil sie davon erzählen, was man links und rechts des hastigen Lebens noch erleben und entdecken kann, wenn man genau beobachtet und sieht. Es sind kleine Momentaufnahmen, denen er durch sein Gitarrenspiel jedes Mal anders den Blues einhaucht. Das bereitet Vergnügen und man erwischt sich selbst dabei, sich einfach ein wenig treiben zu lassen und dennoch zu verstehen. Auf diese Weise bin ich mit dem Rock’nRoll und dem Blues groß geworden und in die Jahre gekommen. Genau das entdecke ich hier wieder. Bemerkt sei außerdem die geschickte Dramaturgie des Konzertablaufs, der die längeren Stücke, so wie die Klassiker auch, an den Beginn setzt und die kürzeren Nummern mit ihren Botschaften, an das Ende, damit sie besser in der Erinnerung kleben bleiben.
Ich denke und hoffe, von der JORIS HERING BLUES BAND wird man noch mehr Alltagssplitter in Blues und Boogie erwarten können. Die Meßlatte ist hoch gelegt, aber noch einen darauf zu setzen, sollte den drei Musikern sicher gelingen. Außerdem habe ich mir nun auch vorgenommen, die Jungs bald einmal live am Bühnenrand zu besuchen. Zur JORIS HERING BLUES BAND gehören:

Joris Hering – Gitarre, Gesang
Marius Dümke – Schlagzeug
Thomas Hering - Bass

Angefügte Bilder:
Joris Hering Blues Band.jpg

www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
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